Das stille Leiden der Hummer

Lange Zeit galt es als ausgemachte Sache, dass Krebstiere keinen Schmerz spüren. Zu unterentwickelt sei ihr Nervensystem, die Tiere seien nur zu Reflexen fähig. Es wäre schön, wenn diese Annahme der Wahrheit entsprechen würde, denkt man daran, wie Hummer bei lebendigem Leib in heißem Wasser gekocht werden.

Die Forschung erzielte aber bereits Ergebnisse, die in eine ganz andere Richtung deuten. So wurden in Experimente beispielsweise die Fühler von Garnelen mit Säure gereizt, woraufhin die Tiere begannen, diese zu reiben. Waren die Fühler zuvor betäubt worden, zeigte sich keine Reaktion. Auch bei einer schmerzhaften Injektion begannen Krebse, das betroffene Körperteil am Boden zu scheuern.

Am aussagekräftigsten allerdings war ein Versuch mit Gemeinen Strandkrabben. Die Tiere wurden in die Mitte eines erleuchteten Aquariums gesetzt, woraufhin sie Schutz suchten an den abgedunkelten Seiten. Sie taten dies, um sich instinktiv den bestmöglichen Schutz vor Fressfeinden wie Möwen zu sichern. In dem Versuch aber bekamen die Tiere, sobald sie in den dunklen Bereichen saßen, Stromstöße verabreicht. Schon nach zwei Versuchsdurchläufen hatten die Tiere gelernt, dass im Dunkeln ein Stromstoß drohte und trotz des starken Dranges, sich vor Fressfeinden zu schützen, blieben die Strandkrabben im Hellen. Offensichtlich empfanden sie den Stromstoß als so sehr unangenehm, dass sie die Angst im Licht bevorzugten. Damit glich ihr Verhalten dem von Wirbeltieren.

Als wirbellose Tiere aber haben Hummer, Langusten und Taschenkrebse bisher keinerlei Rechte. Tierschutzbestimmungen gelten für sie nicht. Mit fortschreitender Erkenntnis ist allerdings auch die Einstellung des Menschen zu Krustentieren im Wandel. In der Schweiz, Großbritannien und Neuseeland ist es inzwischen vorgeschrieben, beispielsweise Hummer vor dem Kochen zu betäuben. Wie weit die Tiere gehen, um dem Schmerz zu entgehen, illustriert ein Video, das im Juni 2018 viral ging: ein kleiner Flusskrebs schnitt sich seine eigene Schere ab, um dem Kochtopf zu entkommen.

Da das Potenzial für Leiden ganz offensichtlich gegeben ist, muss der Umgang mit Krustentieren in der Lebensmittelindustrie neu überdacht werden. Fang, Lagerung, Transport und Tötung sind keinesfalls artgerecht. Allein an Hummern werden jedes Jahr 250 Millionen Tiere gefangen, es geht insgesamt um das Wohl von Milliarden von Krustentieren.