Hambacher Forst: Bittbrief an Bundeskanzlerin u. Bundesregierung

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Bundesregierung!

Seit Wochen erhitzt der Kampf um den Hambacher Forst die Gemüter. RWE und das Land NRW haben mit der Räumung ein Zeichen gegen die Kohlekommission gesetzt.

Der größte Polizeieinsatz im Land NRW zur Durchsetzung von Konzerninteressen hat ein Symbol der Industriemacht geschaffen, dem sich der Bürger entgegen des Wählerwillens beugen soll. Die geplante Rodung eines uralten Restwaldes zur Profitmaximierung ohne Notwendigkeit sorgt nicht nur für Missmut bei den Kohlekraftgegnern und Umweltschützern.

RWE, Polizei und teils auch die Medien versuchen, die Protestler durch eine tendenziöse Berichterstattung zu kriminalisieren, ungeachtet der Tatsache, dass der Großteil der Menschen, die für den Erhalt des Hambacher Waldes aufstehen und sich solidarisiert haben, der bürgerlichen Mitte entspringen.

Auch Sie haben sicherlich wahrgenommen, dass Menschen von jung bis alt, aus allen Teilen Europas und sogar Vertreter der Kirche sich an friedlichen Protesten und Sitzblockaden beteiligt haben.

Mit Abschluss der Räumungsarbeit Anfang dieser Woche wurde der Hambacher Forst von RWE zum Betriebsgelände erklärt, um den freien Zugang für Bürger zu beschränken. Es werden Gräben ausgehoben und Zäune sollen um den Wald gezogen werden, um den Zutritt zu einem Stück Natur, das uns allen gehört und die Zukunft unserer Kinder sichert, zu verhindern und unter Strafe zu stellen.

Das Handeln von RWE wird in jeder Phase durch die Regierung des Landes NRW gestützt. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der Wähler nicht nur den Energiekonzern durch einen Wechsel zu einem Ökostromanbieter abstraft, auch die Umfragewerte der verantwortlichen Parteien sinken. Zu Recht!

Für kommenden Samstag nun ist eine Großdemonstration gegen den Kohleabbau angekündigt. Mindestens 20.000 Menschen werden erwartet, in den sozialen Netzwerken sind sogar fast 50.000 Menschen an der Veranstaltung interessiert, so dass die Teilnehmerzahl auch deutlich höher ausfallen könnte.

Bereits im Vorfeld kam es bei den wöchentlichen Waldspaziergängen immer wieder zu unerklärlichen Ausfällen der Deutschen Bahn, sodass Teilnehmer den Bahnhof Kerpen-Buir nicht pünktlich zu den Veranstaltungen erreichen konnten. Trotz des erhöhten Aufkommens kündigt die Bahn an, erst ab dem 07.10.2018, also einen Tag NACH der Großdemo, Sonderzüge einzusetzen. Kurzfristig storniert das Unternehmen FlixBus Fahrten zum Hambacher Forst, da der gesamte Bereich als Gefahrenzone ausgeschrieben wird.

Und schlussendlich teilt die Polizei Aachen am späten Donnerstag mit, dass die Demonstration „Wald retten – Kohle stoppen!“ verboten würde, weil die Sicherheit nicht gewährleistet werden könne.

Als Partei für Tierschutz, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit sind wir entsetzt, wie unsere Landesregierung zu Gunsten RWE unsere Demokratie untergräbt. Der Bürgerwille scheint obsolet, der Kampf um den Braunkohleabbau erreicht einen Höhepunkt in der Beugung des Rechtsstaates und beschwört anarchistische Strukturen und Aufstände geradezu heraus. Wir befinden uns weder im Bürgerkrieg, sodass man ein ganzes Gebiet zur Gefahrenzone erklären muss, noch befinden wir uns in einer Diktatur, in der man verfassungsrechtlich geschützte Versammlungen unter freiem Himmel mit willkürlichen Argumenten zerschlägt.

Die Landesregierung NRW ist aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeiten scheinbar nicht in der Lage, das Wohl der Bürger über die eigenen finanziellen Interessen zu stellen und gefährdet durch ihr Handeln derzeit massiv die innere Sicherheit und den inneren Frieden, indem sie sich durch ihre Klientelpolitik und ihr radikales Vorgehen zum Feindbild generiert.

Wir appellieren an die Bundesregierung, nun einzugreifen und weitere Eskalationen zu verhindern! BITTE stoppen Sie diesen Irrsinn! Sorgen Sie dafür, dass der Hambacher Forst erhalten und frei zugänglich bleibt! Rufen Sie die Landesregierung zur Vernunft und treten Sie umgehend mit dem Konzern in den Dialog. Stoppen Sie die Rodung, Razzien und Räumungen, Enteignungsverfahren. Keine Kohle dieser Welt ist es wert, ein ganzes Bundesland in Chaos zu stürzen. Der Widerstand wird sich nicht aufhalten lassen, die Menschen werden sich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nicht nehmen und nicht einschränken lassen, auch am kommenden Samstag nicht. Helfen Sie den Menschen in NRW, ihre Grundrechte wahrzunehmen, statt eingeschränkt zu werden.

Bitte handeln Sie jetzt und beenden Sie die unsäglichen Provokationen von NRW und RWE!

Für den Erhalt unserer Demokratie und für die Zukunft unserer Kinder!

Mit freundlichen Grüßen,

Tierschutzpartei
Landesverband NRW

Bittbrief