Faltblatt Wolf als PDF
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Leserbrief: Wie viele Wölfe erlaubt das Land?

Leserbrief zum Artikel der HAZ „CDU fordert Obergrenze für Wölfe“, erschienen 01.03.2017

Von Dr. Sarah Fretzer – Beisitzerin im LV Niedersachsen

Die CDU macht sich Sorgen um die Weidetiere in Niedersachsen. Aber was passiert mit den Weidetieren in Deutschland normalerweise?

Nun sie stehen eine Zeit lang auf der Weide und dann enden alle im Schlachthof. Wie wir wissen herrschen in vielen Schlachthöfen unerträgliche Bedingungen für die Tiere [1], von daher ist unsere Tötung für die Weidetiere nicht besser, als auf natürliche Weise von einem Wolf auf der Weide angegriffen zu werden. Also sind wir, bzw. die CDU, doch nicht wirklich um das Wohl der Tiere besorgt, sondern vielmehr darum, dass der Wolf die Tiere vor uns tötet. Dies kann man durch Schutzmaßnahmen verhindern, wie Schutzhunde, Elektrozäune oder den Wechsel zum Gemüseanbau, der klimafreundlicher und für Wölfe als Beute gänzlich uninteressant ist.

Warum kommt von den christlichen Parteien dauernd der Ruf nach einer Obergrenze? Erst eine Obergrenze für Flüchtlinge und nun eine Obergrenze für Wölfe? Was soll eine Obergrenze denn bewirken? Will man so ein Problem möglichst klein halten? Aber auch ein kleines Problem will gelöst werden und wäre es nicht sinnvoller sich auf eine Lösung zu konzentrieren, statt so viel Theater um eine Obergrenze zu machen? Sehen wir uns doch mal die Zahlen an: Niedersachsen hat eine Fläche von 47614 km², d.h. wir haben bei ca. 80 Wölfen eine Wolfsdichte von 0,0016 Wölfen pro km², zum Vergleich: es leben 166 Menschen pro km² in Niedersachsen. Welche Population muss hier zum Wohl der Weidetiere dringend reguliert werden? 80 Wölfe sind keine große Population für Niedersachsen. Kann ich diese Aussage sachlich erklären? Ja! Als Beispiel nehmen wir das Rehwild, durchaus eine beliebte Beute des Wolfs [4] und ein Tier wiegt im Durchschnitt ca. 25 Kilogramm. Nehmen wir an, ein Wolf verspeist pro Tag ca. 4 kg Nahrung, so ergibt sich ein Jahresbedarf von 1460 kg Nahrung, was einer Anzahl von 58 Rehe pro Wolf und 4640 Rehe für alle 80 Wölfe in Niedersachsen entsprechen würde. Ganz schön viele Rehe, die sterben müssen?! Nicht wirklich, denn Jäger erschossen 2014/15 laut Jagdstrecke 122111 Rehe in Niedersachsen und 24000 Rehe wurden in dem Bundesland von Autos totgefahren [5]. Es sind also eigentlich genug Rehe für alle da und es gibt auch noch viele andere begehrte Beutetiere wie z.B. Wildscheine, d.h. 80 Wölfe haben genug Nahrung und für die Wolfspopulation ist sogar noch Luft nach oben. Also was rechtfertigt hier eine Obergrenze?

Außerdem besteht laut CDU die Sorge, dass sich die Wölfe Siedlungen nähern. Nun es gibt laut Wikipedia 944 selbstständige Städte und Gemeinden in Niedersachsen [2], davon 159 Städte, d.h. wir haben 0,019 Städte oder Gemeinden pro km² und zusätzlich sind 5% der Fläche Niedersachsens Verkehrsfläche [3]. Was heißt das? Natürlich wird ein Wolf, der jeden Tag kilometerweit durch die Gegend streift, früher oder später auf eine Siedlung treffen, denn wir Menschen wohnen einfach überall! Es gibt keine Gegenden, wo ein Wolf dem Menschen aus dem Weg gehen kann, denn unser Land ist vollgestopft mit Straßen, Dörfern, Siedlungen und Städten und wir bauen immer weiter und nehmen der Natur immer mehr Platz weg. Wenn wir der Forderung der CDU folgen, kann jeder Wolf früher oder später abgeschossen werden, weil er gar nicht den Platz hat, um uns aus dem Weg zu gehen. Nennen wir das Artenschutz?

Warum dieses Geschrei der CDU? Was ist denn bisher passiert? Bauern haben Tiere durch Wölfe verloren und sind dafür finanziell entschädigt worden. Dem Menschen ist bisher nichts passiert, aber Wolf Kurti wurde erschossen und der nächste Wolf steht schon auf der Abschussliste. Der Wolf ist eine streng geschützte Art und dennoch wird er von Behörden zum Abschuss freigegeben. Wie kann das sein?
Meine Aufforderung an die CDU: bitte liefern Sie den wissenschaftlichen Nachweis für Ihre These, dass die Tötung eines Jungtieres ein Wolfsrudel verjagt (und bitte erläutern Sie: wohin sollen die Wölfe denn verjagt werden? Zum Nachbardorf?). Bitte legen Sie wissenschaftlich fundiert dar, wie der funktionierende Artenschutz der CDU aussieht, denn der Wolf ist nach der FFH-Richtlinie streng geschützt und tragen Sie endlich zu einer sachlichen Lösung bei!

Kann es sein, dass Leute sich lieber das Geld für Schutzmaßnahmen sparen wollen, lieber viel Geschrei machen, um dann erfreut auf Wolfsjagd gehen zu können? Wie ist dieses Verhalten sonst zu verstehen? In den Medien wird behauptet, dass der Wolf eines Tages Menschen anfallen wird [6]. Nun eines Tages wird die Sonne aufhören zu strahlen und vielleicht wird ein kleiner Roboter die Erde aufräumen, aber wollen wir allen Ernstes weiter im Märchenbuch lesen, statt uns mit wissenschaftlichen Fakten zu beschäftigen? Panikmache hilft niemandem! Wir brauchen eine sachliche Diskussion und eine Lösung, die ein friedliches Miteinander mit der Natur ermöglicht. Wie wäre ein Wolfsgebiet, in das verhaltensauffällige Tiere gebracht werden und wo der Mensch keinen Zutritt hat (wie sog. No-Go-Areas in den USA)? Ein toter Wolf ist auf jeden Fall keine Lösung.

Die Biosphäre unseres Planeten steht kurz vor dem Kollaps und wir brauchen die Natur und die Ökosysteme unseres Zeitalters mehr, als die Natur uns braucht. Die riesigen, starken Dinosaurier sind verschwunden und wenn wir so weitermachen, werden wir auch bald verschwinden. Was wollen wir den nächsten Generationen hinterlassen? Die Sintflut oder vielleicht einen Funken Hoffnung? Es ist Zeit zu handeln! Es ist Zeit, die Augen aufzumachen, zuzuhören und seinen Verstand zu benutzen! Viele sind zu stur, zu bequem oder zu gierig, um diesen Weg zu gehen. Wie wollen wir, wie will die CDU, in die Geschichte der Menschheit eingehen? Wenn uns das Schicksal unserer Kinder irgendetwas bedeutet, dann ist jetzt die Zeit für aktiven Arten- und Umweltschutz gekommen! Wenn wir unseren Kindern und Nachkommen eine Zukunft geben wollen, dann ist die Rettung dieser Erde und ihrer Artenvielfalt, um es mit den Worten der CDU auszudrücken: alternativlos.

Dr. Sarah Fretzer
-Beisitzerin-
LV Niedersachsen
sarah-fretzer@tierschutzpartei.de
www.tierschutzpartei.de

Quellen:
1 https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/studie-bayrische-schlachthoefe#utm_source=nl17-10&utm_medium=email&utm_campaign=w-nl
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_St%C3%A4dte_und_Gemeinden_in_Niedersachsen
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Niedersachsen#Gro.C3.9Fbereiche
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf#Ern.C3.A4hrung_und_Jagdweise
5 http://www.ml.niedersachsen.de/service/publikationen_downloads/landesjagdbericht-5156.html
6 https://www.welt.de/politik/deutschland/article137938081/Jaeger-erwarten-Wolfsangriffe-gegen-Menschen.html