Gesundheitsministerium gibt sich unwissend

Pressemitteilung / 23.05.2019

Bereits seit Jahren versuchen an ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) Erkrankte und ihre Angehörigen, zuständige Ministerien und Politiker auf ihre medizinische und soziale Notlage aufmerksam zu machen.

Doch trotz hunderter Schreiben und einiger persönlicher Gespräche hat sich bis heute nichts getan. Auch aus dem Bundesministerium für Gesundheit war bislang weder eine Stellungnahme noch ein Hilfs- oder Unterstützungsangebot zu erhalten.

Dafür allerdings vor wenigen Tagen ein Kommentar via sozialer Medien, der sehr stutzen ließ.

So war auf Facebook unter einem Posting der Kommentar eines Betroffenen, „warum die Erkrankung und die von ihr Betroffenen so konsequent ignoriert würden“, von einem Mitarbeiter des Ministeriums mit der Gegenfrage, „was man denn bei diesem Thema ignorieren würde“, beantwortet worden.

„Durch diese Frage des Mitarbeiters müssen wir davon ausgehen, dass alle Versuche der Betroffenen und ihrer Angehörigen bislang wohl im Ministerium für Gesundheit überhaupt noch nicht wahrgenommen wurden“, so Sandra Scherzer aus dem Bundesarbeitskreis Gesundheit und Soziales der Partei Mensch Umwelt Tierschutz, kurz Tierschutzpartei.

Als Partei, die sich auch für Menschen in Notlagen einsetzt und der das Thema ME/CFS wegen seiner Dringlichkeit sehr wichtig ist, sahen wir uns nun dazu genötigt, Herrn Minister Spahn einen offenen Brief zukommen zu lassen.

Wir unterstützen hier um den notleidenden Menschen eine dringend notwendige weitere Stimme zu geben, Herrn Spahn über die Erkrankung und ihre Auswirkungen zu informieren sowie ihn eindringlich auf seinen Aufgabenbereich hinzuweisen – ist er als Minister für Gesundheit doch dafür zuständig, die Interessen aller Patienten in Deutschland zu vertreten und diese zu stärken; dazu zählen selbstverständlich auch die Interessen von ME/CFS Betroffenen.

Im Auftrag des Bundesarbeitskreis „Gesundheit und Soziales“

Patricia Kopietz, Bundespressesprecherin

Bundesministerium für Gesundheit
Herrn Minister Spahn
Friedrichstraße 108
10117 Berlin

22.05.2019

Sehr geehrter Herr Minister Spahn,

offensichtlich gibt es in Ihrem Ministerium aktuell einige Wissenslücken. Denn anders lässt sich eine Frage Ihres Mitarbeiters auf Facebook, vom 15. Mai diesen Jahres, nicht erklären. Unter dem Post zur Hebammenausbildung wies ein Nutzer darauf hin, dass die Notlage der von ME/CFS Betroffenen in Deutschland konsequent von Ihnen und Ihrem Ministerium ignoriert wird. Ihr Mitarbeiter kommentierte dies mit der Frage: „Was ignorieren wir denn bei dem Thema?“

Angesichts der zahllosen Versuche von ME/CFS Betroffenen und deren Angehörigen in den letzten Jahren, Ihre Aufmerksamkeit auf deren gesundheitliche, soziale und menschliche Notlage zu richten, die allesamt bislang ohne Gehör geblieben sind, gehen wir davon aus, dass Ihnen und Ihrem Mitarbeiter die frappierende Notlage der Betroffenen gar nicht bekannt ist. Dem möchten wir hiermit Abhilfe schaffen.

Obwohl ME/CFS von der WHO zwar bereits seit 1969 unter dem Namen Myalgische Enzephalomyelitis als organisch-neurologische Erkrankung geführt wird und im derzeit gültigen ICD-10 Schlüssel unter G93.3 klassifiziert ist, wird sie im Medizinstudium weder erwähnt, noch wird ihre Klassifizierung hierzulande bislang korrekt angewandt. Betroffene werden, da die meisten Ärzte nicht über die notwendigen Hintergrundinformationen zu dieser Erkrankung verfügen, nur in den seltensten Fällen korrekt diagnostiziert, sondern in den meisten Fällen, nach jahrelangen Arztodysseen, als „eingebildet“ und damit psychisch erkrankt, abgestempelt. Ein Verfahren, das in einer Vielzahl der Fälle durch Fehlbehandlungen zu Verschlechterungen, bis hin zu nicht reversiblen Schäden führt.

Grundlage der Nichterwähnung der Erkrankung im Medizinstudium sowie der fehlenden Hintergrundinformationen bei Ärzten dürfte u.a. die bislang nicht stattfindende Forschung auf diesem Gebiet sein. Fehlende Forschung, die für Betroffene auch fehlende Behandlungsmöglichkeiten bedeutet. Und als wären diese Tatsachen nicht schon belastend genug für Betroffene und ihre Angehörigen, sehen sie sich auch auf menschlicher Ebene, mit ihren Nöten, auf sich alleine gestellt. Denn durch die inkorrekte Diagnostik ergeben sich meist weitreichende negative Auswirkungen auf die soziale Lage der Betroffenen und ihre Familien.

Da es Ihre Aufgabe als Minister für Gesundheit in Deutschland ist, das Interesse aller Patienten zu vertreten und zu stärken, fordern wir Sie hiermit auf, sich unverzüglich auch den ca. 240.000 von ME/CFS Betroffenen in Deutschland zuzuwenden, ihnen Gehör und Unterstützung, auf medizinischer, sozialer und menschlicher Ebene zu verschaffen. Darüber hinaus weisen wir Sie darauf hin, dass Sie, als Minister für Gesundheit, auf Grundlage des Ihnen eigens zugeteilten Aufgabenbereiches u.a. auch für die Sicherung der Qualität des Gesundheitssystems und seiner Weiterentwicklung zuständig sind. Aktuell sind ca. 240.000 Menschen in Deutschland, die von der Krankheit ME/CFS betroffen sind, dringendst auf Ihre Hilfe und Unterstützung angewiesen.

Konkret fordern wir im Namen der von ME/CFS Betroffenen in Deutschland folgende Punkte unverzüglich umzusetzen:

  • die Diagnose G93.3, wie von der WHO angegeben, als neuroimmunologische / organische Erkrankung anzuerkennen und Betroffene respektvoll zu behandeln und ihnen jede mögliche Unterstützung zukommen zu lassen
  • eine adäquate medizinische und soziale Versorgung aller Betroffenen
  • ausreichend finanzielle Mittel, um – tierversuchsfrei – forschen und den Betroffenen in absehbarer Zeit helfen zu können
  • die Aufnahme der Erkrankung ins Medizinstudium
  • eine Beschleunigung der Rentenverfahren
  • Übernahme der durch die Krankheit entstehenden Kosten auch durch gesetzliche Krankenkassen
  • sowie den Ausbau von kompetenten Anlaufstellen im ganzen Land.

Sollten Ihnen die in diesem Schreiben aufgeführten Informationen noch nicht ausreichen, um sich ein Bild der katastrophalen Lage der Betroffenen bilden zu können, so können Sie sich sehr gerne weiterführende Informationen durch folgende Anlaufstellen zukommen lassen:

Charité – Universitätsmedizin Berlin Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen Leiterin Immundefekt-Ambulanz | FÄ für Hämatologie, Onkologie und Fachimmunologin Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1
(Geländeadresse: Südstraße 2)
13353 Berlin
https://immunologie.charite.de/metas/person/person/address_detail/scheibenbogen-3/

Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V.
Kleiner Kielort 7A, 20144 Hamburg
info@dg.mecfs.de www.mecfs.de

Mit freundlichen Grüßen

Bundesarbeitskreis Gesundheit und Soziales

Andrea Dörner
Partei Mensch Umwelt Tierschutz
T I E R S C H U T Z P A R T E I

Patricia Kopietz

Bundesgeschäftsführerin/Bundespressesprecherin
Landesgeneralsekretärin BW
Parteibeauftragte gegen Jagd

Petition

Wir unterstützen diese Petition und bitten Sie ebenfalls zu zeichnen und sie weiterzureichen. Danke.
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_04/_26/Petition_94165.danke..a.u.page.3.html