Die Sondersitzung am 31. Januar 2024 war geprägt von Gewalt und antidemokratischen Vorgängen. Der Reihe nach:
Am 3. April 2017 wurde Jeannette von Busse (CDU) in geheimer Abstimmung von den Bürgerschaftsmitgliedern zur Vizebürgermeisterin der Universitäts- und Hansestadt Greifswald für eine Amtsdauer von 7,5 Jahren gewählt. Und zwar entgegen der Erwartungen offenbar durch eine abweichende Stimme aus der rotrotgrünen Mehrheit, worüber bis heute gerätselt wird, wie das zustande kam.
Regulärer Termin für die Neuwahl
Sieben Jahre später steht also nun regulär die neue Amtsperiode an. Gesetzlich ist ein Termin zwischen 01.06. und 30.09.2024 für die Neuwahl möglich. Da es gesetzlich eine Fristenänderung gab, die nachträglich bekannt wurde, musste eine Sondersitzung der Bürgerschaft einberufen werden, damit der genannte Zeitraum vollständig zur Auswahl stehen kann. Dass AfD, CDU & Co. daraus einen Skandal konstruieren, weil der Termin kurz vor der Bürgerschaftswahl ist, zeigt lediglich, mit welchen miesen PR-Manövern sie in den Kommunalwahlkampf starten. Leider fallen viele Menschen darauf rein und glauben das Märchen von einer absichtlichen Vorverlegung des Termins, um einer erwarteten künftigen rechten Mehrheit in der Bürgerschaft zu entgehen.
Wurde ein Grund gesucht, um den Bürgerschaftssaal geschlossen zu verlassen, sodass die Beschlussfähigkeit des Gremiums verloren geht und die Terminfestlegung scheitert? Das wäre ein zutiefst antidemokratischer Vorgang!
Massivste Störungen der Sitzung
Die notorische Störerin Eva Nehmzow inszenierte jedenfalls ein Theaterspiel: sprang singend durch den Saal, pöbelte und beleidigte, setzte sich ins Präsidium, provozierte den Oberbürgermeister, schmiss einen Laptop um. Ihr Gefolge von der Bürgerinitiative feuerte sie an und grölte ebenfalls herum. Der Ordnungsdienst brauchte mehrere Minuten, um sie aus dem Saal zu führen. Daraufhin störten die Mitglieder ihrer rechten Bürgerinitiative immer stärker und störten sogar den Ordnungsdienst bei der Arbeit. Eine Fortsetzung der Bürgerschaftssitzung war auf diese Weise nicht mehr möglich.
Teilhabe an der Bürgerschaftssitzung war dennoch gewährleistet
Im Nachbarsaal gab es aber einen großen Screen, auf dem der Livestream gezeigt wurde, sowie ausreichend Sitzplätze. Und im Internet konnte die Sitzung sowieso per Livestream verfolgt werden (was aufgrund eines Antrags der Tierschutzpartei einige Jahre zuvor beschlossen wurde). Somit entschloss sich die Sitzungsleiterin, die Gäste in den Nachbarsaal zu bitten und sie nur für Redebeiträge einzeln hereinzulassen. Dies war die einzige Möglichkeit, die Sitzung überhaupt stattfinden zu lassen.
Durch einen Antrag von Robert Gabel wurde übrigens bereits zu Beginn der Sitzung die Drehgenehmigung des rechten Senders AUF1 abgelehnt, wie es die Kommunalverfassung vorsieht. Andere Sender waren nicht zugegen und die Berichterstattung als solche konnte natürlich für alle frei erfolgen. Eine Einschränkung der Pressefreiheit oder gar der Transparenz, wie u.a. der CDU-Fraktionschef behauptete, gab es also nicht. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass die geplante Störungsattacke gezielt in rechten Medien für weitere Stimmungsmache verwendet werden sollte.
Rechte Fraktionen machen gemeinsame Sache zum Schaden der Demokratie
CDU, AfD und FDP/BL/KfV sowie die rechten Einzelmitglieder Kerl, Kruse und Wuschek verließen jedoch geschlossen den Bürgerschaftssaal explizit mit der Begründung, dass der Ausschluss der Gäste nicht demokratisch gewesen sei und man Solidarität zeigen wollte. Sie ignorieren bewusst, dass die Gäste gerade nicht von der Teilnahme ausgeschlossen wurden, da sie die Sitzung im Nachbarsaal live verfolgen konnten und auch weiterhin für Redebeiträge zugelassen wurden (wenngleich sie leider teilweise für rechte Propaganda missbraucht wurden). Die Begründung war also lediglich vorgeschoben.
Ein weiterer Zwischenfall sei nicht unerwähnt: Die Personen von der Bürgerinitiative blockierten nach der Sitzung den Ausgang des Rathauses, wollten offenbar einige Bürgerschaftsmitglieder am störungsfreien Verlassen hindern. Im vermutlich ebenfalls provozierten Gerangel stürzte ein Mitglied der Bürgerinitiative. Es konnten zwar überhaupt keine Verletzungen festgestellt werden, aber der Vorfall macht derzeit bundesweit die Runde, um die Stimmung noch weiter anzuheizen. Wohin das führen kann, mag man sich nicht vorstellen.
Was steckte dahinter?
Warum aber stört es die Rechten so sehr, dass der Termin zur Neuwahl der Vizebürgermeisterin ordnungsgemäß beschlossen werden sollte? Man kann es nur vermuten, aber die Ursache für die Existenz der Bürgerinitiative liegt bekanntlich im Bürgerentscheid gegen die Flüchtlingscontainer. Und diesen gab es nur deshalb, weil gewisse CDU-Politiker:innen die Debatte überhaupt erst durch konzertiertes Vorgehen ermöglichten. Der grüne Oberbürgermeister war nicht die Ursache – er wurde lediglich in den rechten Narrativen dafür beschuldigt. AfD, Nehmzow, Wuschek und ihre Bürgerinitiative haben also womöglich gemeinsame Ziele mit der CDU und stören dafür mit allen Mitteln und in gemeinsamen Inszenierungen die demokratischen Abläufe.
Deshalb ist es so wichtig wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sich für stabile demokratische Mehrheiten bei den kommenden Kommunalwahlen einzusetzen!