Offener Brief an den Zoo Hannover

An den Geschäftsführer Herrn Casdorff, dem zoologischen Leiter Herrn Brunsing und dem Regionspräsident Jagau

Der Zoo Hannover besteht seit über 150 Jahren und ist nun Gegenstand eines medialen Shitstorms. Die Recherche von Peta und die Videoaufnahmen, die Gewalt gegen Elefanten zeigen sind ein PR-GAU und ein Desaster für das Marketing des Zoos.

Der Zoo wurde in den 1860ern gegründet und auch im 21. Jahrhundert kann man in Hannover immer noch exotische Tiere in kleinen Gefängnissen betrachten. Was hat sich über all die Jahre eigentlich geändert? Nun die Deko ist jetzt modischer und ahmt die natürlichen Habitate nach, die Gehege sind etwas größer und auch die neuen Masterplanprojekte legen Wert darauf, dass bei der Gestaltung von Gehegen „einer emotionalen Inszenierung und der Liebe zum Detail viel Aufmerksamkeit geschenkt werden“ (siehe Geschäftsbericht 2015, S. 29). Außerdem gibt es ein umfangreiches Event-Marketing und gastronomische Angebote vor Ort.

Gegenstand des Unternehmens ist „der Betrieb eines Zoologischen Gartens als Bildungs- und Erholungsstätte für alle Bevölkerungskreise zur Erhaltung von Tierarten, insbesondere Wildtierarten, sowie die Förderung der Erweiterung von Kenntnissen über die Biologie von Tieren, insbesondere über die Tiergartenbiologie von Wildtierarten durch Auswertung des Materials, das von den gehaltenen Tieren gewonnen wurde“. Nach nun über 150 Jahren Studienmaterial zum Thema Tiergartenbiologie im Zoo Hannover, dazu noch Material aus anderen Zoos in Deutschland, Europa und weltweit, könnte man meinen, dass alles zum Thema Tiergartenbiologie bekannt sein müsste. Lässt sich hiermit das Betreiben einer zoologischen Anlage rechtfertigen?

Wie lässt sich im 21. Jahrhundert eine zoologische Anstalt mit den heutigen Tierschutzgesetzen in Einklang bringen? Gar nicht! Nehmen wir doch mal die Elefanten als Beispiel: die Weibchen haben in ihrem natürlichen Habitat einen Aktionsradius von mehreren hundert Quadratkilometern und sie leben in afrikanischen oder süd-asiatischen Gebieten mit warmen Klima. Also wie artgerecht ist ein kleines Betongehege in einem oft verregneten, kalten Norddeutschen Zoo? Glauben die Verantwortlichen wirklich, dass eine neue Dschungellandschaft, eine neue Halle und eine Dusche für den Elefantenbullen ein artgerechtes Leben ermöglichen? Worum geht es wirklich, um das Wohl der Tiere oder das Wohl der Besucher? Der Geschäftsbericht liefert eine Antwort: „Gerade die Mensch-Tier-Begegnungen in den Erlebniswelten gepaart mit den themenbezogene Gastronomie und Souvenirs machen den Erlebnis-Zoo Hannover aus. So stehen diese Geschäftsfelder im besonderen Fokus der stetigen Weiterentwicklung. Daher sind auch hier weitere Investitionen geplant, um das hohe Niveau an Shows, kommentierten Fütterungen, Blicken hinter die Kulissen, Scout-Führungen oder dem Gäste-Service noch weiter zu verbessern.“ Und wie geht es den Tieren dabei?

Der Zoo Hannover nennt als Ziel ganz klar den Artenschutz! Sehen wir uns hierzu noch mal das Beispiel der Elefanten im Zoo Hannover an: Laut IUCN Liste sind die Populationen von Elephas maximus in ihren natürlichen Lebensräumen seit Jahrzehnten im Sinkflug. Was hat der Zoo denn hier zum Erhalt und Schutz dieser Art beigetragen? Oder meinen die Verantwortlichen mit Artenschutz den Erhalt der Elefantenpopulation im Zoo? Nun wissenschaftlich gesehen ist das kein Artenschutz, sondern der Erhalt einer Population in einer habitatfremden Umgebung unter gefängnisähnlichen Zuständen. Was hat das mit Artenschutz zu tun? Nichts. Effektiver Artenschutz kann nur bedeuten, dass man Arten als funktionellen Bestandteil ihrer Ökosysteme erhält. Untersuchungen von Franz Essl und seinem Team an der Uni Wien haben gezeigt, dass aussterbende Arten über direkte und indirekte Effekte auch andere Arten und die Funktionalität ganzer Ökosysteme beeinflussen können. Was bedeutet das? Nun wenn Elefanten in ihren natürlichen Lebensräumen aussterben, beeinflusst ihr Ableben auch die Überlebenschancen anderer Arten und des gesamten Ökosystems vor Ort. Und was bringt es uns jetzt, wenn ein paar letzte Elefanten noch in europäischen Zoos vor sich hinvegetiert? Nun dem Erhalt der Artenvielfalt in Afrika bringt das nichts und wenn die Ökosysteme erst einmal verschwunden sind, wird es auf Dauer keine freien Elefanten in der afrikanischen Wildnis mehr geben. Auch die Populationen in Zoos werden schwer zu erhalten sein, da es früher oder später zu Inzucht kommen wird.

Züchtet der Zoo eigentlich für den Artenschutz oder für den Erhalt seines Geschäftsmodells, weil die süßen Tierbabys so viele Besucher anlocken? Der Beteiligungsbericht 2015 gibt hier ganz klar eine Antwort: “Hinzu kam weiterer Nachwuchs bei den Elefanten. So konnte im ersten Quartal der zweithöchste Besucher-Wert bezogen auf einen 10-Jahresvergleich erzielt werden. In diesem Zeitraum wurden fünf Tage mit über 10.000 Besuchern erreicht. Das eher unbeständige Wetter in den folgenden Monaten führte jedoch zu einem stetigen Abschmelzen des Besucherplus. Weitere Tiergeburten und neu entwickelte Programmangebote konnten letztlich die Besucherentwicklung auf Planniveau konsolidieren.“ Offensichtlich spülen Tierbabys eine Menge Geld in die Kasse, aber von Artenschutz war hier keine Rede.

Der Zoo Hannover nennt als Ziel ganz klar die „Erhaltung von Tierarten“, aber was ist mit der gesetzlich verankerten Wiederansiedelung von Arten in ihren Biotopen (Bundesnaturschutzgesetz §42 (7b))? Warum wildert man Elefanten nicht wieder in der Freiheit aus oder bringt sie in Naturreservate ihrer Ursprungsländer, damit sie dort als Teil des Ökosystems erhalten bleiben? Die einzigen Tierarten, die der Zoo Hannover in Gefangenschaft aufgezogen und dann in ihren natürlichen Lebensraum entlassen hat, sind laut dem Geschäftsbericht 2015: Moorenten und Weißstörche. Exotische Tiere wurden an andere Zoos weitergegeben und für die Zoohaltung gezüchtet, aber es werden keine weiteren Auswilderungen genannt.

Welche Zukunft hat der Zoo Hannover? Die Leitung des Zoos geht bestimmt davon aus, dass sich die Aufregung bald legen wird und mit einem neuen Elefantengehege, der die Tiere vor ihren Pflegern schützt, wird wohl die Kritik verstummen. Dieser Annahme werden Tierschützer widersprechen und sie werden auch weiterhin gegen die Haltung von Tieren in zoologischen Anlagen protestieren. Die Welt hat sich seit der Gründung des Zoos sehr verändert und auch die Art und Weise, wie wir über Tiere denken, hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Bei einigen Konzernen, wie Sea World oder Ringling Bros. And Barnum & Bailey Circus ist dieser Wandel bereits angekommen und die Firmen mussten sich verändern und auf diese neuen gesellschaftlichen Werte eingehen. Leider ist die Zoo Hannover GmbH noch nicht so weit, aber die Verantwortlichen dieses Konzerns müssen nun zur Kenntnis nehmen, dass die Öffentlichkeit Gewalt gegen Tiere nicht weiter duldet. Das Geschäftsmodell Zoo ist ein Auslaufmodel und wird in der Gesellschaft zunehmend kritisch betrachtet. Das kann die Leitung des Zoos nicht ignorieren, denn es kommen auch weniger Besucher, wie der Geschäftsbericht 2015 zeigt: „Dennoch blieben trotz des umfangreichen Jubiläumsprogramm und einer hohen Vermarktungsintensität die Besucherzahlen in 2015 gesamthaft deutlich unter den Erwartungen.“ Dieser Trend wird sich fortsetzen, denn wer sein Herz für Tiere entdeckt hat, wird dies nicht wieder aufgeben und es gibt immer mehr Menschen, denen Tierschutz wichtig ist.

Hat der Zoo Hannover eine Zukunft? Hier ist mein Vorschlag für eine nachhaltige Entwicklung: bringt alle nichtheimischen Tiere nach Hause, sodass sie in ihren natürlichen Lebensräumen leben können. Schützt die heimische Artenvielfalt, in dem Tierarten vermehrt, anschließend ausgewildert und die Bevölkerung über die heimische Artenvielfalt informiert werden! Das wäre eine sinnvolle, tierfreundliche Nutzung der Ressourcen!

Quellen:
https://www.zoo-hannover.de/de/tiere/tier-lexikon/asiatischer-elefant
https://www.zoo-hannover.de/dam/jcr:5c8b3103-a49d-4af3-ad61-3d3b506dc924/Zoo-Hannover-Gesch%C3%A4ftsbericht-2015.pdf
https://en.wikipedia.org/wiki/Ringling_Bros._and_Barnum_%26_Bailey_Circus
http://www.sanctuaryasia.com/resources/ngo-profiles/10177-biodiversity-and-elephant-conservation-trust.html
http://www.iucnredlist.org/details/7140/0
Essl, F., Dullinger, S., Rabitsch, W., Hulme, P.E., Pysek, P., Wilson, J.R.U., Richardson, D.M., 2015. Historical legacies accumulate to shape future biodiversity in an era of rapid global change. Diversity and Distributions, Volume 21, Issue 5, Pages 534-547.

Susanne Berghoff / Landesverband Niedersachsen