Tatort: Nordrhein-Westfalen (NRW), Krefeld, öffentliche Parkanlage „Schönhausenpark“
Tatzeit: 5. und 10. Oktober 2024
Opfer: Mindestens vier Nutrias getötet, zwei weitere schwer verletzt. (Stand 20.10.2024.)
Eine kleine Gruppe von Nutrias, deren Art einst als Pelztiere missbraucht wurden und die seit 140 Jahren in deutschen Gewässern heimisch sind, lebte seit Jahren friedlich im Krefelder Schönhausenpark. Anfang Oktober ereignete sich ein tragisches und verstörendes Geschehen: Die harmlosen und mit Menschen vertrauten Tiere wurden zum Abschuss freigegeben.
Stand 20.10.2024 wurden mindestens vier Tiere erschossen, zwei weitere angeschossen: Eines davon erlag nach fünf qualvollen Tagen seinen Verletzungen und trieb noch tagelang im Wasser. Ein weiteres Tier, das noch seine Jungtiere säugte, wurde ebenfalls schwer verletzt. Die Zukunft der Nutria-Mutter und ihrer Kinder ist völlig ungewiß.
Dieser brutale Vorfall zeigt gravierende Mängel im deutschen und europäischen Umgang mit Wildtieren sowie in der Regulierung der Hobbyjagd*) auf. *) Hobbyjäger sind keine Berufsjäger mit dienstlichem Auftrag sondern Privatleute, die sich per Jagdschein die Erlaubnis kaufen, zum Zeitvertreib Tiere töten zu dürfen. Den Nutrias konnte kein nennenswerter Schaden am städtischen Ökosystem oder Eigentum nachgewiesen werden, dennoch wurden sie zur Zielscheibe rücksichtsloser Gewalt.
Verstöße gegen das Tierschutzgesetz
Das deutsche Tierschutzgesetz wurde bei dieser Jagd auf schockierende Weise missachtet:
§ 1 des Tierschutzgesetzes: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
§ 4 des Tierschutzgesetzes: Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften zulässig oder erfolgt sie im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, so darf die Tötung nur vorgenommen werden, wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.
Es gab keinen vernünftigen Grund für die Tötungen. Der verantwortliche Jäger verfügte zudem nicht über die notwendigen Fähigkeiten, um eine tierschutzgerechte Jagd durchzuführen, wie die qualvolle Todesart der Tiere belegt.
Rechtliche und moralische Verantwortung
Die rechtlichen Konsequenzen für tierschutzwidrige Handlungen wie diese sind unzureichend. Das deutsche Tierschutzgesetz sieht für solche Taten unter § 17 lediglich Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren vor. Angesichts des Leidens der betroffenen Tiere wäre eine strafrechtliche Verfolgung angebracht, die das Leid der Nutrias genauso ernst nimmt wie ähnliche Vergehen an Menschen.
Fragwürdige Ausnahmegenehmigung
Es ist anzunehmen, dass die Jagd im Schönhausenpark durch eine städtische Ausnahmegenehmigung ermöglicht wurde, obwohl solche öffentlichen Anlagen in NRW zu sogenannten „befriedeten Bezirken“ gehören und dort Schusswaffen nur unter besonderen Voraussetzungen eingesetzt werden dürfen. Besonders bedenklich ist, dass die Jagd in Anwesenheit von Parkbesuchern, darunter auch Kinder, stattfand. Die psychischen Auswirkungen auf die Zeugen der grausamen Tötungen wurden offensichtlich in Kauf genommen.
Fehlende Schutzmaßnahmen
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz (RLP) fehlen in NRW wichtige Schutzbestimmungen. So schreibt das rheinland-pfälzische Jagdgesetz vor, dass in „Setz- und Brutzeiten“ Elterntiere nicht bejagt werden dürfen. Diese Schutzregelung wurde im Fall des Krefelder Nutria-Weibchens, das schwer verletzt wurde und deren Junge vermutlich in den nächsten Tagen elend zugrunde gehen, grob missachtet und damit auch die entsprechende Vorschrift des Bundesjagdgesetzes § 22 (4).
Der Verpflichtung zur Nachsuche, um unnötiges Tierleid zu vermeiden, wie im Bundesjagdgesetz unter § 22 (a) sowie im NRW-Jagdgesetz unter § 30 (1) vorgeschrieben, wurde offensichtlich nicht erfüllt.
Tierschutzrechtliche und ethische Defizite in der Verwaltung
Der Fall offenbart gravierende tierschutzrechtliche und ethische Defizite bei den zuständigen Behörden und bei den regierenden politischen Parteien. Die Genehmigung einer Jagd auf harmlose Tiere, ohne dass ein vernünftiger Grund vorliegt, lässt auf ein mangelndes Verständnis für Tierschutzrecht und Empathie schließen. Dies disqualifiziert die verantwortlichen Entscheidungsträger.
Unsere Forderungen
1. Die Nutrias wie auch die Waschbären sollten von der Liste der invasiven Arten gemäß der EU-Verordnung Nr. 1143/2014, die regelmäßig falsch interpretiert und als Freibrief für das Töten dieser Tierarten mißverstanden wird, gestrichen werden. Eine Auswilderung geretteter und kastrierter Tiere muss gestattet werden.
2. Die Verantwortlichen für die tierschutzwidrige Jagd im Schönhausenpark müssen strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Der Jagdschein des verantwortlichen Jägers ist einzuziehen.
3. Konsequenzen müssen auch für die Behördenmitarbeiter folgen, die die Jagd genehmigt haben.
4. Solange noch gejagt werden darf, ist eine regelmäßige Überprüfung der Treffsicherheit von Jägern und des Umgangs mit Munition vorzuschreiben.
Fazit
Die Jagd auf Tiere aus reiner Lust am Töten widerspricht den Grundsätzen des Tierschutzes und von Paragraph 20 a unseres Grundgesetzes und sollte in Deutschland gänzlich verboten werden. Das systematische Versagen, Tiere vor Grausamkeiten zu schützen, zeigt dringenden Reformbedarf in Gesetzgebung und Verwaltung.
Im Namen des Tierschutzes fordern wir die Abschaffung der Hobbyjagd und einen stärkeren Schutz für alle Lebewesen.
PS: Strafanzeigen werden erstattet.
Infos zu Nutrias finden sich u. a. auf der Facebook-Seite des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der Tierschutzpartei.