Neue Haltungskennzeichnung: Wirklich ein Fortschritt?

+++ Vierstufige Haltungsform-Kennzeichnung für Milch und Milchprodukte seit dem neuen Jahr 2022 im Einzelhandel +++

Edeka, Rewe und Co. wollen damit beginnen, Milchprodukte schrittweise nur noch mit der Haltungskennzeichnung 1,2,3 oder 4 der Initiative Tierwohl (ITW) anzubieten.

+++ Was die Haltungskennzeichnungen 1,2,3,4 konkret bedeuten +++

Als erstes fällt uns auf, dass sich die beiden Haltungsstufen 1 und 2 sowie 3 und 4 nicht ausschlaggebend voneinander unterscheiden. Daher kann man kaum von einem „Upgrade“ beim Übergang von Haltungsstufe 1 auf 2 oder von 3 auf 4 sprechen.

Die Anbindehaltung ist in Haltungsstufe 1 und 2 erlaubt – zwar wird hier von „Kombinationshaltung“ gesprochen; diese entspricht letztlich allerdings der Anbindehaltung, innerhalb derer den Tieren nur zeitweise Weidegang oder der Zugang zu einem Laufhof zugesprochen wird.

Das Enthornen von Kälbern < 6 Wochen ist erlaubt und darf sogar von den Landwirt:innen selbst durchgeführt werden. Im Gegensatz dazu ist das Enthornen nur in Haltungsstufe 4 lediglich in „Ausnahmefällen“ erlaubt und darf dann auch nur von der Tierärztin durchgeführt werden.

In Sachen „Komforteinrichtung“ bedeutet Haltungsstufe 1 keine Vorgaben. In allen anderen Haltungsstufen ist eine Scheuer-Kratz-Bürste vorgeschrieben.

Insgesamt hört sich die Haltungskennzeichnung für sog. „Milch“kühe, die der Lebensmitteleinzelhandel nun auf den Markt bringt, also wirklich nicht sehr fortschrittlich an. Das Halten von „Milch“kühen in Anbindehaltung sollte aus tierschutzrechtlichen Gründen längst der Vergangenheit angehören! Die Ampelkoalition will die Anbindehaltung zwar abschaffen, allerdings mit einer Übergangsfrist von 10 Jahren. Dass sich „Tierwohl“ durch Scheuer-Bürsten nicht erwähnenswert steigern lässt, sollte sowieso klar sein. Auch das Enthornen, ein schmerzhafter Eingriff an sehr jungen Kälbern, dürfte längst nicht mehr legal sein! Der Schmerz nach der Enthornung hält Tage bis Wochen an.

Außerdem sprechen die Haltungsstufen 1 und 2 sogar gegen die Versprechungen im Koalitionsvertrag, in dem es heißt, dass nur noch die Haltungsformen der oberen Stufen zukunfts- und förderfähig sein werden.

Dringender Handlungsbedarf besteht darüber hinaus seit Langem in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung, in der nach wie vor lediglich die Haltung von Kälbern bis zum Alter von sechs Monaten enthalten ist und thematisiert wird. Ausdrückliche, gesetzliche Anforderungen an das Halten von „Milch“kühen, gibt es dagegen nicht.