„Die neue Seidenstraße“ – wie Europa und Asien zusammenwachsen können

 

In nicht einmal zwanzig Jahren ist es der Volksrepublik China gelungen, ihr Bruttoinlandsprodukt zu verzehnfachen und zu einer der stärksten Wirtschaftsmächte weltweit aufzusteigen. Die EU ist der größte Handelspartner Chinas und täglich werden Waren im Wert von 1 Mrd. EUR gehandelt. Damit hat sich der gegenseitige Warenaustausch seit 2000 auf 573 Mrd. EUR verdreifacht.

Chinas Aufschwung macht sich in Europa auch durch zunehmende Direktinvestitionen bemerkbar. 2017 investierten chinesische Unternehmen 29,8 Mrd. EUR in den EU-Staaten. Mehr als 95 % betrafen Fusionen und Firmenaufkäufe, nur ein Bruchteil floss in die Gründung neuer Unternehmen. Im ersten Halbjahr 2018 betrugen die Direktinvestitionen in Europa schon 17,5 Mrd. EUR.

Es besteht die Aussicht, den Anteil der Industrie-Neuansiedlungen deutlich zu erhöhen. Präsident Xi Jinping rief 2013 die „Neue Seidenstraße“ ins Leben, die China auf dem Land- und dem Seeweg enger mit der übrigen Welt zu verknüpfen wird. Entlang von Korridoren sollen Wirtschaft und Handel erblühen, um den Wohlstand zu vermehren und Frieden zu schaffen. Langfristiges Ziel ist der verstärkte Austausch und die Kooperation aller Länder nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im sozialen und kulturellen Bereich.

Zu diesem Zweck stellt China Milliardenkredite für Infrastrukturprojekte aller Art zur Verfügung. Bis zur geplanten Vollendung im Jahr 2049 werden wohl 4000 bis 8000 Mrd. US-Dollar investiert werden. So richtig in Fahrt kamen die Seidenstraßen-Projekte 2015, als das Programm von „One Belt, One Road“ (OBOR) in „Belt and Road Initiative“ (BRI) umbenannt wurde. Im Oktober 2017 wurde es schließlich Teil der chinesischen Verfassung.

Auch die EU und Deutschland können von diesen Krediten profitieren. Erste Ergebnisse zeigen das große Potential der intensivierten deutsch-chinesischen Zusammenarbeit. In Thüringen beispielsweise entsteht für 240 Mio. Euro bis 2022 die größte Batteriezellen-Fabrik für Elektroautos in Europa. Der chinesische Hersteller CATL (Contemporary Amperex Technology Ltd.) wird so langfristig ca. 1000 Arbeitsplätze im Industriegebiet „Erfurter Kreuz“ schaffen.

Weitere Projekte sind in Planung. Ein Betrag von 260 Mio. Euro soll im Businesspark Niederrhein bei Duisburg für die Errichtung des „China Trade Center Europe“ (CTCE) investiert werden. Das Handelszentrum könnte nach der Ansiedelung von ca. 300 chinesischen Unternehmen voraussichtlich 1000 bis 2000 Arbeitsplätze schaffen.

Vorzeigeprojekt ist die Zugverbindung Duisburg-Chongqing, die 2011 ihren Anfang nahm, als Hewlett- Packard nach einer Möglichkeit suchte, Elektronik schneller aber dennoch günstig aus China nach Europa zu bringen. Die 12.000 km lange Zugverbindung zum größten Binnenhafen der Welt wurde inzwischen zu einem Teil der BRI erklärt und sukzessive ausgebaut. Waren es vor vier Jahren noch drei, verkehren inzwischen 25 bis 35 Güterzüge wöchentlich. Dadurch entstanden schätzungsweise 6000 Arbeitsplätze in Duisburg.

Im „16+1“-Format verhandelt China mit osteuropäischen Staaten über Handels- und Investitionsfragen. Bisher haben insbesondere Ungarn, Rumänien und Polen von den chinesischen Geldern profitiert. Intensiver Dialog ist aber eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. So musste der Ausbau der Eisenbahn Belgrad-Budapest zur Hochgeschwindigkeitsstrecke vorerst angehalten werden, da es möglicherweise zu Verstöße gegen Regelungen zur Ausschreibung kam.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kündigte im September 2018 eine Strategie an, wie die Vernetzung mit Asien verbessert werden könnte. Wichtiger Bestandteil des europäischen Programms ist eine solide Grundlage aus international verbindlichen Regeln und Vorschriften. Infrastrukturinvestitionen müssten multilateral erfolgen und nachhaltig gestaltet sein. Die EU wird darauf achten, dass gleiche und transparente Wettbewerbsbedingungen herrschen, Arbeitsrechte geachtet und keine finanziellen oder gar politischen Abhängigkeiten geschaffen werden.

Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz begrüßt die Schaffung eines günstigen Umfeldes für Investoren aus China. Die „Neue Seidenstraße“ kann zu einer bedeutenden West-Ost-Verbindung in Eurasien werden. Wirtschaftlich sinnvolle und nachhaltige Projekte verlaufen in Deutschland wie auch der EU aber nur dann erfolgreich, wenn die Rechtslage vor Ort und die geltenden Standards Berücksichtigung finden. Die Finanzierung wie Durchführung der Vorhaben sollte von europäischen und chinesischen Unternehmen gemeinsam getragen werden.

Eine besonders wichtige Komponente aller Projekte muss der Schutz der Natur und die Bewahrung der Tierwelt sein. Ein stärkeres Engagement der EU eröffnet die Möglichkeit, auf eine Erhöhung der chinesischen Standards in den Bereichen Umwelt- und Tierschutz hinzuwirken. Die geplanten BRI- Korridore überlappen mit 1739 wichtigen Vogelschutzgebieten und Biodiversitäts-Arealen. Der WWF schätzt, dass 265 bedrohte Tierarten von der „Neuen Seidenstraße“ betroffen sein werden, darunter Tiger, Pandas, Gorillas und Antilopen. Die BRI wird von China als „grünes“ Projekt beworben und die EU kann dabei helfen, dass dieses Versprechen eingehalten wird.