Demonstration gegen die Fällung der Bäume, © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Ökologie als Strohmann – Stellungnahme zum Vorschlag des Berliner Senats, 60 Bäume entlang des Tempelhofer Damms zu roden

Berlin, 05.03.2025 – In Berlin Tempelhof-Schöneberg arbeiten die Berliner Wasserbetriebe seit Jahren daran, entlang des Tempelhofer Damms über 150 Jahre alte Abwasserdruckleitungen auszutauschen. Der Effizienz halber sollen gleichzeitig Wärme- und Stromleitungen sowie die Tunneldecke der U6 erneuert werden. In Kooperation mit dem Bezirk und der zuständigen Stadträtin, Saskia Ellenbeck (Grüne), wurde ein Zeitplan entworfen, Umleitungen geplant und von bezirklicher Seite daran festgehalten, den Mittelstreifen mit seinen 60 gesunden Bäumen zu erhalten.

 

Einmischung aus dem Abgeordnetenhaus
Doch nun meint die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt sich in die bezirkliche Verkehrspolitik ungefragt einzumischen. Den Mittelstreifen zu roden und durch das Asphaltieren einer neuen Spur an seiner Stelle könnten CO₂-Emissionen eingespart werden, argumentiert die Senatsverwaltung.

 

Anwohnende und Bezirk übergangen
Wir, der Landesvorstand der Tierschutzpartei Berlin, solidarisieren uns entschieden mit den Bürgerinitiativen und Organisationen, welche am vergangenen Sonntag, den 02.03.2025, eine Demonstration gegen die Rodung der Bäume veranstalteten. Die Planungen laufen seit Jahren. In der Abwägung von Argumenten hat sich der Bezirk zum Glück dafür ausgesprochen, den Mittelstreifen zu erhalten. Bürger*innen aus dem Bezirk haben somit durch ihre kommunale Vertretung, wie auch durch zivilgesellschaftliches Engagement gezeigt, dass diese Baumaßnahmen nicht mit einer Fällung der Bäume und dem Asphaltieren einer neuen Spur einhergehen sollen.

Dass die Senatsverwaltung hier eindeutig für ihre eigenen Interessen den Willen von Anwohnenden übergeht, sehen wir als fatales Signal für die (Basis-)Demokratie in Berlin. Welches Signal will der Senat an die Berliner*innen senden, wenn er offen meint, kommunale Planungen ignorieren zu können, weil er meint, es besser zu wissen? “Warum überhaupt noch in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) oder in Initiativen tätig sein, wenn dem
Senat so oder so egal ist, was seine Bürger*innen sagen?”, werden sich durchaus einige fragen.

 

Kurz gedachte Scheinargumente
Des Weiteren kritisieren wir, als Tierschutzpartei Berlin, deutlich die “Klimabilanz”, welche der Senat seiner Entscheidung zu Grunde legt. Eine Umleitung führe zu 30.000 Tonnen an CO₂ Emissionen mehr, als sie bei der Rodung entstünden. Neben dem Widerspruch, welcher bereits aus dem Büro von Stadträtin Ellenbeck kommt und dem berechtigten Argument “Nachpflanzen ist die schlechteste Lösung” des BUND, macht das Bauwesen die Rechnung zusätzlich kaputt: Eine preisgekrönte Bachelorarbeit eines Absolventen der FH-Münster ergab 2022, dass 100 Meter einer leicht befahrenen Fahrbahn von 16 Zentimetern Asphaltstärke bereits gute 11.500 Kilogramm CO2 ausstoßen. Da auf beiden Seiten eine Spur gebaut werden müsste, die Bäume nach der Abholzung auch CO2 aussetzen und die Fahrbahn in den Jahren des Baus gewartet werden müsste, ist die CO₂-Bilanz ein dahin geschwindeltes, selbstgerecht gemachtes Scheinargument.
Zumal auch die Perspektive auf den Verkehr hier absolut zu kurz gedacht ist. Mehr Straßen führen zu mehr Verkehr. Dieses Phänomen ist bekannt und mehrfach in Studien belegt. Zumal laden breite Straßen zu höheren Geschwindigkeiten und mehr Überholmanövern ein. Dass der Senat nun hier wie auch schon bei der A100 an seinem Wahn nach mehr Straßen festhält, ist in unseren Augen kurz gedachte Politik. Die Spuren werden nicht zu weniger Staus führen. Sie werden bloß mehr Rasereien und somit mehr Unfälle provozieren. Und gerade das ist neben dem Tempelhofer Feld, wo Familien über die Straßen gehen und wo der Radverkehr im Sommer boomt, eine Gefahr für die Sicherheit der Berliner*innen.

 

Der Senat als eigentlich zahnloser Tiger
Nun klingt das alles ziemlich ultimativ, doch bisher hat der Senat das Projekt noch nicht an sich gerissen. Die Entscheidung liegt noch bei der BVV im Bezirk. SPD und CDU haben eine knappe Mehrheit und könnten nach diesem Weckruf des Senats nun für ihn oder die Interessen und den Willen der Anwohnenden, welchen sie ihre Ämter zu verdanken haben, entscheiden. Deshalb fordern wir sie auf:
Liebe Verordnete der CDU und SPD in der BVV Tempelhof-Schöneberg, Ihre Bürger*innen haben sich mit Demonstrationen und Stellungnahmen gegen die Zerstörung des Mittelstreifens entschieden. Sie wollen keine vermeintlich seriöse Rechnung im Interesse der Autolobby haben. Sie wollen Bäume, sie wollen
Lebensräume, die wertvoll sind. Für die Menschen, für die Umwelt und für die Tiere in Ihrem Bezirk. Deshalb rufen wir Sie auf, zu zeigen, dass es mehr als Parteipolitik, nämlich auch noch Realpolitik gibt; dass Engagement noch etwas bringt; dass auch Ihre Bürgerinnen und Bürger zur Demokratie gehören und eine Stimme haben. Bitte bedenken Sie das und entscheiden Sie sich gegen die Rodung der Bäume und die Asphaltierung des Mittelstreifens.

 

Vielen Dank,
Landesvorstand Berlin der PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ