Nun auch Niederlande gegen EU-Mercosur-Abkommen

Ein Abkommen mit katastrophalen Konsequenzen

Seit sage und schreibe zwanzig Jahren wird über das EU-Mercosur-Abkommen zwischen der EU und Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay verhandelt. Dass dieses hochproblematische Freihandelsabkommen sich ausgerechnet in den letzten Monaten auf einen Abschluss zubewegte, da in Brasilien mit Bolsonaro ein rechtsnationaler Präsident regiert, der sich ebenso skrupellos über die Rechte von Indigenen und Kleinbauern hinwegsetzt wie über Standards des Umwelt- und Klimaschutzes, sollte aufhorchen lassen. Und wozu das Ganze? Damit wir Rindfleisch, Soja und Zucker zollfrei nach Europa importieren und im Gegenzug Wein, Spirituosen, Kartoffeln und ein paar andere Dinge zollfrei exportieren können. Der Preis ist eindeutig zu hoch, denn zu erwarten wäre:

  • eine Ausweitung der Fleischproduktion ohne Einhaltung von Tierschutzstandards
  • eine verstärkte Abholzung des Regenwaldes, die den Amazonas bald schon in eine Agrarwüste verwandelt mit den daraus resultierenden höheren Treibhausgasemissionen
  • eine weitere Verfolgung und möglicherweise Ermordung der indigenen Bevölkerung
  • ein unfairer Wettbewerbsdruck auf europäische Landwirte

Das Abkommen widerspricht den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN-Agenda 2030 und ist zudem unvereinbar mit dem Green Deal der EU-Kommission. Es ist unsozial, menschen- und tierverachtend, in höchstem Maße umweltgefährdend und einem überholten neoliberalen Weltbild verhaftet.

Ablehnung des Abkommens durch Österreich und Niederlande

Nach der Ablehnung Österreichs Anfang 2020 zwingt nun ein Antrag unserer niederländischen Schwesterpartei Partij voor de Dieren (=Partei für die Tiere), dem vorletzte Woche von der zweiten Kammer des Parlaments zugestimmt wurde, auch die niederländische Regierung ihre Unterstützung für das Abkommen zurückzuziehen. „Ein historischer Durchbruch“, so Parteichefin Esther Ouwehand, „und ein großer Erfolg für den Amazonas und für nachhaltige regionale Landwirtschaft – und damit für Klima, Natur, Tierschutz, Menschenrechte und die europäischen Landwirte.“ Damit haben nun bereits zwei Länder das Abkommen abgelehnt, welchem im EU-Rat jedoch alle EU-Staaten zustimmen müssten, damit es in Kraft treten kann. Es ist also vorerst verhindert.

Wichtiges Signal in Richtung Bolsonaro

Die Ablehnung des EU-Mercosur-Abkommens ist ein wichtiges Signal in Richtung Bolsonaro. Es zeigt diesem, dass er nicht ungestraft Indigene und Kleinbauern ihres Landes berauben und den Regenwald abholzen und abfackeln lassen kann. Eine wirtschaftlich enge Zusammenarbeit mit der EU ist unter diesen Bedingungen nicht möglich. Auch der Präsident des größten Landes Südamerikas muss in diesem endlich wieder Menschenrechte sowie Natur-, Arten- und Klimaschutz sicherstellen.

„Dieser Wahnsinn muss aufhören“ – aufrüttelnder Appell aus dem Amazonas von Schauspielerin Kay Sara

Die 24jährige, indigene Aktivistin und Schauspielerin Kay Sara hätte kürzlich die Wiener Festwochen von der Bühne des Burgtheaters aus eröffnen sollen. Corona-bedingt hat Kay Sara ihre Eröffnungsrede aber aus ihrem Heimat-Dorf im Norden Brasiliens gesendet und zu einem aufrüttelnden Appell genutzt, den Genozid an ihrem Volk durch die brasilianische Administration und die unwiederbringliche Vernichtung des Regenwaldes, in dem 40.000 Pflanzen- und über 4.500 Tierarten beheimatet sind, zu beenden. Sie macht darauf aufmerksam, dass Bolsonaro die Corona-Krise für sein kriminelles Tun schamlos ausnutzt.

Hier einige Ausschnitte aus ihrer Rede:

„Ich befinde mich im Wald bei meinem Volk, ganz im Norden Brasiliens, am Ufer des Flusses Oiapoque. […] Heute sind nur noch wenige von uns übrig. Ich bin eine der Letzten der Turiano. Und vor einigen Wochen also kam die nächste Krankheit aus Europa zu uns: Corona. Es ist keine Zeit mehr für richtige Beerdigungen. Menschen liegen in Massengräbern, Traktoren schütten sie zu. Andere liegen in den Straßen. […]
Die Weißen nutzen das Chaos, um noch tiefer in die Wälder einzudringen. Die Feuer werden nicht mehr gelöscht. Von wem auch? Wer den Holzfällern in die Hände fällt, wird ermordet. Und was hat Bolsonaro getan? Das, was er immer getan hat: Er schüttelt die Hände seiner Unterstützer und verspottet die Toten. Er hat seine Mitarbeiter beauftragt, die indigenen Völker zu benachrichtigen, dass eine Krankheit ausgebrochen sei. Das ist ein Aufruf zum Mord an uns. Bolsonaro will den Genozid an den Indigenen, der seit 500 Jahren anhält, zu Ende bringen. […]
Ich weiß: Ihr seid Reden wie diese gewohnt. Das Problem ist nicht, dass ihr nicht wisst, dass unsere Wälder brennen und unsere Völker sterben. Das Problem ist, dass ihr euch an dieses Wissen gewöhnt habt. […]
Ich sage euch also, was ihr alle wisst: Vor einigen Jahren trockneten die Nebenflüsse des Amazonas zum ersten Mal seit Menschengedenken aus. In zehn Jahren wird das Ökosystem des Amazonas kippen, wenn wir nicht sofort handeln. Das Herz dieses Planeten wird aufhören zu schlagen. Das sagen unsere und das sagen eure Wissenschaftler, und vielleicht ist es das Einzige, worin sie sich einig sind. Wir werden untergehen, wenn wir nicht handeln. […] Dieser Wahnsinn muss aufhören. Denn wenn Rechtlosigkeit Gesetz wird, wird Widerstand zur Pflicht. Lasst uns gemeinsam Widerstand leisten, lasst uns Menschen sein. Jeder in seiner Art und an seinem Ort, vereint durch unsere Unterschiedlichkeit und unsere Liebe zum Leben, das uns alle vereint.“

Bitte unterschreibt, damit auch Deutschland das Abkommen ablehnt:
Greenpeace-Petition gegen EU-Mercosur-Abkommen unterschreiben