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Lieferkettengesetz als Ansatzpunkt

Wie die Globalisierung den wahren Preis unserer Kleidung verschleiert

Schöne bunte Schnäppchenwelt – Das T-Shirt für einen Euro, die Hose für nur etwas mehr und wenn die Farbe oder die Form nicht passt, dann wandert es schnell in die heimische Tonne oder wird laut aktueller Studien in bis zu 60% der Fälle überhaupt gar nicht erst getragen.

Gerade die Textilindustrie steht häufig im internationalen Fokus und sieht sich mit dem Vorwurf ausbeuterischer Arbeitsbedingungen konfrontiert. Die produzierenden Fabriken befinden sich dabei mehrheitlich in Asien und beschäftigen überwiegend Frauen, die dort für wenig Geld arbeiten müssen. So können Bekleidungshersteller in Europa und den USA ihre Kosten niedrig halten und diese niedrigen Kosten an Modekonzerne und Händler weitergeben. Wir erinnern uns hierbei noch mit Schrecken an den Brand in der Textilfabrik im pakistanischen Karachi, bei dem vor etwas mehr als acht Jahren 258 Menschen den Tod fanden.

Besonders dramatisch sind dabei die Zustände jedoch in Indien und in Bangladesch. Obwohl der Mindestlohn in Bangladesch im Dezember von etwa 60 Euro auf 85 Euro (im Monat) gestiegen ist, reicht das nicht für den normalen Lebensunterhalt. Deswegen müssen Frauen oft Überstunden machen, um überhaupt überleben zu können. Arbeitsschutz oder gar eine Berufsgenossenschaft sucht man dort vergeblich und Arbeitnehmer*innen, die auf Missstände aufmerksam machen, werden oftmals von der Geschäftsführung bedroht und schnell durch andere Mitarbeitende ausgetauscht. Die Fabriken vor Ort arbeiten in der Regel mit einem Frauenanteil von 80%, dies hat den Hintergrund, dass sie in den sehr patriarchalischen Gesellschaften in Indien und Bangladesch als fügsam gelten und sich nicht schnell in Gewerkschaften organisieren oder dazu, aufgrund häuslicher Pflichten, gar nicht erst die Möglichkeit haben. Der Grund weswegen trotzdem so viele Menschen unter derartigen Arbeitsbedingungen arbeiten, sind die nur wenigen Arbeitsmöglichkeiten und die fehlende Aussicht, gerade für Frauen in anderen Branchen einen Arbeitsplatz zu finden.

Politischer Lösungsansatz

Ein von der Bundesregierung geplantes Lieferkettengesetz geht dabei auf einen Beschluss der Vereinten Nationen (UN) zurück, denn schon im Jahr 2011 wurden dort die „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ verabschiedet. Diese sollten den Kampf gegen Kinderarbeit, Sklaverei und Ausbeutung stärken. Unternehmen kommt dabei die wichtige Aufgabe zuteil, besondere „Sorgfaltspflichten“ einzuhalten und nur Produkte zu beziehen, die aus Betrieben stammen, in denen keinerlei Ausbeutung stattfindet.

Im Rahmen des daraufhin von der Bundesregierung erarbeiteten Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung dieser UN-Leitprinzipien war zunächst nur eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen vorgesehen. Eine Firmenbefragung der Bundesregierung hat jedoch ergeben, dass 80% der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern eben genau diesen Sorgfaltspflichten nicht oder nicht in ausreichendem Maße nachkommen. Arbeitsminister Heil und Entwicklungsminister Müller treiben nun den Erlass verbindlicher Vorschriften mit konkreter Ausgestaltung voran, doch dieses Vorhaben ist auch innerhalb der Großen Koalition nicht unumstritten: Wirtschaftsminister Altmaier warnt dabei vor der Belastung der Unternehmen mit zusätzlicher Bürokratie. Dabei will das von Altmaier geführte Wirtschaftsministerium vor allem verhindern, dass Unternehmen verklagt werden können, wenn Sie sich zu wenig für den Erhalt der Menschenrechte an den Produktionsorten einsetzen und schlägt maximal Geldbußen vor. Dieser Minimalkonsens wird jedoch von anderen Akteuren als nicht ausreichend angesehen.

Nicht unerwartet erfolgt eine strikte Ablehnung des geplanten Gesetzes von Seiten der großen Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände in Deutschland. Bei einem nationalen Gesetz befürchten sie einen Wettbewerbs-Nachteil gegenüber anderen international tätigen Unternehmen. Erwähnenswert an dieser Stelle wäre jedoch der Fakt, dass es beispielsweise in Frankreich bereits so ein Lieferkettengesetz gibt. Doch auch in der Wirtschaft gibt es zu dieser Thematik keine einhellige Meinung: Ende des letzten Jahres haben sich über 40 Unternehmen eben genau für eine solche gesetzliche Verantwortung stark gemacht, darunter Tchibo, Ritter Sport, Nestlé Deutschland und Hapag Lloyd.

Aktuell gibt es bereits zahlreiche Initiativen, die sich den Schutz der Menschenrechte zur Aufgabe gemacht haben, etwa den „Grünen Knopf“, ein Siegel für nachhaltig produzierte Kleidung und auch in der chemischen Industrie arbeiten die Beteiligten an einer Nachhaltigkeitsinitiative namens „Chemie³“. Kritiker*innen halten solche freiwilligen Ansätze allerdings für zu wenig ambitioniert.

Und was können Verbraucher tun?

Laut einer im September veröffentlichten, repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap ist die Meinung der Bevölkerung zu diesem Thema sehr eindeutig: So sprechen sich drei von vier Bürger*innen für ein Lieferkettengesetz aus.

Aber vor dem Hintergrund von schuftenden Kindern an lebensgefährlichen Umgebungen und Näherinnen, die mit ihrem Lohn nicht ihre Familien ernähren können und Arbeitern, die täglich toxischen Substanzen ausgesetzt sind, können auch Verbraucher*innen etwas tun! Zunächst einmal sollte sich jeder die Frage stellen, ob bei der schon angesprochenen massiven Überproduktion überhaupt neue Kleidung benötigt wird. Neben dem reduzierten Konsum wäre der Kauf von gebrauchter Kleidung eine Alternative und beim Kauf neuer Dinge, die stärkere Fokussierung auf Label und Zertifizierungen wie Fair Trade, die zusichern, dass der Kauf zu besseren Arbeits- und Lebensbedingungen in den Ursprungsländern beiträgt.