Frau Merkel und CDU-Wendehälse entdecken die “Würde der Arbeit”

“Der Mindestlohn verbaut Chancen auf mehr Beschäftigung. Deshalb ist er nicht sozial und nicht richtig.” (Angela Merkel CDU Mitte August 2009)

“Jede Art von Mindestlohn führt zu mehr Arbeitslosigkeit.” (Volker Kauder CDU Oktober 2006)

Bei der CDU geht es rund! Da fallen in diesen Monaten jahrzehntelang gehütete Dogmen am Fließband. Erst war es der Atomausstieg, der eigentlich nur eine Rücknahme der von Schwarz-Gelb beschlossenen Laufzeitverlängerung war, dann der Paradigmenwechsel in der Schulpolitik durch Frau Schavan (Stichwort Ausstieg aus der Hauptschule) und jetzt der Mindestlohn.

Der Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), der Karl-Josef Laumann, ist schon länger mit diesem Thema in seiner Partei auf „Tingeltour“ gewesen. Aber der Arbeitnehmerflügel der CDU konnte sich bisher auch nicht ansatzweise gegen den Wirtschaftsflügel mit seiner Forderung nach einem Mindestlohn durchsetzen. Nun hat sich der Wind gedreht! Nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung fordert einen Mindestlohn, mit dem a) Lohndumping verhindert und b) ein Auskommen mit dem Einkommen möglich ist, fernab staatlicher Subventionierung = Hartz IV. Inzwischen hat sich in mehreren Regionalkonferenzen offenbar die Meinung der CDU-Basis geändert und sie befürworten einen Mindestlohn oder eine “Lohnmindestgrenze”, wie es im Sprachgebrauch der Konservativen jetzt heißt. Schließlich muss man sich von den Gewerkschaften, SPD und der Linken ja irgendwie noch abgrenzen.

“Wir werden einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland nie mitmachen. Er würde eine Million Arbeitsplätze gefährden.” (Ronald Pofalla CDU Januar 2008)

Machtbewusst wie sie ist, hat sich die CDU-Vorsitzende Merkel der Mehrheit nun angeschlossen und eben die “Würde der Arbeit” entdeckt. Diskutiert wird ein Betrag von 7,-€ brutto die Stunde, den es – unabhängig von der Art der Tätigkeit – mindestens geben soll. Bei einer 40-Stunden-Woche würde das rund 1.200,-€ brutto im Monat ergeben. Als alleinstehende Person würde das einen Nettolohn von rund 900,-€ monatlich ausmachen und damit immer noch einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen auslösen.

Auch das Risiko der Altersarmut würde damit nicht vermindert. “Um über die Rente einen Anspruch zu erarbeiten, der höher liegt als die heutige Grundsicherung im Alter, also die “Sozialhilfe”, müsste man 45 Jahre lang in Vollzeit mehr als 9,30 Euro brutto die Stunde verdienen.”, wird Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in der Tageszeitung (taz) zitiert. Ein Mindestlohn von 7,-€ würde allerdings denjenigen etwas bringen, die wegen anderer Personen im Haushalt ohnehin über dem Hartz-IV-Niveau liegen. Das bedeutet: Ein Ehepartner geht für gutes Geld arbeiten, anderer Ehepartner macht einen schlecht bezahlten Teilzeitjob. Diese Konstellation kommt aber tatsächlich nicht so häufig in unserem Land vor, wie man sich das gemeinhin vorstellt. Immerhin beziehen derzeit 1,4 Millionen Menschen in Deutschland ergänzend Leistungen von den Jobcentern und Arbeitsgemeinschaften, obwohl sie einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen.

Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz fordert schon seit langem einen branchenspezifischen Mindestlohn. Dies verhindert nicht nur sittenwidrige Arbeitsverhältnisse, sondern ist auch dem Prinzip “Gutes Geld für gute Arbeit” geschuldet. Das sich CDU/CSU/FDP hierzulande bisher standhaft gegen einen Mindestlohn gewehrt haben, zeugt einmal mehr davon, wie sich die Lobby der wirtschaftlich Stärkeren, der Konzerne dieser Parteien bedient. In Luxemburg gibt es einen Mindestlohn von 10,16 €, in Frankreich von 9,-€, in Großbritannien von 6,91 € und selbst in den USA darf niemand weniger als 5,47 € verdienen (Quelle: WSI-Mindestlohndatenbank 2011, Hans-Böckler-Stiftung). Es wird Zeit, dass auch Deutschland in der Wirklichkeit ankommt!