Ist das unser Bundespräsident oder „der böse Wulff“?

Oder soll man fragen: War das jemals unser Bundespräsident? Horst Köhler war den meisten Deutschen in seiner Anfangszeit als Bundespräsident sicherlich auch eher suspekt. Als ehemaliger Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF) mehr dem Kapital, als dem Volk zugetan, erwarb er sich während seiner Amtszeit Respekt. Er wollte nicht als “erster Gruß-August der Nation” gelten, behielt seine Meinung und setzte die eingeschränkte, faktische Macht seines Amtes ein, wenn er es für nötig hielt. Sicherlich nichts Revolutionäres, aber welch ein Gegensatz zu Christian Wulff, dem aktuellen Amtsinhaber…

Als ehemaliger Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachsen bestens mit der Lobby der Massentierhalter verbandelt und eher vom Typus “aalglatt und blass”, hat sicher kaum jemand dieser aus dem Hut gezauberten „menschlichen Notlösung“ etwas zugetraut. Man kann sich natürlich auch täuschen – aber Christian Wulff blieb sich treu. In seiner Amtszeit seit Juni 2010 fiel er – außer mit diffusen Ansprachen zur Integration – mit keiner brisanten politischen Aussage auf. Das macht ihn natürlich ungleich bequemer als seinen Vorgänger, weshalb die Kritik aus dem politischen Raum in der aktuellen Affäre wohl auch relativ milde ausfällt.

Was war geschehen? Er hat sich Geld – eine halbe Million Euro – von einer Bekannten, der Ehefrau des Unternehmers Egon Geerkens geliehen. Diese Version stammt von ihm selbst; ob Ehemann Geerkens auch eine Rolle dabei spielt – niemand weiß es. Das Ganze hat während Wulffs Amtszeit als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen stattgefunden. Eine parlamentarische Anfrage zum Thema im niedersächsischen Landtag wurde von ihm korrekt beantwortet, allerdings kreidet man ihm an, dass er dabei wesentliche Fakten außen vor gelassen hat – die sich möglicherweise auch auf den Geldtransfer beziehen. Von einem Ministerpräsidenten muss verlangt werden, dass er nicht taktiert, sondern die Tatsachen ohne Abstriche auf den Tisch legt. Dies geschah nicht, und daher gibt Christian Wulff nun noch im Nachhinein Anlass zu Spekulationen, was ihm in seinem jetzigen Amt als Bundespräsident schadet.

Nach all den Affären, mit denen uns gerade auch Spitzenpolitiker konfrontiert haben, erhebt sich die Frage: Ist das parteipolitische System in Deutschland insgesamt noch glaubwürdig? Immer geht es um Geld und Vorteilsnahme, was dem Ruf besonders abträglich ist. Offensichtlich stinkt dieses parteipolitische System vom Kopf her, und zwar in erheblichem Maße. Ein Christian Wulff ist hier nur ein weiterer Mosaikstein im allgemeinen Bild der Selbstbereicherung, der Korruption und des Lobbyismus. Die Vertreter der Konzerne sitzen inzwischen völlig offen mit im Reichstag und beeinflussen unsere “Volksvertreter”. Die Wege zur Korruption werden offensichtlich immer kürzer.

Wir brauchen keinen neuen Bundespräsidenten, sondern ein transparentes politisches System, das den Namen “Demokratie” tatsächlich verdient. Wenn eine Frau Merkel und ein Herr Sarkozy in einem Vier-Augen-Gespräch über Schicksale ganzer Völker und Volkswirtschaften entscheiden können, dann wird es Zeit, etwas zu ändern!