Gespräch mit Karsten Meyer über demeter, die Bio Branche und die Verbraucher

Karsten Meyer ist Diplom-Biologe und hat eine Ausbildung zum Landwirt gemacht. Heute betreibt er den Hofladen Lütjen, der zum Demeterverband gehört und ganz idyllisch, ein wenig versteckt im Teufelsmoor im Landkreis Osterholz-Scharmbeck liegt.

In dem kleinen Hofladen gibt es neben einer Fleisch- und Käsetheke mit artgerechten Bio-Produkten, ein reiches Angebot an frischem, regionalem Gemüse und alles, was das Bio-Herz begehrt.

Wer ein kleines Päusschen einlegen möchte, kann sich im kleinen Café ein Stückchen Kuchen und eine Tasse Kaffee gönnen. Ab einem Bestellwert von 30 Euro bietet Herr Meyer auch einen regionalen Lieferservice an, für interessierte Kunden, die gerade keine Gelegenheit haben, zu seinem kleinen Hofladen zu kommen, aber trotzdem qualitative Bio-Produkte haben möchten.

Karsten Meyer hat sich zu einem Gespräch mit Dr. Sarah Fretzer von der MUT Partei, LV Niedersachsen bereit erklärt, hier sind interessante Fragen, Antworten und Denkanstöße an alle Bio-Freunde und an Kunden, die sich darüber noch nie Gedanken gemacht haben:

Fretzer: Warum demeter? Warum verkaufen Sie hier in Ihrem Laden teures Bio-Rindfleisch und nicht billiges Fleisch aus der Massentierhaltung?

Meyer: Ich möchte die Frage gerne mal anders herum stellen: wer hat eigentlich Interesse daran, dass Fleisch so billig ist? Wenn es gewollt werden würde, dann hätte der Gesetzgeber hier schon längst einen Riegel vorgeschoben. Wenn man den Gedanken mal zulässt, dass das Ganze so gewollt ist, dass es billiges Fleisch auf dem Markt gibt: wer hat ein Interesse daran, dass das so ist?

Fretzer: Es sind die Kunden und die Bauern, die damit Profit machen können und das sind ja wiederum nur wenige.

Meyer: Das ist das eine und man kann sich ja natürlich auch schnell in verschwörungstheoretische Richtungen bewegen, aber manchmal ist das vielleicht dann auch zulässig: dass es natürlich auch zu einer Unruhe käme, angenommen es gäbe dieses billige Fleisch nicht mehr. Es gibt ja einen bestimmten Bereich in unserer Gesellschaft, den Sie niemals erreichen werden, also nicht mit Informationen, nicht mit Überzeugung.

Fretzer: Menschen, denen das Thema einfach egal ist?

Meyer: Ja. Es ist wichtig, die Alternativen zu sehen. Ich bin Diplom-Biologe und habe dann eine Ausbildung zum Landwirt gemacht. Mir war in meiner Ausbildung und wenn ich dann auf Biobetrieben gearbeitet habe, immer wichtig auch die andere Seite zu kennen. Man weiß genau was jetzt der konventionelle Bauer machen würde und mir war immer wichtig zu sehen: wie sieht die Alternative aus, was machen die anderen anders und wie klappt das und über diese Schiene bin ich dann irgendwann hier im Handel gelandet.

Fretzer: Wollten Sie keinen eigenen Hof haben?

Meyer: Ich habe auf verschiedenen Höfen gearbeitet und da wäre auch die Möglichkeit gewesen einzusteigen, aber dieses Zusammenleben und Zusammenarbeiten ist nicht immer leicht und wenn man das selbst macht, braucht man auch unglaublich viel Kapital, um so einen Hof einzurichten.

Fretzer: Bekommt demeter Subventionen, wenn jetzt jemand sagt, ich möchte einen demeter Hof aufbauen und steige jetzt bei demeter ein?

Meyer: Ja. Es gibt in fast allen Bundesländern Beihilfen auf die Ackerfläche und auch für die Grünlandfläche gibt es Umstellungshilfen. Das war mal auf 3 oder 5 Jahre befristet, das steht im Internet genauer. Niedersachsen als großes Flächenland wollte das auch mal einschränken, je nach der politischen Couleur, die da gerade das Sagen hatte. Aber der Politik ist auch klar, wenn sie auf Bio umsteigen, haben sie in den folgenden Jahren Ertragseinbußen. Das ist einfach so, weil man ein ganz anderes Düngeniveau fährt und das soll über diese Beihilfen aufgefangen werden. Sie kriegen dann natürlich für ihre Produkte auch einen besseren Preis im Idealfall, aber je nachdem wie der Hof aufgestellt ist, muss man dann auch selbst gucken, wie sie ihre Produkte vermarkten. Nicht wenige Bio-Betriebe entscheiden sich für die Direktvermarktung, aber das ist halt sehr aufwendig.

Fretzer: Demeter Produkte kriegt man ja auch gar nicht im Supermarkt. Demeter hat ja einen speziellen Vertriebsweg.

Meyer: Ja und das kann man auch im Internet genauer nachlesen: der demeter Vorstand bzw. der demeter Bund hat sich jetzt entschlossen, was das angeht sich etwas zu öffnen, was ich persönlich für schwierig halte. Es gibt aber einige demeter Produkte, die man auch im konventionellen Einzelhandel bekommen kann, zum Beispiel Kartoffeln oder ich glaube sogar Eier.

Fretzer: Wie finden Sie das als kleiner Laden, wenn Sie mit Supermärkten konkurrieren müssen? Für Sie ist es wahrscheinlich noch mal extra schwierig, weil Sie so weit außerhalb sind, oder?

Meyer: Ich würde das gerne mal von dieser persönlichen Seite runterholen, denn es ist immer leicht, sich zu beschweren und bestimmte Entwicklungen wird man nicht aufhalten können. Natürlich ist die Lage speziell und extrem. Ich habe keine Laufkunden, alle Kunden sind Stammkunden. Was mich eher umtreibt oder worüber ich mir Gedanken mache: die Entwicklung, die das Ganze nimmt, die geht in eine Richtung, wo ich mich frage: geht das auf Dauer zu Lasten der Qualität der Produkte, die man kaufen kann? Wenn nämlich die großen Ketten einsteigen, dann kann es unter Umständen auch dazu führen, dass die Qualität der Produkte schlechter wird. Es gibt eine EU-Bio-Rahmenrichtlinie, die legt fest, als unterste Grenze, wann ein Produkt ein Bio-Produkt ist. Dann gibt es die Bio-Verbände Naturland, Bioland, Demeter und so weiter und die haben andere Richtlinien, die über das, was die EU vorschreibt hinausgehen und das gilt auch für die einzelnen Produkte. Ich favorisiere natürlich die Produkte, die die Verbandskriterien erfüllen, weil ich genau weiß, da hat sich jemand Gedanken über sein Produkt gemacht. Bei der EU-Richtlinie ist es sogar so, dass ein konventioneller Bauer sagen darf: ich möchte gar nicht meinen ganzen Betrieb auf Bio umstellen sondern nur einen Teil des Betriebs, also zum Beispiel Getreide als Bio-Anbau und der Rest läuft weiterhin konventionell. Das halte ich für schwierig, denn wenn Skandale da sind, dann sind die meistens im konventionellen Bereich. Wenn Supermärkte im Bio-Bereich einsteigen, existieren auch ganz andere Handelswege. Wenn die Bio einkaufen, kaufen die Ware en gros ein, die Handelspartner kennen sich gar nicht persönlich und bei mir in meinem kleinen Laden sind diese Geflechte ganz anders.

Fretzer: Kennen Sie Ihre Lieferanten persönlich?

Meyer: Ich kenne meine Großhändler und die Großhändler funktionieren über Beziehungen, die zum Teil über viele Jahrzehnte so gehen, das sind Familien und da ist schon die nächste Generation, die miteingestiegen ist. Das sind völlig andere Zustände.

Fretzer: Denken Sie, dass der Handel Preise drücken oder Zustände sogar verändern könnte?

Meyer: Das ist das, wovon ich ausgehe. Warum soll das nicht irgendwann im Bio-Bereich genauso laufen, wie es auch schon im konventionellen Bereich ist. Wenn Aldi beispielsweise als Player irgendwo erscheint, werden die immer versuchen, die Preise zu drücken. Der Bauer kann das dann irgendwann nicht mehr. Er kann nicht zu dem Preis produzieren, wenn er gute Ware liefern will.

Fretzer: Denken Sie, dass es Sinn machen würde, das gesetzlich so zu regeln, dass es Mindestpreise gibt, je nachdem was angebaut wird und zu welchen Konditionen es angebaut wird? Zum Beispiel hat das Gülleproblem ja massive Schäden verursacht, die ja nun mehr oder weniger vom Steuerzahler getragen werden müssen. Demeter hat ja andere Richtlinien und dadurch ist ja die Umweltbelastung ganz anders, wodurch die Gesellschaft natürlich profitieren kann.

Meyer: Was immer auch in der Politik irgendwie die Frage war ist: wie beziffert man eigentlich die Umweltschäden, die zum Beispiel durch erhöhte Nitrateinträge zustande kommen oder durch Spritzmittelanwendung und wenn man das täte, … Also wenn jetzt Leute hier zum Beispiel am Tresen stehen und sagen: „Oh, das ist aber alles teuer!“, dann kann ich immer sagen: „Nee, das andere ist zu billig!“. Wenn man die Umweltschäden finanziell umlegen würde, dann gäbe es diese Kostenspanne gar nicht mehr. Genauso wie Sie sagen: solange das nicht beziffert wird und bewertet wird und mit einberechnet wird und dann entsprechend auch noch so stark subventioniert wird, solange haben wir diese Preiskluft. Das hier sind die ehrlichen Preise.

Fretzer: Wenn wir mit Menschen über Tierhaltung reden, dann möchte jeder irgendwie artgerechte Tierhaltung, geht aber dann in den Supermarkt und zahlt zum Beispiel 2,99€ für ein Kilo Schweinefleisch. Wenn wir dann fragen: warum kauft ihr nicht Bio? Dann ist oft der erste Schritt, dass man auf das europäische Bio-Label guckt, das ja sowieso nur wenig Fortschritte bringt für die Tiere. Haben Sie das Gefühl, dass Leute wirklich demeter als Marke kennen und auch das kennen, was hinter demeter an Richtlinie nund an Tierschutzbestimmungen steckt?

Meyer: Das glaube ich nicht. Ich merke, dass der Verbraucher nur ganz selten wirklich in die Tiefe geht. Ich denke, das demeter Label hat einen gewissen Widererkennungswert und es ist auch bekannt. Es steht für ein authentisches Bio-Produkt, aber dass der Verbraucher wirklich genau weiß, was dahinter steht, das bezweifle ich, denn das ist komplex. Man wechselt als Landwirt nicht zu demeter, wenn man nicht bereit ist, sich mit den Inhalten auseinander zu setzen und das sind auch ganz viele geistige Inhalte.

Fretzer: Also man muss sich identifizieren mit demeter?

Meyer: Ja, ich könnte mal ein Beispiel rausgreifen: der demeter Landwirt ist verpflichtet und das ist der große Unterschied, dass der die sogenannten Präparate einsetzt. Das steht für das Dynamische im Landbau. Diese ganze Idee des biologisch-dynamischen Landbaus geht ja auf Rudolf Steiner zurück und er hat diese Idee der Präparate entwickelt und hat gesagt, dass das notwendig ist. Und zwar gehen wir davon aus, dass wir einen gesunden Boden wollen. Wir müssen alles dafür tun, dass der Boden gesund ist. Nur gesunde Böden können gesunde Nahrungsmittel hervorbringen. Es gibt zum Beispiel ein Präparat, das nennt sich Hornmist. Das ist der Grund, warum demeter Landwirte ihre Kühe nicht enthornen dürfen, weil die Hörner noch gebraucht werden.

Fretzer: Die Hörner werden vergraben, oder?

Meyer: Ja, genau und weil der demeter Landwirt der Meinung ist, dass die Hörner zu der Kuh dazu gehören. Die Hörner haben eine Bedeutung und wenn die Kuh irgendwann mal geschlachtet wird, dann werden diese Hörner genommen und sie werden mit frischem Dung gefüllt und dann werden die Hörner vergraben. Nach einem bestimmten Zeitraum graben sie die Hörner wieder aus und dann nehmen sie, zum Beispiel den Inhalt von einem Kuhhorn und dann wird der Inhalt in ein großes Wasserfass gefüllt und dann wird gerührt und zwar auch nach einer bestimmten Methode. Und das geht dann über einen bestimmten Zeitraum und das was Sie dann da haben, das wird dann zum Beispiel in eine Rückenspritze gefüllt und das verteilen Sie dann auf dem Boden. Also man könnte vielleicht auch sagen, das ist eine Art homöopathisches Rezept, das da angewendet wird. Es gibt in der Schweiz einen Versuch, der nennt sich DOK-Versuch. Da wird seit 20 oder 25 Jahren mittlerweile die biologische-dynamische Methode, also die demeter Methode, der organisch-biologische Landbau, via Bioland und die konventionelle Methode miteinander verglichen. Da gibt es verschiedene Parameter, die herangezogen werden, um diese drei Anbaumethoden miteinander zu vergleichen. Die haben ein umfangreiches Datenmaterial und gerade zum Beispiel bei der Biomasse schneidet die biologisch-dynamische Methode am besten ab. Das untermauert natürlich die Ansicht, dass es um Bodengesundung geht.

Fretzer: Was ist mit dem Artenschutz? Wenn man die Berichte des Bundesamtes für Naturschutz liest (Anmerkung als Beispiel: „Die Lage der Natur in Deutschland“), dann ist eigentlich klar, dass die konventionelle Landwirtschaft massivst dem Artenschutz schadet. Das schreibt das BfN wörtlich da rein, aber trotzdem tut sich hier nichts. Wie sieht es mit dem Artenschutz aus, wenn man den demeter Anbau betrachtet? Gibt es hier auch Daten?

Meyer: Da gibt es mit Sicherheit Daten und ich würde Ihnen zum Beispiel die Uni Witzenhausen empfehlen. Es gibt hier auch bestimmte Indikatorarten, die untersucht werden.

Fretzer: Also ist Artenschutz und Artenvielfalt bei demeter gesichert?

Meyer: Ja, da könnte man aber auch sagen, dass man das nicht auf demeter beschränken muss, sondern wenn Sie organisch-biologischen Landbau oder biologisch-dynamischem Landbau betrachten, haben Sie ein höhere Artenzusammensetzung auf den entsprechenden Flächen. Wenn dann der Landwirt seinerseits auch noch bereit ist, zum Beispiel Blühstreifen oder Hecken zu pflanzen, um die Erosion zu bremsen, und Nistplätze bereit zu stellen, dann kann man nur sagen, dass ist ne völlig andere Nummer, als es der konventionelle Landbau macht. Jetzt muss ich aber noch eine Sache dazu sagen: auch die Bio-Bauern müssen Geld verdienen. Es gibt bestimmte Dinge und wenn die verändert werden sollten, dann müsste der Verbraucher das honorieren. Nehmen wir das Beispiel der Milcherzeugung. Es stößt vielen Leuten auf, dass die Kälber nach relativ kurzer Zeit von der Mutter getrennt werden. Das kann ich verstehen, aber man muss dann auch wiederum den Landwirt verstehen: wenn der Landwirt von der Milch leben muss, dann muss er so verfahren. Es gibt mittlerweile aber auch neue Untersuchungen und da untersucht man die muttergebundene Kälberaufzucht. Da untersucht man, wie das gehen kann, dass der Landwirt weiterhin Milch erzeugt, die er verkaufen kann und trotzdem das Kalb länger bei der Mutter bleiben darf, denn es ist ja klar, dass der Bauer weniger Milch zur Verfügung hat. Da kenne ich keine neueren Erkenntnisse.

Fretzer: Lässt der demeter Bauer das Kalb bei der Mutter?

Meyer: Nein, wenn er Milch produziert, ist es auch so, dass nach ungefähr zwei Wochen das Kalb von der Mutter getrennt wird. Die Milchdarf in der Zeit auch nicht in den Verkehr gelangen. Es ist eine dicke, gelbe Milch mit ganz, ganz viel wichtigen Inhaltsstoffen, die das Kalb unbedingt haben muss. Das ist die sogenannte Biestmilch. Damit ist das Kalb für die Anfangszeit und die nächsten Jahre gut aufgestellt und hat dann gesunden Immunschutz und alles. Diese Milch darf sowieso nicht in den Handel, sobald diese Biestmilchperiode vorbei ist, kann die Milch in den Tank gemolken werden. Es ist wie beim Menschen auch, natürlich hat die Kuh am Anfang die meiste Milch und das ist natürlich für den Bauern interessant.

Fretzer: Wie alt werden die Milchkühe bei demeter?

Meyer: Wir reden hier von der sogenannten Remontierungsrate, so heißt das offiziell, also wann Kühe den Betrieb verlassen und durch neue ersetzt werden. Diese Rate ist in den konventionellen Betrieben erschreckend gering. Ich habe mal gelernt, es sind vielleicht zwei Laktationen, d.h. zwei Kälber und das sind dann genau drei Jahre. Bei der ökologischen Rinderzucht sind die Kühe ganz eindeutig auf Lebensleistung ausgelegt, d.h. sie wollen die Kuh so lange wie möglich im Bestand halten und das gilt nicht nur für demeter, sondern auch die anderen Bio-Betriebe. Da kann ne Kuh durchaus 15 Jahre alt werden.

Fretzer: Ist das die Regel, dass eine dann Kuh 15 Jahre alt wird?

Meyer: Das ist sicherlich je nach demeter Betrieb oder anderen Betrieben unterschiedlich. Das hängt auch stark davon ab, in wie weit dort die Tiere betreut werden. Man kann das nicht über einen Kamm scheren. Ich habe verschiedene Betriebe gesehen und es hängt tatsächlich sehr vom Halter ab, also demjenigen, der den Blick auf die Tiere hat und wie die Futterzusammensetzung ist.

Fretzer: Wie sieht es bei demeter mit Antibiotika aus?

Meyer: Wenn zu viel Antibiotika eingesetzt wird, scheidet das Tier aus dem Betrieb aus. Ich weiß nicht genau, wie es aktuell ist, aber ich meine bei der dritten oder vierten Anwendung und ich weiß gerade nicht ob die Euterviertel getrennt betrachtet werden, muss das Tier den Betrieb verlassen.

Fretzer: Zu kranke Tiere dürfen praktisch nicht bei demeter verbleiben?

Meyer: Genau, deswegen wird da der Einsatz von Antibiotika schon eingedämmt. Der Einsatz wird schon gar nicht prophylaktisch gemacht. Das ist komplett verboten.

Fretzer: Was sehen Sie für einen Handlungsbedarf für die Politik? Was müsste passieren, dass es demeter Bauern und Bio-Bauern und auch dem Bio-Handel besser geht?

Meyer: Ich würde dass, was wir eingangs besprochen hatten, auf jeden Fall befürworten, dass das umgesetzt wird, dass die Folgeschäden, die verursacht werden auf die konventionellen Produkte umgelegt werden. Damit jeder sehen kann: das passiert also bei der herkömmlichen Bewirtschaftung.

Fretzer: Es wäre praktisch schon eine Hilfe, wenn die Leute sehen würden: Bio ist nicht wirklich teuer, sondern das andere ist zu billig und wir zahlen da eigentlich drauf?

Meyer: Das wäre meines Erachtens schon mal ein sehr großer Schritt und wie gesagt, ich glaube nicht, dass man Bauern verpflichten sollte, nach der demeter Methode zu wirtschaften, weil sie diese geistige Haltung mitbringen müssen und wenn sie die nicht mitbringen, dann können sie das auch nicht machen. Aber es reicht ja dann schon, wenn jemand sagt: mir reicht Bioland. Das ist vollkommen in Ordnung. Demeter ist tatsächlich ne innere Haltung und das bedeutet eben auch, dass man sich mit vielen anderen Dingen noch mal auseinandersetzt. Das macht aber auch jeder demeter Bauer anders und man muss auch da sagen, dass es da schon Unterschiede gibt.

Fretzer: Für Sie als Händler? Was müsste sich da verbessern, politisch gesehen? Was würde Ihnen das Leben leichter machen?

Meyer: Das ist schwer zu beantworten, denn natürlich bin ich dafür, dass der Ökolandbau ausgeweitet wird und ich kann fairer Weise nicht sagen, dass die Vermarktung doch bitte auf dem Fachhandel beschränkt bleiben möge. Wenn man eine große Anzahl von Leuten erreichen will und wenn ich auch davon ausgehen muss, dass der Großteil meiner Kunden Mischkäufer sind, dann ist es sinnvoll, wenn bestimmte Produkte auch bei konventionellen Ketten verfügbar sind.

Fretzer: Was sehen Sie hier als Vorteil, da Ihr Laden ja ein kleines Hoflädchen ist?

Meyer: Das kann ich ganz eindeutig beantworten, denn für mich war ja auch immer die Frage: bleibe ich hier oder gehe ich woanders hin? Was mich hier reizt, ist im Endeffekt mein eigener Hintergrund. Ich kann Kunden hier viel besser klar machen, um was es beispielsweise bei der Primärproduktion geht. Ich habe hier einen ganz anderen Zugang zu meinen Kunden, dadurch dass wir sehr persönlichen Kontakt pflegen, kann ich viel besser Dinge anbringen und Informationen rüberbringen und das ist mir wichtig. Wenn der Kontakt anonym wäre, hätte ich längst nicht die Möglichkeit bestimmte Informationen zu transportieren, glaube ich zumindest.

Fretzer: Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass wir bei den zwei Bioläden, die wir besuchen, die Leute persönlich kennen, was bei den Supermärkten, in denen ich einkaufe nicht der Fall ist. Warum ist vielen Leuten das nicht so wichtig?

Meyer: Ich habe damals geglaubt, es gibt ne Hemmschwelle, gerade hier, denn gerade der ländliche Bereich ist noch mal ne ganz andere Nummer als, wenn man in der Stadt kauft. Hier gibt es Vorbehalte. Das ist das Eine, das Andere ist tatsächlich, auch in meinem besonderen Fall, die Lage. Wenn man woanders ein Produkt kriegen kann, muss man nicht extra hierhin fahren.
Fretzer: Aber die Lage ist sehr idyllisch. Normalerweise verbinden wir den Einkauf mit einem Spaziergang, mit den Hunden zum Beispiel. Wir sehen es mehr als Ausflugsziel.

Meyer: Wenn man das so sehen kann und viele sehen es auch so und die verbinden das dann auch im Sommer, mit ner Tasse Kaffee und deswegen haben wir auch das kleine Café hier so eingerichtet oder man verbindet es mit nem Spaziergang, man ist ja schnell in den Wiesen oder im Teufelsmoor. Aber das muss man so sehen können und ich bin in meinem Leben eigentlich auch immer viel gefahren, mir hatte es aber nie was ausgemacht, weil es mir immer wichtig war. Das kann ich natürlich nicht bei allen meinen Kunden voraussetzen. Zumal eben auch das Angebot mittlerweile so gut ist, dass es nicht notwendig ist herzukommen. Ich habe ein paar Sondermerkmale, aber ansonsten unterscheidet sich mein Sortiment nicht großartig von anderen.

Fretzer: Machen Sie auch einen Online-Verkauf?

Meyer: Das überlege ich gerade, aber das ist natürlich eine teure Angelegenheit.

Fretzer: Gerade Bio-Fleisch wird ja mittlerweile gut online verkauft.

Meyer: Das wäre dann auch genau meine Zielrichtung, denn ich merke, dass ich hier einfach nicht genügend Leute erreiche mit meinem Angebot.

Fretzer: Also Sie schlachten ein Tier und verkaufen dann das Fleisch, bevor das nächste Tier geschlachtet wird. Wie viele Tiere sind das denn pro Jahr?

Meyer: Das sind nicht viele, vielleicht zwei oder drei Tiere pro Jahr. Mehr ist das nicht.

Fretzer: Wissen die Leute das zu schätzen, dass das Tier aus artgerechter Haltung kommt, dass es hier aus der Gegend kommt oder ist denen das egal?

Meyer: Das ist interessant. Die Kunden die Bio einkaufen haben sich über die vergangenen Jahre verändert. Anfang der 90er, als ich angefangen habe Bio einzukaufen, war das Bewusstsein anders. Die Leute waren auch politisch interessiert, da war ganz klar, dass die Leute die Bio einkaufen sehr breitgefächert interessiert sind. Da ging es natürlich auch darum zu sagen, wir kaufen da ein, weil wir den ökologischen Landbau stärken wollen und weil wir die Bedingungen, die dort herrschen gut finden und weil wir das unterstützen wollen. Heute ist es so, dass die meisten Bio einkaufen, weil sie an sich denken, an ihre Gesundheit, weil sie gehört haben, okay da ist weniger Zucker und weniger Begleitstoffe, weniger Inhaltsstoffe, aber da geht es weniger darum, dass den Leuten bewusst ist, was sie mit ihrem Kauf machen, für den Boden, für die Tiere.

Fretzer: Also der Hintergrund ist für den Kunden nicht mehr interessant, sondern vor allem die eigene Gesundheit?

Meyer: Genau, um jetzt wieder zu dem Fleisch zu kommen: die Qualität, wenn die Leute das Fleisch dann mal gegessen haben, dann sind sie begeistert. Aber der Rest spielt jetzt keine so große Rolle.

Fretzer: Sie hatten am Anfang gesagt, es könnte Unruhe geben, wenn Leute kein billiges Fleisch mehr bekommen. Aber glauben Sie, dass man solche Leute mit Qualität überzeugen kann?

Meyer: Jetzt sind wir wieder bei der Masse und die Masse hat, ohne das zu bewerten und das wird es in jeder Gesellschaft immer geben, einen geringen finanziellen Spielraum. Der finanzielle Spielraum, der da ist, wird nicht für Lebensmittel genutzt, weil auf der anderen Seite eben wieder das Bewusstsein fehlt und weil die Informationen fehlen und weil vielleicht auch , ohne das bewerten zu wollen, die Fähigkeit fehlt, sich darüber Gedanken zu machen: was macht das mit mir, wenn ich das und jenes esse? Was bedeutet das eigentlich konkret? Das heißt, darauf basiert dann die Handlung und wenn ich nichts weiß und mir keine Gedanken mache und keine Rückschlüsse ziehen kann, dann kaufe ich auch entsprechend ein. Ich glaube, dass dies eine große Hürde ist. Diese Masse werden Sie nicht erreichen, für die brauche ich keine politischen Veränderungen herbeizuführen. Ich glaube, wenn Sie hier falsch agieren, dann kann da Unruhe entstehen und wir haben diesen Slogan „Brot und Spiele“, der ist immer noch aktuell, so traurig wie das ist.

Fretzer: Ja, man hat das bei den Grünen mit dem Veggie-Day gesehen. Ein Tag in der Woche kein Fleisch und alle sind ausgeflippt. Was wäre denn Ihr letzter Wunsch an die Politik?

Meyer: Ehrlich sein, in jeder Hinsicht. Mir fällt kaum ein Politiker ein, der für mich irgendwie integer ist. Nehmen wir nur mal die Lobbyisten und die konventionelle Landwirtschaft, die hat unglaublich starke Lobbyisten, da hängt so viel Geld drin und ich bezweifle, dass es irgendjemanden geben wird, der diese Macht brechen kann. Die Frage bleibt auch immer: ist es gewollt? Ist es politisch gewollt, diese Macht zu brechen? Das einzige was man tun kann und das ist auch, was ich hier jeden Tag versuche: meine Kunden zu sensibilisieren und ihnen quasi zusätzlich zu ihrem Kauf ein gutes Gefühl mitzugeben. Natürlich kann ich nicht immer jeden zutexten und das will auch keiner, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, versuche ich eben daraufhin zu wirken, den Kunden klarzumachen, was sie mit dem Kauf hier tun. Wenn ich ganz ehrlich bin, kann das natürlich auch woanders sein, das muss nicht bei mir sein, aber hier kriegen sie noch mal mein persönliches Interesse mit. Für mich gibt es keine Alternative, es gibt nur den ökologischen Landbau langfristig.

Fretzer: Ich denke auch, dass das die Zeit mit sich bringen wird, denn wenn die Böden kaputt sind, die Artenvielfalt verschwunden ist, dann muss sich irgendwann was ändern. Die Frage ist halt, in welchem Zeitraum? Welche Generation wir es erwischen, bevor hier was passiert?

Meyer: So ist es.

Fretzer: Vielen Dank für das Gespräch!

Und für alle interessierten Leser, hier gibt es noch mehr Informationen zum Hofladen Lütjen.