Offener Brief an die Evangelische Kirche in Deutschland

Offener Brief vom 05.01.2022
an die Evangelische Kirche in Deutschland
Herrenhäuser Str. 12; 30419 Hannover
Z. Hd. v.:
Ratsvorsitzende der EKD Frau Dr. h.c. Kurschus;
Damen und Herren Mitglieder des Rates der EKD
(In Kopie: Christlich orientierte Medien)

 

Ihr Amtsantritt – unsere Hoffnung

Sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende der EKD Dr. h.c. Kurschus,
sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Rates der EKD,

zu Ihrem neuen Amt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, sehr geehrte Frau Dr. Kurschus, gratulieren wir Ihnen herzlich. Gleichzeitig verbinden wir mit Ihrem Amtsantritt neue Hoffnungen – für unsere Mitgeschöpfe, die Tiere.

Wir möchten deshalb das einleitende Wort unseres Briefes an Sie, sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende und sehr geehrte Damen und Herren Ratsmitglieder der EKD, dem im Dezember 21 leider verstorbenen Erzbischof von Kapstadt und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu einräumen: „Es ist in vielfältiger Weise seltsam, dass meine Mitchristen nicht in der Lage sind zu erkennen, dass es sich bei der Frage, wie wir Tiere behandeln, um eine Angelegenheit des Evangeliums handelt.“

Lange vor seiner Zeit, im 12., bzw. im 13 Jahrhundert erkannte schon Franziskus von Assisi, der nach dem Vorbild Jesu Christi ( imitatio Christi) lebte, die tiefe, von Gott gewollte Verbundenheit von Mensch und Tier: „Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir, alle Geschöpfe streben nach Glück wie wir. Alle Geschöpfe der Erde lieben, leiden und sterben wie wir, also sind sie uns gleich gestellte Werke des allmächtigen Schöpfers – unsere Brüder.“ Franziskus wusste vor vielen hundert Jahren schon das, was die heutige Verhaltensbiologie belegt, denn in der Verhaltensbiologie hat in den letzten Jahren eine Revolution des Tierbildes stattgefunden, schreibt Norbert Sachser, Professor für Zoologie und international renommierter Forscher, in seinem Buch „Der Mensch im Tier“. Diese Revolution hat weitreichende Folgen für das Verhältnis vom Menschen zum Tier. Die zeitgemäße Wissenschaft ist nämlich zu der folgenden Erkenntnis gekommen: Tiere „können denken. Sie erkennen sich selbst im Spiegel, und bei ihnen sind zumindest Ansätze von Ich-Bewusstsein vorhanden. Tiere mancher Arten haben Emotionen, die denen des Menschen bis in verblüffende Details vergleichbar sind.“ Basale Emotionen wie Furcht, Angst oder Freude sind bei Mensch und Tier von den gleichen neuronalen Schaltkreisen erzeugt und gesteuert. Es steckt also wirklich sehr viel mehr Mensch im Tier, als wir uns vor wenigen Jahren noch haben vorstellen können, so Sachser. Bei näherer Betrachtung scheinen Tiere genauso individualisiert wie Menschen, deswegen spricht die Verhaltensbiologie mittlerweile von Tierpersönlichkeiten. (Sachser, Norbert. 2018. „Der Mensch im Tier“. Hamburg: Rowohlt. S.242/ S. 15 ff)

Jedoch: Die unvorstellbar grausame Seite unseres Menschseins beschreibt der 2017 verstorbene Theologe und Politiker Prof. Erich Grässer. Er fasst auf erschütternde Weise zusammen, was Menschen den Tieren angetan haben, bzw. immer noch antun, obwohl wir Menschen hierzulande uns gerne selbstzufrieden als human, der Ethik verpflichtet und zivilisiert bezeichnen. Grässer kritisiert dabei die Sprachlosigkeit und offensichtliche Gleichgültigkeit der Kirche: „Was wir heute erleben, ist ein mit dem Rechenstift ausgeklügeltes schreckliches Höllenspiel, in dem wir unsere Nutztiere in der Massentierhaltung zu Tiermaschinen herabstufen. Die Übermenge an Eiern, Fleisch und Butter, die die westlichen Wohlstandsgesellschaften auf diese Weise produzieren, ist mit menschenunwürdiger Tierquälerei bezahlt. Gegenüber dieser überall straflos praktizierten Ungeheuerlichkeit liest sich Albert Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben wie eine Botschaft von einem anderen Stern. Und eine Kirche, die zu dem allem schweigt, erklärt damit den Bankrott ihrer Barmherzigkeitspredigt!“ (Quelle: https://wolodja51.wordpress.com/tag/prof-dr-theol-erich-graesser/)

Viele Aktionen und Anstrengungen wie z.B. Mahnwachen in Städten, vor Kirchen, Schreiben an Kirchenvertreter:innen, Ersuchen um Gespräche mit Kirchenvertreter:innen haben wir hinter uns. Erfreulicherweise – aber leider nur in sehr geringen Einzelfällen – sind wir auf offene Ohren gestoßen. Diese von uns angeregte Kontaktherstellung verlief allerdings wieder im Sande, weil sie kaum auf Gegenseitigkeit beruhte. Wir sind als Menschen, denen das unvorstellbar große Leiden der Tiere zu Herzen geht, in unserer Vorstellung von einer barmherzigen Kirche überaus desillusioniert, enttäuscht und ernüchtert.

Ja, sicher, die evangelische Kirche hat im September 2019 den EKD Text 133 veröffentlicht, in dem eine neue Wertschätzung für „Nutztiere“ gefordert wird. Das hat uns zunächst wieder Hoffnung gegeben. Nur – es nimmt kein/e Vertreter:in der ev. Kirche explizit Stellung dazu in der Öffentlichkeit! Können wir Tierschützer:innen/ Tierrechtler:innen tatsächlich glauben, dass die Kirche meint, was sie publiziert? Papier ist bekanntlich geduldig. Gibt es in den großen Kirchen tatsächlich Liebe für unsere wehrlosen, ausgebeuteten, gequälten, grausam getöteten Mitgeschöpfe? Erheben prominente Vertreter:innen der ev. Kirche auf der Kanzel oder in den Medien laut ihre Stimmen für die gequälte Kreatur? Nein, da feiert so manche Kirchengemeinde lieber noch ein Fest mit „Schlachtplatte“. (Beispiele siehe dazu: https://www.evki-unterjettingen.de/schlachtplatte-to-go / https://www.evangelische-kirche-dornhan.de/interessantes/2020/schlachtplatte-to-go)

Ob sich die jungen Menschen, die für den Klimaschutz auf die Straße gehen, um für sie und ihre Nachkommen den Planeten zu erhalten, von solchen Aktionen der Kirchen/ Kirchengemeinden angesprochen fühlen, ist fraglich. Viele in dieser jungen Generation blicken über ihren Tellerrand hinaus und übernehmen Verantwortung für das künftige Leben auf dieser Erde. Wir durften und dürfen während unserer Tierrechtstätigkeit schon viele dieser wunderbaren jungen Leute kennenlernen. Diese jungen Menschen haben verstanden, dass der Zusammenhang von Klimakrise/Umweltschäden und der Milch- und Fleischindustrie von keinem aufgeklärten, verantwortungsvollen Menschen mehr tabuisiert werden darf. Der Förster und Autor Peter Wohlleben bringt es auf den Punkt: „Fleisch ist halt der Hauptklimakiller noch vor Kohle und Öl.“ Das bedeutet, dass wir unbedingt zeitnah eine Umstellung von der herkömmlichen Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen, gewaltfreien und pflanzenbasierten Form der Landwirtschaft brauchen. Rindfleisch und Milchprodukte sind allein für 65 % der landwirtschaftlichen Methan-Emissionen verantwortlich. (https://vegconomist.de/politik/proveg-auf-der-cop-26/..)

Tierschutz/ Tierrecht und Klimaschutz gehören zusammen. Aber: Ist der EKD Text 133 nur ein „tönend Erz oder eine klingende Schelle“ (1.Korinther 13), ein geduldiges Papier und sonst nichts, weil die Kirche keine Liebe der gequälten Kreatur entgegenbringt? Die Liebe, die Franziskus von Assisi für seine „Brüder und Schwestern“, die Tiere, empfand? Dies muss man offenbar leider annehmen. Viele von uns sind müde geworden, sich von der Kirche noch etwas zu erhoffen. Sich zu erhoffen, dass die Kirche, bzw. diejenigen, welche die Kirche nach innen und außen hin vertreten, endlich Partei ergreifen für die von Menschenhand geschundene Kreatur, die unvorstellbare Qualen bspw. in der Tierindustrie, in Schlachthöllen, auf unbarmherzigen, langen Tiertransporten, in Versuchslaboren, in der Pelzindustrie und im Tierhandel tagtäglich, stündlich, minütlich erleiden müssen. Alle wissen, welche Abgründe gnadenlosen Tierleids in den letzten Monaten und Jahren durch Dokumentationen von NGOs und TV-Reportagen ans Licht kamen. Niemand mehr kann sich der Verantwortung entziehen, niemand kann mehr behaupten, er/sie hätte es nicht gewusst.

Viele Tierrechtler:innen/ Tierschützer:innen haben bereits frustriert und enttäuscht die Konsequenzen gezogen und sind aus der Kirche ausgetreten – andere stehen knapp davor. Der bereits oben zitierte Prof. Erich Grässer meinte zum unglaublich ignoranten Verhalten der christlichen Kirchen gegenüber dem Tierleid und den Tierschützer:innen: „Und so, wie die Kirchen im 19. Jahrhundert bei der sozialen Frage versagten, und die Arbeiter aus der Kirche heraus getrieben haben, so versagen sie heute im Tier- und Naturschutz und treiben die Tierschützer aus der Kirche heraus. Denn für Tierschutz hält sich die Kirche nicht für zuständig. Kirche sei für die Menschen da. Woher kommt diese Tiervergessenheit in der Kirche? Nun, es liegt daran, dass die Ethik, die theologische wie die philosophische, meint, sie habe es nur mit dem Verhalten des Menschen zum Menschen und zur Gesellschaft zu tun. Das von Albert Schweitzer gewählte Bild ist deutlich: “Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, dass die Türe zu ist, damit ja der Hund nicht herein komme und das getane Werk durch die Spuren seiner Pfoten entstelle, also wachen die europäischen Denker darüber, dass ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen.“

Wir gehen davon aus, dass die Vertreter:innen der Kirche, bzw. der Kirchengemeinden eigentlich wissen müssten, dass Tierschutz auch Menschenschutz ist: „Die Tiere sind unsere Brüder, die großen wie die kleinen. Erst in dieser Erkenntnis gelangen wir zum wahren Menschentum.“ (Albert Schweitzer)

Guido Gebauer studierte Psychologie an den Universitäten Trier und Berlin, promovierte an der Universität Cambridge. Er arbeitete 10 Jahre als psychologischer Gerichtsgutachter zur Begutachtung von Gewaltstraftätern. Er schreibt, dass Studien zeigen, dass Kinder schon im jungen Alter die Implikationen der Tötung von Tieren für den eigenen Konsum verstehen können. Manche Kinder leisten bereits früh Widerstand gegen die Objektifizierung leidensfähiger Wesen und den Konsum ihrer Körper: So zeigt eine Studie, dass Kinder bereits in jungen Jahren dazu in der Lage sind, das Wohlergehen der Tiere bei der Wahl ihrer Ernährung zu berücksichtigen, und zwar im Sinne einer moralischen Entscheidung. Gebauer stellt fest, „dass Mitgefühl und Mitleid gegenüber Tieren mit Mitgefühl und Mitleid gegenüber Menschen korreliert.“ Das bedeutet, dass diejenigen, die mehr Mitgefühl für Tiere erleben, im Durchschnitt auch mehr Mitgefühl für Menschen erleben. Befunde der Forschung weisen auf die Häufigkeit einer Korrelation von tierquälerischer Handlungsweisen im Kindesalter mit der Häufigkeit späterer gewalttätiger Handlungsweisen gegenüber Menschen hin. Manch einer mag einwenden, in diesen Studien gehe es um Tierquälerei und nicht um Schlachtung. Aber dieser Einwand verfehlt den Hauptaspekt, um den es geht: Die Generalisierung eines Verhaltens über die Artgrenzen vom Tier zum Menschen. Wie wir uns gegenüber Tieren verhalten, so mögen wir uns ebenfalls gegenüber Menschen verhalten. Was wir als Kinder lernen, mit Tieren zu tun, mögen wir später mit Menschen tun. (https://www.vegan.eu/walddoerfer-gymnasium-macht-schlachtung-eines-rindes-zum-schulprojekt/)

In der Bibelliteratur für Kinder werden die guten Beziehungen zwischen Gott und Mensch, Mensch und Tier gern hervorgehoben. Man weiß, dass Kindern das gefällt. Schaf und Taube, Wiedehopf und Esel werden als Erzähltiere verwendet. Tiere bilden eine selbstverständliche Brücke zwischen Bibelwelt und Lebenswelt (und das ist theologisch korrekt!). Dass viel mehr Mensch im Tier steckt, ahnten die Verfasser der Bibel schon damals. Es finden sich viele Stellen, in denen die Bibel wertschätzend von Tieren spricht, ihnen aktive Rollen zugesteht oder ihre Passivität respektiert. Es gibt Stellen, in denen Tiere als Bilder verwendet werden, dem Menschen zum Sinnbild oder Vorbild. Und es gibt Stellen, da zählen Tiere schlicht gar nichts – in Krieg, Zerstörung, Vernichtung – das sind die gleichen Stellen, an denen auch Menschenleben nichts zählen. Und schließlich gibt es Stellen, die durchscheinen lassen, dass es auch eine Geschichte Gottes mit den Tieren gibt, eine, in der der Mensch nicht vorkommt. Das wird deutlich, wenn Gottes schöpferisches und ordnendes Handeln erzählt wird (siehe bspw. Psalm 104 oder Hiob 38f). Da ist eine besondere Beziehung zu ahnen, an die der Mensch nicht rührt. Bspw. weiß die Bibel, dass Tiere die Gotteserkenntnis besitzen, was der kirchlichen anthropozentrischen Auffassung total widerspricht! Denn die Eselin des Bileam erkennt Gottes Engel, als sich dieser Engel dem Bileam in den Weg stellt. Bileam kann den Engel nicht sehen, darum erschlägt er seine Eselin fast, weil sie den Engel auf dem Weg sieht und Bileam nicht gehorcht, weiterzugehen.“ (4. Mose 22,21-41) In der Weihnachtsgeschichte sind Tiere Zeugen von Christi Geburt. Gott gibt gar die Tiere den Menschen zum Vorbild: Gott spricht: Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn – aber mein Volk hat keine Ahnung von mir (nach Jes. 1,3)! (Vgl. https://www.rpi-loccum.de/material/pelikan/pel4-19/4-19_Steinkuehler) Und Hiob, der alles verloren hat, wird geraten: „Frag doch die Tiere, sie werden‘s dich lehren…dass da ist ein Schöpfer in allem“. (Hiob 12)

Der seliggesprochene Kardinal John Henry Newman (1801-1890) setzte den Schmerz und das Leid unschuldiger Tiere mit dem Schmerz und dem Leid des unschuldigen Gotteslammes Jesus Christus gleich. In einer Predigt forderte Newman die Gläubigen auf, daran zu denken, was sie fühlen, wenn Tiere gequält werden: „Dann gewinnt ihr einen Zugang zu jenen Gefühlen, die auch die Geschichte von Jesu Kreuz und Leiden in Euch hervorrufen sollte.“ Er fuhr fort: „Es ist etwas Schreckliches und Satanisches, jene Lebewesen zu quälen, die uns niemals einen Schaden zugefügt haben und die sich nicht verteidigen können.“ Damit vertrat er eine moralische Gleichwertigkeit zwischen dem Leiden Christi und dem Leid der gequälten Tiere. (Remele, Kurt. Die Würde des Tieres ist unantastbar. topos. 2019. S. 137f)

Nebenbei: Offensichtlich ist Kardinal Newman ein Mensch gewesen, der – wie viele andere empathische Menschen auch – mit den gequälten, ausgebeuteten Tieren mit wehem Herzen zutiefst mitleidet. Auch für diese „mit-den-Tieren-leidenden“ Menschen, welche die sogenannten „Nutztiere“ nicht unter der wirtschaftlichen Perspektive als bloße Lebensmittel oder Sachen betrachten, sollte die Kirche da sein.

Eine äußerst interessante Interpretation des „Osterlammes“ findet sich bei Sathya Sai Baba, einem indischen Lehrer (1926 – 2011): „Ostern zu feiern und Lamm zu essen ist so, als feierte die Feuerwehr ihr Bestehen damit, dass sie ein Haus abbrennt, oder die Wasserwacht, indem sie ein Schiff versenkt. Löse deshalb die Vorstellung auf, Ostern mit dem Verzehr von Lamm- oder anderem Fleisch zu feiern. Es wäre ein Stich in Christi Herz. Bemühe dich vielmehr, an diesem Festtag ihm nachzustreben, und entwickle Achtung und tiefe Liebe allen Geschöpfen gegenüber. Dann ist Ostern wirklich ein Festtag, den es zu feiern lohnt.“

Müssen Tiere heutzutage denn noch für die Ernährung von Christenmenschen sterben? Es gibt wunderbar schmeckende Fleischalternativen und Lebensmittel, mit denen man Milchprodukte genussvoll ersetzen kann. Wie wäre es, wenn wir mal die Bibelworte herausstellen würden, in denen Gott dementsprechende Signale sendet: „Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch gegeben alles samenbringende Kraut, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an welchem samenbringende Baumfrucht ist: es soll euch zur Speise sein; und allem Getier der Erde und allem Gevögel des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, in welchem eine lebendige Seele ist, habe ich alles grüne Kraut zur Speise gegeben. (Genesis 1:29-31)

Hubertus Mynarek, deutscher Philosoph und Theologe war der Ansicht: „Echtes Christentum kann und muss ohne Fleisch auskommen. Denn wie kann man eine eigene Humanität, eine eigene Menschlichkeit, eine eigene Vervollkommnung ansteuern und realisieren, wenn man zugleich weiß, dass man unsere Brüder und Schwestern, die Tiere, tötet. Es ist unmöglich, eine höhere Spiritualität zu erreichen, wenn man Tiere schlachtet.“ Auch Mynarek hebt die tiefe, enge Beziehung von Mensch und Tier hervor, indem er sie, wie Franziskus als „unsere Brüder und Schwestern“ bezeichnet.

Kann man von Liebe und Barmherzigkeit in Kirchen predigen und all die Milliarden – dem Menschen ähnlich fühlende – Tiere ignorieren, die für unseren Genuss entsetzlich leiden und grausam sterben müssen? Dem Schriftsteller Jean Paul war dies unbegreiflich: „Gerechter Gott! Aus wieviel Marterstunden der Tiere lötet der Mensch eine einzige Festminute für seine Zunge zusammen!“

Viele Tierschützer:innen/ Tierrechtler:innen fühlen sich von den Kirchenvertreter:innen mit ihrem Wunsch, ihrer Bitte, dass das Leiden der Tiere endlich in den Kirchen, auf der Kanzel, in der Öffentlichkeit thematisiert wird und ans Licht gebracht wird, ignoriert.

Wir appellieren deshalb an Sie, dass Sie sich in Ihren respektablen Ämtern als Ratsvorsitzende und Ratsmitglieder der EKD Deutschland für die von Gott gewollten – aber vom Menschen grausam gequälten – Geschöpfe einsetzen, so wie es Albert Schweitzer formulierte: „Kirche muss Anwältin derer sein, die nicht für sich selbst sprechen können“: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind!“ (Sprüche 31,8)

Kurt Remele schreibt, dass die Ernährungsweise im Paradies ganz offensichtlich eine vegetarische, bzw. vegane ist.“ Natürlich leben wir nicht im Paradies, aber wir könnten doch die eschatologische Vision vom Schöpfungsfrieden in Jesaja 11 „bereits hier und jetzt durch den Verzicht auf das Töten von Tieren für Ernährungszwecke ein Stück weit Wirklichkeit werden lassen…“ (Remele, Kurt. Ebenda. S. 65) Und wie Guido Gebauer sagt, profitieren wir alle von diesem „kleinen Stück Himmel auf Erden“, denn: Wie wir uns gegenüber Tieren verhalten, so mögen wir uns ebenfalls gegenüber Menschen verhalten (s.o.).

Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass, falls es die eine göttliche, universale, alles überdauernde Liebe wirklich gibt, auch die Tiere – gleichwertig wie die Menschen – in diese göttliche Liebe einbezogen sind! Tiere sind keine gefühllosen Maschinen, keine Sachen, die Menschen nutzen und behandeln können, wie es ihnen passt!

Sagen Sie uns bitte, sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende Dr. h.c. Kurschus, sehr geehrte Damen und Herren Ratsmitglieder, gibt es für uns Tierschützer:innen/ Tierrechtler:innen nur noch die Lösung, die sich Hanns Dieter Hüsch in seinem Text „Gott ist aus der Kirche ausgetreten“ ausmalte?:

„….Viele Menschen (…) sagten: »Ist doch gar nicht möglich! Kirche ohne Gott? Gott ist doch die Kirche! Ist doch eigentlich gar nicht möglich! Gott ist doch die Liebe, und die Kirche ist die Macht, und es heißt: ,Die Macht der Liebe!´ Oder geht es nur noch um die Macht?!«
Andere sprachen: »Auch nicht schlecht, nicht schlecht; Kirche ohne Gott! Warum nicht, Kirche ohne Gott!? Ist doch gar nichts Neues, gar nichts Neues! Gott kann sowieso nichts machen. Heute läuft doch alles anders. Gott ist out, Gott ist out! War als Werbeträger nicht mehr zu gebrauchen.« Und: »Die Kirche hat zur rechten Zeit das Steuer rumgeworfen.« »Kirche ohne Gott!« das ist der Slogan.

Doch den größten Teil der Menschen sah man hin und her durch alle Kontinente ziehn, und die Menschen sagten: »Gott sei dank! Endlich ist er frei. Kommt, wir suchen ihn!« (http://tobiasfaix.de/2017/07/gott-ist-aus-der-kirche-ausgetreten/

Mit tierleidvollen – und doch hoffungsvollen – Grüßen,

für all die vielen Menschen, denen das unversehrte
und würdevolle Leben der Tiere aufrichtig am Herzen liegt

gez. Susanne Kirn-Egeler

(Mitglied in der Tierschutzpartei, der evangelischen Kirche und der „X Orga – vereint für Tierrechte“)