EU-Parlament plant Prozenthürde trotz Verfassungswidrigkeit

PRESSEMITTEILUNG / 02.12.2015

Der Grundsatz der Wahlgerechtigkeit verlangt, dass die Stimme jedes Wahlberechtigten den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Erfolgswertgleichheit sagt: Jede Stimme muss den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments haben. Der Sitzanteil einer Partei muss daher grundsätzlich deren Stimmanteil entsprechen.

Bereits in den Jahren 2011 und 2014 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sowohl die 5-, als auch die verminderte 3-%-Hürde im Europawahlrecht ein schwerwiegender Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechts- und Chancengleichheit der politischen Parteien und somit verfassungswidrig seien.*

Am 11. November 2015 hat das Europaparlament nun erneut einen Gesetzesvorschlag zur Wiedereinführung einer Prozenthürde angenommen, der von der Mehrheit der Großen Koalition unterstützt wird. Kaum verwunderlich, denn primäres Ziel dürfte es sein, die deutschen Kleinparteien an einem erneuten Einzug ins Parlament zu hindern.

CDU/CSU und SPD sprechen wiederholt von der Einschränkung der Arbeitsfähigkeit durch die sogenannten „Splitterparteien“ und der Notwendigkeit angemessener Mindestschwellen, um die Zuteilung der Sitze festzulegen und „verlässliche Mehrheiten im Parlament sicherzustellen“.

Die Tatsache, dass sich die „Splitterparteien” fast ausnahmslos großen Fraktionen anschließen, wirkt der befürchteten Zersplitterung, die bei 28 Mitgliedsländern ohnehin stattfindet und auf Parteienebene somit gar nicht zu verhindern ist, ausreichend wirksam entgegen. Daher ist das Argument der Gewährleistung von Handlungsfähigkeit des Parlaments durch das Hinausdrängen von kleineren Parteien obsolet.
Außerdem werden bereits jetzt mehr als 2/3 aller Abstimmungen im EU-Parlament durch die Große Koalition getragen.

Die geforderte Reform des Wahlrechts ist für uns somit nicht nur ein Versuch der großen Parteien, sich politischer Gegner zu entledigen, es ist auch der versuchte Betrug am Wähler! Ein Versuch, den Bürgerwillen zu unterdrücken und die Alleinherrschaft an sich zu reißen.

Sollte der Gesetzesvorschlag Erfolg haben und neben der faktischen Sperrklausel (der erforderlichen Anzahl Stimmen für einen Sitz) eine erneute Mindestgrenze eingeführt werden, so würden bei der kommenden Europawahl die Stimmen jener, die eine Kleinpartei wählen, gegen deren Willen den sogenannten „Volksparteien“ zufallen. 2014 waren dies in Deutschland mit 2,6 Millionen Stimmen über 8,9 % aller Wähler, die bei einer 3-%-Hürde betroffen gewesen wären.

Bei einer Hürde von 5 % würde dieser Anteil sogar auf 12,2 % steigen!

Unser Verständnis von Demokratie ist ein anderes.

Wir erwarten, dass der EU-Ministerrat nicht nur in unserem, sondern auch im Wählersinne handelt und die demokratiefeindliche Wahlrechtsreform stoppt.

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