Hat Julia Klöckner wirklich das Küken-Schreddern und Küken-Vergasen verboten?

Noch vor wenigen Jahren wusste kaum jemand, dass es gängige Praxis ist, die männlichen Küken kurz nach ihrem Schlüpfen industriell mittels Schreddern oder Vergasen zu vernichten. Sie waren nämlich so gut wie wertlos in der auf wenige Cents Gewinn hin ausgelegten Wertschöpfungskette zulasten von Tieren und Umwelt. Die Masse ergab dann die Millionenrenditen. Obendrein dann nochmals bezuschusst durch weitere Millionen an Agrarsubventionen.

Letztes Jahr gab Julia Klöckner auf einer Pressekonferenz bekannt, dass sie weltweite Vorreiterin sei, denn das Kükentöten wird in Deutschland verboten. Im Kern ging es aber nur darum, *wie* die Maschinerie der industriellen Tierqual, Tierausbeutung und Umweltzerstörung mit anderen Mitteln fortgesetzt wird und sie sich zugleich als Tierschützerin präsentieren kann.

Nun liegt der genaue Gesetzesentwurf vor. Und er ist in einem wesentlichen Punkt noch schlimmer als befürchtet. Denn ausdrücklich sind sogenannte „Stubenküken“ von der Regelung komplett ausgenommen! Was niedlich klingt, ist jedoch nichts weiter als eine Definition nach EU-Verordnung für Küken, die nicht mehr als ein dreiviertel Kilogramm Schlachtgewicht haben sollen. Eine simple Deklarierung als „Stubenküken“ genügt den Agrarbetrieben also womöglich, um weiterhin weniger rentable männliche Küken zu schreddern oder zu vergasen. Die Gefahr besteht, dass hier bewusst eine Gesetzeslücke ausgenutzt werden kann. Weitere Ausnahmen soll es geben, wenn beispielsweise die Küken für Tierversuche vorgesehen sind.

Robert Gabel dazu: „Ich erinnere mich daran, dass wir 2016 einen Wahlkampf gegen das Kükenschreddern organisierten. Eine Zeitung schrieb tatsächlich darüber, aber lediglich, um unsere Plakate zu kritisieren. Denn niemand wüsste, was Kükenschreddern sein solle, schrieb der Redakteur damals und unternahm nicht einmal den Versuch, zu recherchieren oder gar aufzuklären. Wir waren entsetzt, wie man nicht wissen könne, wie die Tierausbeutungsindustrie funktioniert! Wir plakatierten umso stärker. Viereinhalb Jahre später ist das Kükentöten ein breites mediales Thema. Dank unzähliger Tierschützer, Tierrechtler, Tierschutzpolitiker und Veganaktivisten, die sich Tag für Tag dafür einsetzen, dass das Leiden der Tiere bekannter wird.“

Es braucht auch weiterhin den öffentlichen Druck. Der Erfolg, dass sich Julia Klöckner überhaupt darum bemüht, sich dieser Themen anzunehmen, ist nur darauf zurückzuführen, dass es mittlerweile als höchst unmoralisch gilt, wenn man die Hebel der Macht in der Hand hält, sie aber nicht dazu verwendet, die Situation von Tieren und Natur verbessern zu wollen. Die Gefahr besteht, dass hier eine offenbar bewusst gelassene Gesetzeslücke ausgenutzt wird.

Dass ihre Gesetze immer nur halbherzig sind, fällt leider nur wenigen auf.

– Wildtierzirkusverbot: Er gilt nicht für Raubkatzen.

– Ferkelkastration: Risikoreiche chirurgische Eingriffe durch Landwirte bleiben immer noch erlaubt.

– Tierversuchsfreie Forschung: Lediglich ein Bruchteil der Förderung für Tierversuchsforschung wird dafür verwendet.

Die komplette Liste der Maßnahmen aus dem Hause Klöckner, die letztlich nichts sind als Augenwischerei, ist um etliche Beispiele länger…

Die Zustände in der Mast und in den Schlachtbetrieben sind bei alledem noch nicht einmal berührt – die bleiben weiterhin grausam. Tierwohl-Label und ein paar Zentimeter mehr Platz pro Tier haben rein gar nichts verbessern können. Es wird eine grundsätzliche Kehrtwende in der Agrarpolitik benötigt! Solange die nicht mal im Ansatz begonnen wird, sondern immer nur auf die emotionalsten Debatten oberflächlich reagiert wird, ist politischer und aktivistischer Tierschutz dringend nötiger denn je! Denn die Zustände in der industriellen Tierhaltung werden leider unterm Strich de facto jedes Jahr monströser und nicht besser!

Eine weitere Regelung ist im Gesetzentwurf enthalten: Ab dem 6. Bruttag empfinden Küken im Ei bereits Schmerzen. Der neue Gesetzentwurf verbietet das Töten ab dem 7. Bruttag. Jedoch erst ab 2024! Und auch das Töten bereits geschlüpfter Küken ist erst ab 2022 verboten. Noch ein Jahr lang ist es also erlaubt, lebend geschlüpfte Küken zu vergasen oder zu schreddern! Teilweise werden sie einfach als Müll vernichtet, teilweise werden die getöteten Küken weiterverarbeitet.

Die beschriebene Regelungslücke für „Stubenküken“ kann auf Jahre hinweg das Kükentöten quasi legalisieren. Eine Überprüfung, ob es wirklich „Stubenküken“ sind und aus welchen Absichten heraus sie getötet wurden, kann in der Praxis ja nicht erfolgen.

Nun gilt es, diese Hintertür im Gesetzesentwurf aus dem Hause Klöckner offen anzuprangern und bis zur Verabschiedung im Parlament die Ausnahmen entfernen zu lassen.

Wir bleiben dran!