Olaf Zeuch rechts im Bild

Besuch beim 10. Tierbefreiungskongress (Tbk) in Thüringen/“Burg Lohra“

Ein umfangreicher und persönlicher Bericht von Olaf Zeuch (LV Schleswig-Holstein)

Vom 15.-18.09.2016 weilte ich auf der „Burg Lohra“ in Thüringen, um dort am Tierbefreiungskongress teilzunehmen, der bereits zum zehntenmal ausgerichtet wurde. Meine Intentionen waren:

  • Kennenlernen der unterschiedlichen Tierbefreiungsorganisationen
  • Erkenntnisse bzgl. einer möglichst effektiven Tierbefreiungsstrategie gewinnen
  • Die Bedeutung der politisch-parlamentarischen Tierbefreiungsarbeit hervorheben und damit auch die Notwendigkeit der MUT-Parteiaktivität verdeutlichen.
  • Diskussionen und bestenfalls nachhaltige Vernetzungen eingehen
  • Inspiration und Horizonterweiterung

Am Donnerstag reiste ich gegen 12.30 Uhr an und verschaffte mir einen ersten Eindruck von der Burg, deren Ursprungsmauern noch aus dem 11. Jhdt. datieren und dem umgebenen Anwesen.

Um 15.30 Uhr ging es dann schon los(„in medias res“), und ich hatte die Qual der Wahl, ob ich an der Veranstaltung „Vernetzung Bio-Veganer Landbau“ oder „Vernetzung und Austausch zu Tierrechts-Bildungsarbeit“ teilnahm. Ich entschied mich für die Erstgenannte und wurde in meiner Vision von einem kleinen Stück selbst bewirtschafteten Land zwecks bio-veganer Nutzung bestärkt (ob da vielleicht ein Stück unseres Reihenhausgartens für den Anfang herhalten kann, muss ich noch mit meiner Frau ausfechten.

Für 17.30 Uhr war dann das Abendessen angesetzt, und hier hatten sich in einer Zeltküche die Kochgruppen „Le Sabot“ und die „Likedeeler“ eingerichtet, um uns ca. 130 Anwesenden stets ebenso üppig wie lecker zu verpflegen. Beide genannten Gruppen sind Kollektive, die vegan und biologisch kochen und überschüssige Einnahmen in politische Projekte und Aktionen fließen lassen.

Um 19 Uhr wurde es dann für mich erstmals besonders interessant und spannend, denn im Rahmen einer Einführungsveranstaltung gab es auch eine Gruppenvorstellung. Hier konnten sich mit zweiminütiger Redezeit die jeweiligen Organisationen präsentieren, und ich zählte derer ca. 20 . Dabei waren auch mir bis dahin unbekannte Namen wie „Assoziation Dämmerung“, „Tierbefreiungsarchiv“, „Tierfabrikwiderstand“, während z.B. „ARIWA“, „LPT schließen“ und „SoLawi“ mir bereits geläufig waren. Mir war klar, dass ich mich in dem Moment, in dem ich mich als Vetreter der MUT-Partei outete und unsere Bestrebungen hervorhob, die Tierbefreiungsarbeit in allen Parlamenten zum Erfolg zu bringen, bei weitem nicht nur Anhänger*innen hatte; jedoch wurde mir, wie allen anderen Redner*innen vor- und nach mir auch, mit gefühltem Wohlwollen und Akzeptanz begegnet.

Abends gab es dann noch ein Lagerfeuer, an dem ich einige Gespräche führte und mich von einem ca. sechsjährigen Jungen verblüffen ließ, der frei erdachte Geschichten zum Besten gab und die Anwesenden in seine kindliche Fantasiewelt entführte.

Am Freitag wählte ich aus drei möglichen Veranstaltungen die mit dem Titel „Nachhaltiger Aktivismus in der Tierbefreiungsbewegung“ aus. Hier ging es darum, in drei Gruppen an je drei verschiedenen Thementischen über Stress, Angst und Überforderungsgefühle in der Tierbefreiungsarbeit zu diskutieren. Als es dann galt, noch bestehende gefühlte Blockaden in der Tierbefreiungsbewegung zu benennen, führte ich die von mir mit großem Bedauern wahrgenommene „Schockstarre“ bzgl. politisch-parlamentarischer Aktivität an, ohne dass sich irgendjemand spürbar „auf den Schlips getreten“ fühlte.

Um 12.30 Uhr schloß sich ein Workshop zum Thema „Praktischer Widerstand gegen (Massen)Tierhaltung“ an. Hier ging es u.a. um Strategien zur Intervention in Genehmigungsverfahren und wie eine konstruktive Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen aussehen kann. Mehr könnt ihr unter tierfabriken-widerstand.org ersehen.

Um 17.30 Uhr nahm ich an der „Regionalen Vernetzungsphase“ für den Nordbereich teil. Ich sah zwar keine realistisch-greifbaren Anknüpfungsmöglichkeiten für mich, führte aber ein längeres Gespräch mit einem Tierversuchslaborgegner aus Bremen, der auch in Kontakt mit Andreas Zemke (Vorsitzender des MUT-LV Bremen) steht.

Nach dem anschließenden Abendessen stand ein Kneipenquiz auf dem Programm. In mehreren Gruppen zu je 10-13 Teilnehmern lösten wir Fragen rund um die Tierbefreiungsbewegung mit jeweils vier Antwortmöglichkeiten. Dabei lernte ich einiges dazu, und unsere Gruppe mit einigen toughen Tierbefreiungsaktivist*innen verfehlte nur knapp den Einzug ins Finale.

Am Samstag wählte ich den Workshop „Konflikte verstehen, erkennen und lösen“. Nach einer theoretischen Einführungsphase bzgl. der die Kommunikation beeinflussenden Elemente wie z.B. „Bewertungen“, „Gefühle“, „Bedürfnisse“ stellte ich mich als Gesprächspartner in der Mitte des Plenums zur Verfügung und stellte die These auf:“Für eine erfolgreiche Tierbefreiungsbewegung ist die parlamentarisch-politische Arbeit sehr wichtig!“ Daraufhin entstand aber nicht die von mir und der den Workshop leitenden Dame gewünschte Diskussion mit mir, sondern lediglich darüber, warum jetzt eine gewisse Zurückhaltung in der Gesprächsbereitschaft herrschte. Es wollte sich anscheinend niemand auf dieses Themengebiet einlassen; es blieb bei kurzen Wortwechseln unter den Anwesenden, und für mich beim Versuch die herrschenden Kommunikationsblockaden aufzulösen, indem ich feststellte, dass es nach meinem Verständnis nichts gibt, worüber Menschen nicht diskutieren können sollten, auch wenn sie ihre Meinungen behalten und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Danach folgte ich den Ausführungen zweier Aktivist*innen der „Kampagne gegen Tierfabriken“ im Ramen des Workshops „Sand im Getriebe der Tierausbeutungsindustrie – Möglichkeiten des direkten Eingreifens“. In Wort und Bild beschrieben die Beiden, wie das Anketten und Blockieren funktioniert, welche Vorgehensweisen sich besonders bewährt haben, welche Materialien verwendet werden sowie welche gesundheitlichen Gefahren und juristischen Probleme auftreten können.

Dieser theorischen Betrachtung folgte am nächsten Tag noch ein Praxisteil, den ich aber – vorweg genommen – einem anderen, zeitgleichen Workshop opferte. Ich hätte aber grundsätzlich gerne mal ausprobiert, wie sich das Anketten untereinander an Hälsen (mit Fahrrad-Bügelschlössern) und Händen (Handschellensysteme) anfühlt.

Nach der Mittagspause zog es mich zu einem gut inszenierten Streitgespräch zwischen einer Aktivistin und einem Aktivisten zum Thema „Facebook: Fluch oder Segen?“ Danach hatten wir als Zuhörer*innen reichlich Gelegenheit, uns zu den individuell empfundenen Vor- und Nachteilen von Facebook und anderen Social-Media-Angeboten zu äußern. Als Vorteile wurden z.B. das umfangreiche und schnelle Vernetzen und Absprachen treffen können genannt; Nachteile: u.a. bespitzelt werden sowie unliebsame Gäste bei Demos oder sonstigen Veranstaltungen auf den Plan rufen.

Danach besuchte ich eine Podiumsdiskussion zwischen einer Vetreterin der „Tierbefreier e.V.“ und jeweils einem Vertreter von „ARIWA“, „Soko Tierschutz“ und „Tierbefreiung Hamburg“. Es wurde hier deutlich, wo Chancen und Grenzen organisationsübergreifender Zusammenarbeit liegen. „ARIWA“ wird z.B. vorgeworfen, bez. Aktivismus verhältismäßig zahm zu sein, der Vetreter von „Soko Tierschutz“, der Undercover-Ermittlungen durchführt, empfindet die Aktionen der „Tierbefreier“ als unnötig Gesetze überschreitend.

Nachdem auch das Publikum Fragen an die Organisationsvertreter stellen konnte, begann ab 22 Uhr eine Feier zum zehnjährigen Jubiläum des Tbk.

Nun noch ein kurzes Resümee nach diesen vier Tbk-Tagen:

Ich bin nachhaltig froh, dort gewesen zu sein und habe mich mit den dort anwesenden Teilnehmer*innen „eins“ gefühlt mit meinem ethischen Anspruch „Leben und Freiheit für alle Lebewesen“. Der Weg, diesen besagten Anspruch zu erfüllen,wird vermutlich auch längerfristig individuell unterschiedlich sein. Durch den gemeinsamen Gedankenaustausch denken einige Teilnehmer*innen nun vielleicht anders – bestenfalls positiver – über den Wert einer gemeinsamen parlamentarisch-politischen Tierbefreiungsbewegung, so wie ich auch die Gegenargumentationen als Denkanstoß für mein weiteres Vorgehen mitnehme.

Abschließend auch ein großes Lob an das Veranstalterteam. Auf dieser Organisationsbasis wird auch der nächste Tbk ganz bestimmt ein voller Erfolg.

Herzliche Grüße nun auch an alle Leser*Innen dieses Berichts, und viel Erfolg für eure weiteren Aktivitäten.

Olaf Zeuch (LV S-H)