Im Rahmen einer Mahnwache gegen Tiertransporte am 30.04.2021 nahm die Nds. Landwirtschaftsministerin Frau Barbara Otte-Kinast unsere Anregung, Kriterien für die Definition des Begriffs „Zuchttier“ zu erarbeiten, gerne auf. Die vor Ort ebenfalls anwesende Tierärztin Frau Dr. Claudia Preuß-Ueberschär (Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft) wurde zu diesem Zweck von der Ministerin spontan zu einem Arbeitstreffen geladen.
Weiterhin teilte Frau Otte-Kinast auf Anfrage mit, dass die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses vom 12.02.2021 erwartet werde. Beschlossen wurde, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin Drittländer festlegt, in die ein Export bestimmter Tiere, insbesondere von Rindern, aus Gründen des Tierschutzes zu verbieten ist.
Anlass der Mahnwache war ein bisher öffentlich nicht bekannter Transport von 32 tragenden Rindern von Bayern nach Aurich. Von dort sollen sie die Reise nach Marokko antreten. Bereits einen Tag zuvor wurde dieser Transport im Landtag thematisiert.
(https://landtag-niedersachsen-tv.im-en.com/index2.php?Nr=sitzung_18_44&date=2021-04-29, ab 12:23 Uhr)
Entsprechend der politischen Willensbildung sollen sich Tiertransporte in Drittländer auf Tiere beschränken, die im Drittland auch der Zucht zugeführt werden. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob tatsächlich nur „Zuchttiere“ exportiert werden.
Die SprecheInnen der einzelnen Fraktionen nahmen die Mahnwache zum Anlass, ihre einen Tag zuvor im Landtag vertretene Position den Aktivistinnen und Aktivisten darzulegen. Es sprachen Miriam Staudte (Bündnis 90/ Die Grünen), Jörn Domeier (SPD), Hermann Grupe (FDP) und Helmut Dammann-Tamke (CDU).
Gastrednerin Marianne Rautenberg (Kreistagsabgeordnete Lippe/NRW) legte anschaulich dar, wie die öffentliche Berichterstattung bei ihr im Kreis einen Prozess zum Aufbau regionaler Vermarktungsstrukturen angestoßen hat.
Video/ Podcast: https://www.youtube.com/watch?v=lrvF6IqANPE
Simone Oppermann und MitstreiterInnen
Ein Schreiben von Marianne Rautenberg (Kreistagsabgeordnete Lippe/NRW) an den EU-Abgeordneten Norbert Lins
Sehr geehrter Herr Lins,
am vergangenen Freitag, den 30.4., fand vor dem Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium eine Mahnwache statt, die von Mitgliedern des bundesweiten Bündnisses „mensch fair tier“ unterstützt wurde. Anlass für diese Aktion war die Information, dass 32 trächtige junge Rinder am 23.4.21 von Bayern nach Aurich transportiert wurden, die nach dortiger Quarantäne im Stall des Vereins Ostfriesischer Stammviehzüchter (VOST) vom Exporteur Lindena Deutsches Zuchtvieh nach Marokko geliefert werden sollen.
Da der Vorgang sehr schnell von den Medien aufgenommen wurde, fand unter Druck der Öffentlichkeit im Niedersächsischen Landtag bereits am Donnerstag, den 29.4., eine Debatte über dieses skandalöse Vorhaben statt. Der Redebeitrag von Frau Ministerin Otte-Kinast, -der uns vorliegt-, ergab dann, dass weitere 300 Rinder von Aurich nach Marokko transportiert werden sollen.
Während unserer Mahnwache am vergangenen Freitag kamen einige Mitglieder des Landtags (MdL) verschiedener Parteien zu uns und erklärten ihre Positionen, wobei die Kritik an diesen Transporten, – insbesondere am immer noch existierenden „Schlupfloch Aurich“-, ziemlich übereinstimmend geäußert wurde.
Auf den Redebeitrag von Herrn Damman-Tamke, CDU, dass diese Verhältnisse ja dank des EU-Untersuchungsausschusses zu diesem Thema bald geregelt werden würden, habe ich allen Anwesenden von unserem letzten Gespräch berichtet. Sie erinnern sich vielleicht an meine Frage, ob denn gewährleistet ist, dass durch alle bisherigen Maßnahmen (u.a. durch Untersuchungsausschuss und unseren Dialog) von Seiten des EU-Parlaments ein baldiges Ende der Tiertransporte in Drittländer tatsächlich herbeigeführt wird; leider konnten Sie keine befriedigende Antwort geben.
So bleibt trotz aller vorhandenen Erkenntnisse, wie Filmdokumente von Manfred Karremann oder Edgar Verheyen sowie Berichte internationaler Tierschutzorganisationen und die Transporte begleitender Veterinäre und Tierschutzbeauftragten eine desaströse Erkenntnis:
Politik scheint nicht Willens und nicht in der Lage zu sein, Tiertransporte in Drittländer zu unterbinden.
In Anbetracht der bevorstehenden Bundestagswahl bleibt dem informierten Wähler nur die vernichtende Gewissheit, dass vielfach dokumentierte und veröffentlichte Tierqual, – also eindeutige schwere Verstöße gegen das bestehende Tierschutzgesetz -, weder durch EU-Politik noch durch Bundes- oder Landespolitik beendet werden.
Dieses Entscheidungsvakuum wird in der Öffentlichkeit als politisches Versagen wahrgenommen.
Auch vor dem Hintergrund, dass dem EU-Parlament und allen Entscheidungsträgern in der EU bekannt ist, dass seit März 2021 Marokko die Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen einseitig ausgesetzt, also die diplomatischen Beziehungen einseitig beendet hat, ist völlig unverständlich, dass Lebend-Tiertransporte weiterhin nach Marokko geduldet und abgefertigt werden.
Dazu kommt die aktuelle Information des Auswärtigen Amtes bezüglich „Reise- und Sicherheitshinweise zu Marokko (Covid-19-bedingte Reisewarnung)“: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/marokkosicherheit/224080
Wir appellieren an Sie in Ihrer Funktion als Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI) im Europäischen Parlament, ein klares Signal zu setzen. Das kann nur bedeuten, dass Lebend-Tiertransporte in Tierschutz-Hochrisikoländer, im aktuellen Fall nach Marokko, sofort gesetzlich untersagt werden müssen.
Deutschland muss in der EU hierzu endlich eine klare Position beziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Marianne Rautenberg
Mitglied im Bündnis „mensch fair tier“
SPD-Kreistagsabgeordnete Lippe
1. Vorsitzende „Unsere Hände für viele Pfoten e.V.“