Blau ist das neue grün – Für eine nachhaltige europäische Wirtschaftspolitik

Zum Thema einer nachhaltigen, ressourceneffizienten und umweltfreundlichen Wirtschaft auf EU-Ebene wird den meisten wohl der sogenannte „Green Deal“ als Initiative der Europäischen Union (EU) in den Sinn kommen. Diese zielt darauf ab, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Neben der Klimaneutralität sind dabei auch die Förderung erneuerbarer Energien, die Kreislaufwirtschaft, Biodiversität sowie Landwirtschaft und Ernährung elementare Bestandteile.

Die Blue Economy nach Gunter Pauli geht dabei noch einen Schritt weiter, da sie auf dem Prinzip des „Null-Abfalls“ basiert und darauf abzielt, nachhaltige Lösungen zu schaffen, indem natürliche Ressourcen effizient genutzt und in Kreisläufen verwertet werden. Pauli war in den 1990er Jahren CEO des Unternehmens Ecover und errichte in dieser Zeit eine Fabrik, die komplett ohne CO₂-Emissionen auskam, jedoch Palmöl verwendete, für das, wie Pauli wenig später erfuhr, Regenwald abgeholzt wurde. Für den Firmenchef wurde in dem Moment deutlich, dass „grün“ nicht gleichbedeutend mit „nachhaltig“ sein muss und dass Wirtschaft grundsätzlich neu gedacht werden muss. Kurz darauf entstand das Zero Emission Research and Initiative-Netzwerk (ZERI), in dem weltweiten Unternehmen und Forschende vernetzt sind und mit dessen Unterstützt Pauli im Jahr 2004 schließlich den Begriff „Blue Economy“ einführte. Die Farbe steht dabei sinnbildlich für unseren blauen Planeten, an dessen regionalen Ökosystemen sich eine nachhaltige Wirtschaft orientieren soll. Inzwischen werden Paulis Prinzipien weltweit vor allem in Entwicklungsländern in über 200 Projekten angewandt, wodurch in den letzten Jahren bis zu drei Millionen neuer Jobs geschaffen werden konnten.

Im direkten Bezug auf die Europapolitik kann die Blue Economy eine transformative Kraft entfalten, indem sie innovative Ansätze fördert und einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise der Nutzung lokaler Ressourcen und Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe einleitet. Anstatt auf importierte Rohstoffe und Produkte zu setzen, sollten europäische Gebiete und Regionen ihre eigenen Ressourcen nachhaltig nutzen und innovative Wertschöpfungsketten aufbauen. Gerade für Küstenregionen kann dies beispielsweise durch die Entwicklung von maritimen Bioökonomien erreicht werden. Hier können z. B. Abfall- und Nebenprodukte aus der Algenzucht oder aus Alternativen zu Fischzucht oder Fischfang genutzt werden, um neue Produkte wie Nahrungsmittel, Tierfutter, pharmazeutische Wirkstoffe oder biobasierte Materialien herzustellen.

Die Europapolitik sollte auch im urbanen Raum Maßnahmen fördern, um so nachhaltige städtische Systeme zu schaffen. Beispielsweise können Gebäude mit innovativer Architektur und nachhaltigen Materialien konstruiert werden, um Energieeffizienz und Abfallreduzierung zu fördern. Die Nutzung von erneuerbaren Energien und die Integration von Natur- und Wasserressourcen in städtische Landschaften können ebenfalls gefördert werden. Der gleiche Ansatz gilt auch für Förderung von nachhaltigen Transport- und Logistiklösungen: Die Europapolitik kann hier gezielt Anreize schaffen, welche z. B. die Entwicklung von Elektromobilität, die Förderung von öffentlichem Nahverkehr und die Verbesserung der Infrastruktur für Fahrrad- und Fußgängerverkehr umfassen.

Eine besonders große Hebelwirkung auf EU-Ebene stellt in Bezug auf die Blue Economy auch die Förderung von innovativen Landwirtschaftspraktiken wie z.B. Permakultur, Agroforstwirtschaft oder vertikale Landwirtschaft dar. Diese Ansätze nutzen Ressourcen effizienter, minimieren den Einsatz von Chemikalien und können eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ermöglichen. Auch der Industrie kommt bei diesem neuen Wirtschaftsansatz auf EU-Ebene eine Schlüsselrolle zu, bei der die Europapolitik Anreize schaffen kann, um die Integration erneuerbarer Energien in die Industrie zu fördern. Dies könnte die Unterstützung von Unternehmen bei der Umstellung auf erneuerbare Energien und energieeffiziente Prozesse umfassen. Beispielhaft könnten industrielle Abwärme oder Abfallströme zur Energieerzeugung genutzt werden.

Der entscheidende Faktor zum Gelingen ist jedoch der Mensch. Europapolitik kann und soll dabei eine gezielte Förderung von Bildungseinrichtungen, Forschungsinstituten und Innovationszentren mit nachhaltigem Schwerpunkt zur Kreislaufwirtschaft betreiben, umso stetig neue Lösungen und Technologien entwickeln zu können, um einen ökologischen und sozialen Fortschritt zu gewährleisten, ohne dabei ökonomische Aspekte zu vernachlässigen.

Bei der durch die EU-Kommission propagierten Green-Economy soll Nachhaltigkeit durch technologische Innovationen erreicht werden, aber ohne das System grundsätzlich verändern zu wollen. Derzeit findet die Blue Economy fast ausschließlich Anklang in Entwicklungsländern, eine Adaption in den großen europäischen Industrienationen scheiterte bislang. Laut Pauli lässt sich das darauf zurückführen, dass viele Unternehmen das vermissen lassen, was die Natur ausmacht: Kreativität und beständiger Wandel. Dies gilt wohl aktuell auch noch für die meisten Politikerinnen und Politiker.

Autor: Sebastian Everding

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