Ein mutiger Rufer in der Wüste…

Eugen Drewermann auf dem Kirchentag am 27.08.2010 in Dortmund

Der Vortrag von Kirchenkritker Eugen Drewermann wäre beinahe ins Wasser gefallen. Bei herandrohenden Sturmböen und Gewitterfronten wurde die Freiluft-Verstaltung erst verschoben und dann schließlich von Drewermann persönlich gerettet: Er lud das Publikum kurzerhand auf die Bühne ein, um es vor dem Regen zu retten. Es wurde geräumt und geschoben und schließlich predigte Drewermann inmitten von Kindern, Hunden und erwachsenen Menschen auf engstem Raum. Eugen Drewermann ging in seinem völlig frei gehaltenen Vortrag schnörkellos auf die drängensten Probleme unserer Zeit ein – Artensterben und Überbevölkerung, Anthropozentrik und rein rationales, lineares Denken waren seine Themen. Zwar ist es noch nicht bei allen angekommen, aber der in unserem Land gängige Grundsatz „Ökonomie vor Ökologie“ habe laut Drewermann nur solange Sinn, bis wir unsere Erde damit kaputt gewirtschaftet haben. Auf der Erde seien zwar immer wieder Arten ausgelöscht worden, aber dafür kamen neue wieder. Die Umweltzerstörung, die durch den Menschen verursacht werde, leiste diesen Ausgleich nicht. Bei der Bevölkerungsexpansion würde man spätestens in 50 Jahren jeden der fahrlässigen Tötung anklagen, der sich wie der Papst gegen Kondome oder andere Formen der Empfängnisverhütung ausspreche.

Schon jetzt kaum noch überschaubare Probleme wie die Urbanisierung, der Rückgang der nicht-menschengeschaffenen Natur zwischen Hochalpen und Wattenmeer seien Grundlage von „Perversionsketten“.

Unser Umgang mit Tieren sei Tierquälerei in milliardenfachem Umfang und verstöße gegen sämtliche Tierschutzgesetze. Unsere Ethik lasse dieses Verhalten jedoch zu – der „Ahimsa“ – Gedanke indischer Religionen komme im Christentum leider nicht vor, sie sei artkategorisch und stelle den Menschen in das Zentrum des Kosmos. Tierquälerei sei den Teilnehmern dieser Ethik egal, solange sie dem Menschen dienlich sei. Die Natur habe im Abendland keine Rechte, da der einzige Rechtsträger der Mensch sei. Egal ob man an die Tötung von Millionen von Rindern zu Zeiten der BSE-Krise denke oder an das militärische Vorgehen bei der tausendfachen Vergasung potentiell an der Vogelgrippe erkrankter Enten, die Bibel selbst beinhalte laut Drewermann kein einziges Gebot, in dem stünde „lasset die Tiere in Ruhe“. Stattdessen nur fatale Forderungen wie „wachset und vermehret euch“ und „herrscht über die Erde“ (Gen 1, 28-29) oder wenig bekannte Bibelpassagen wie Gen 9, 1-3 „Schrecken soll sein den Tieren vor dem Menschen“. Das führe dazu, dass die meisten immer noch davon ausgehen, dass nur Menschen eine Seele haben, was uns mit einer absolutistischen Verfügungsgewalt ausstatte, die auf Gottesgleichheit basiere.

 

Dabei würde uns doch nur kurzes Nachdenken über die Evolution und die Erdgeschichte ausreichen, um wachzurütteln, dass wir eben keine Sonderstellung in der Natur einnehmen, sondern erst seit kurzer Zeit da seien und uns wahrscheinlich in nächster Zeit auch wieder selbst eliminieren werden. Dann werde die Natur aufatmen. Er mutmaßt sogar, dass dann vielleicht andere Arten Intelligenz entwickeln würden, vielleicht dann Pflanzenfresser statt Jäger. Drewermann fordert eine Ethik nach Darwin, nach der wir Menschen eben nicht im Zentrum der Welt stehen und betet, wir „wären intelligente Tiere geblieben und nicht wahnsinnig gewordene“. Die Neurologie könne uns dabei helfen, unserer Stellung im Kosmos zu überdenken.

Schopenhauer sei der erste Philosoph gewesen, der durch die Bibel zum empörten Atheisten wurde. Von ihm stamme der Ausspruch „Tiere leben in der Hölle und ihre Teufel sind die Menschen“ . Seiner Meinung nach müsse Ethik Gefühle angreifen, ganz zentral sei das Mitleid. Allerdings erläutert Eugen Drewermann, dass Gefühle auch durch den Verstand kontrolliert werden müssen.

Wir müssen wieder hin zu zyklischem Denken, wie es z.B. die Indianer haben. Zerstörtes müsse wieder ersetzt werde, das Gleichgewicht muss wiederhergestellt werden. Sonst könne uns niemand aufhalten, was uns „kriminell und gemeingefährlich“ mache. Egal ob Militärversuche, um hochgradig effektive Massenvernichtungswaffen herzustellen oder der Versuch, Tiere so zu züchten und zu manipulieren, dass wir noch mehr Gewinn an ihnen machen können (Bsp. Hühner ohne Federn), das Wirtschaftsdenken, welches nur auf die Gewinnmaximierung abziele, sei „ein Ungeheuer, welches durch einen Totalcrash zu Fall gebracht werden muss“. Er hoffe, der Kapitalismus wird zusammenbrechen, bevor er noch mehr unendliches Leid verursache.

Drewermann betonte unablässig die Verbundenheit von Mensch, Tier und Natur und dass alles, was wir tun, auf uns zurückfalle. Wir dürfen unsere Erde nicht länger verkaufen, sie gehöre uns schließlich gar nicht. Der Mensch sei immerhin nur ein Wimpernschlag in der Geschichte der Erde.