NEIN zum neuen Tierqual-Label

Moment mal, Cem Özdemir!

Vorgestern hat der Landwirtschaftsminister das von der Regierung geplante sog. „Tierwohl“-Label vorgestellt, das insgesamt fünf Haltungsstufen für Schweine enthält. Für andere Tierarten gilt es vorerst nicht, nur für Schweine. Biohaltung soll dabei die Premiumstufe werden: Doch gerade einmal lächerliche 1,30 m² plus Grünfläche bekommt ein Schweineleben dabei zugesprochen. Die Stufe 1 des geplanten Tierwohllabels entspricht sogar nur den derzeitigen gesetzlichen Mindestanforderungen und ganze 0,15 m² mehr bekommt ein Schwein in der zweiten Stufe.

Insgesamt versprechen die ersten 3 (!) Stufen nahezu keinerlei Verbesserungen zum Status Quo, nur dass das Fleisch von gequälten Tieren aus Massentierhaltung nun sogar als „Tierwohl“ bezeichnet wird. Und die Bedingungen bei Transport und Schlachtung werden überhaupt nicht mit abgebildet, ebenso wenig gilt das Label für importiertes Fleisch und für verarbeitetes Fleisch wie Wurst, Fertigprodukte oder Gerichte, etwa in der Gastronomie.

Grundsätzlich hat das Label einen enormen Konstruktionsfehler: Abgesehen davon, dass die Stufen allesamt viel zu weit unten angesetzt sind, schafft der Begriff „Tierwohl“ ein gutes Gewissen beim Konsum. Doch es gibt kein Fleisch von glücklichen Tieren, nur von toten! Abschreckende Fotos auf den Verpackungen, die die Realität der agrarischen Tierausbeutung zeigen, analog zur Regelung bei Zigarettenverpackungen, sowie ein negatives „Massentierhaltungs-Label“ wären weit wirkungsvoller!

Was für ein Armutszeugnis für ein grünes Ministerium, von dem sich Millionen von Wähler:innen mehr „Tierwohl“ erhofft hatten!

Der Koalitionsvertrag versprach, dass förderfähig künftig nur noch Neubauten der oberen Stufen der Tierhaltung seien – das neue Label steht dazu völlig im Widerspruch! Plötzlich darf wieder alles gebaut werden und sogar alles Tierwohl genannt werden. Die neue Herkunftskennzeichnung, die nun präsentiert wurde, sehen wir daher als krasse Verbraucher:innentäuschung und als Greenwashing. Es ist blamabel, bei dieser Herkunftskennzeichnung auch nur ansatzweise von Tierwohl zu sprechen.

Der Koalitionsvertrag versprach, dass eine nachhaltige Landwirtschaft den Interessen der Betriebe, des Tierwohls und der Natur dienen und Grundlage einer gesunden Ernährung sein soll. Was für eine Farce: 50 % aller Schweinehalter:innen hierzulande wünschen sich den Ausstieg aus der Schweinehaltung, sie wünschen sich, endlich auf Gehör in der Politik zu stoßen. Wo bleiben die Ausstiegsprämien und -programme, wie sie in anderen Ländern bereits erfolgreich begonnen haben?

Seit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest vor knapp zwei Jahren und dem pandemiebedingten Preisverfall am Schweinemarkt ist klar: Der Wirtschaftszweig Schweineproduktion hat so keine Zukunft. Die Transformationsschritte sind viel zu klein, die Reduktion wird überhaupt nicht unterstützt.

Eine Ernährungs- und Agrarwende geht nur, wenn man vegane Landwirtschaft endlich ernst nimmt und fördert, dieser Tatsache muss sich unsere Regierung stellen!

Womit rechtfertigt Özdemir eigentlich seine Ablehnung einer Förderung von pflanzlicher Landwirtschaft? Vor rund einer Woche nutzten wir die Gelegenheit, ihn bei einem seiner Promotermine mit dem Thema zu konfrontieren – die Antworten waren enttäuschend, wenn auch wenig überraschend. Landwirtschaft ohne Tierhaltung ginge nicht, weil sie auf die „Kreislaufwirtschaft“ angewiesen sei, also auf die Gülle der sog. „Nutz“tiere.

Dem widersprechen jedoch zahlreiche wissenschaftliche Studien genauso wie zahlreiche Beispiele erfolgreicher tierfreier Landwirtschaft. Es gibt nämlich biozyklisch-vegane Landwirtschaft, die komplett auf Dünger und sonstige tierliche Produkte verzichtet. Die Erträge sind vergleichbar mit Biolandwirtschaft und vor allem: Sie ließe sich im großen Maßstab umsetzen, wenn wir endlich die ressourcenverschlingende Tierhaltung in der Landwirtschaft aufgeben.

Özdemir betonte in dem Gespräch mit uns zwar, dass er weniger Tierhaltung möchte und gedenke, dies durch die Anhebung der Tierwohlstandards zu erreichen. Diese Anhebung will er aber nicht von der Agrarindustrie finanziert wissen, sondern durch staatliche Fördermittel. Der Effekt wird also sein: Die Betriebe lassen sich den Stallumbau fürstlich entlohnen und die Gelder werden womöglich sogar in den weiteren Ausbau der Tierhaltung im In- und Ausland gesteckt. Somit sind die agrarpolitischen Maßnahmen in keiner Weise vereinbar mit Tierschutz, Klimaschutz, Natur- und Artenschutz.

Die eigentlich notwendige Agrarwende wird auf diese Weise nicht vorangetrieben, ja, sogar eher blockiert! Die Gesamtnachfrage nach Fleisch und die Exportzahlen werden durch die Maßnahme nicht reduziert. Und die laschen Mindeststandards werden nun für Jahre zementiert, denn das Argument wird künftig lauten, dass man ja extra für viel Geld die Ställe umgebaut habe…

Wir lehnen diese Herkunftskennzeichnung ab und sagen: Cem Özedmir, geben sie endlich das einfache und effiziente Konzept der AUSSTIEGSprämien für Schweine haltende Betriebe frei. Gehen Sie den Wünschen der Landwirt:innen UND der Verbraucher:innen nach.

Bio-vegane Landwirtschaft muss endlich gefördert und ausgebaut werden!