Offener Brief an Werberat zum Fall Chocjes von Katjes

DEUTSCHER WERBERAT
Am Weidendamm 1a
10117 Berlin

Appell an den Werberat – Die Verantwortung hat der Realität ins Auge zu schauen.
Wir erbitten eine Stellungnahme zu unserem Schreiben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das derzeitig auf allen Kanälen laufende Video der Firma Katjes und die aktuelle Diskussion zur Milchproduktion nehmen wir zum Anlass Sie anzuschreiben.

Diese Werbemaßnahme ist mehr als eine Werbemaßnahme, sie als Kunst zu bezeichnen.
Sie regt zur Diskussion und zum Nachdenken an. Sie hebt das Typische in der Werbung auf.
Statt der üblichen realitätsfremden Darstellung, die Werbung und Kaufabsatz dienlich, findet eine Aufklärung statt, die die Realität überspitzt darstellt. Die Werbebotschaft ist „fairer Umgang mit Tieren und Ehrlichkeit“. Ein Produzent, auf den sich der Verbraucher als Partner verlassen kann.

Ein neues Zeitalter ist angebrochen. Fake News werden bereits zunehmend von facebook & Co. be­kämpft. Beschönigungen und eine nicht-reale Welt sollten künftig Instagram & Co. überlassen wer­den. Werbung bedeutet auch Verantwortung und sie darf vor der Realität nicht die Augen verschlie­ßen. Über Jahre hinweg, viel zu lange schon, hat man sich an beschönigende Werbung gewöhnt und wird eingestimmt auf heile und positive Welt im Zusammenhang mit dem jeweiligen Produkt. Lei­der trifft heutzutage die von der Tierindustrie gezeigte Welt nur noch auf die allerwenigsten Betrie­be zu

Besonders unlogisch ist auch die Äußerung Ihrer Leiterin Katja Heintschel. Sie sagte, das Video suggeriere, dass […] jeder Milchkonsument Tiere ausbeute. Tiere gegen deren Willen zu halten, um aus ihnen Profit zu schlagen, ist per se Ausbeutung. Dies trifft auf alle agrarindustriellen Tierhalter zu, selbst auf die ganz wenigen, die ihre Tiere tatsächlich so halten wie auf der verbrauchertäu­schenden Werbung der Tierindustrie. Ihre Kritik und Wortwahl ist hier daher völlig unberechtigt.

Ihre Kritik, das Video suggeriere, „dass alle Molkereien ihre Tiere“ so hielten, ist ebenso Unsinn, denn das Video zeigt überhaupt nicht, wie nach Ansicht von katjes Bauern Kühe halten (Molkereien halten ohnehin keine Tiere, sondern verarbeiten nur die Milch, die die Kühe produziert haben und die ihnen von Bauern geliefert wird). Vielmehr wird lediglich die Massentierhaltung durch eine Vielzahl von im Gleichschritt marschierenden Kühen abstrahiert. Jedem Betrachter des Videos ist sofort völlig klar, dass es sich hier nicht um ein absolut realitätsnahes Abbild der Massentierhaltung handelt, sondern um eine Abstraktion.

Wir sind nun in ein Zeitalter eingetreten, wo Verantwortung einen klaren Blick auf die Realität be­deutet. Auch ihre Betrachtungsweise als Werberat zu Werbemaßnahmen gehört dazu. Sie ist unter die Berücksichtigung der Realität zu stellen. Denn je mehr verharmlost und beschönigt wird, ist die Wahrnehmung nur noch realitätsfremd und fördert dadurch zwar als Werbemaßnahme den Absatz, doch im Gegenzuge auch ein Fortsetzen und ein Weiterausreizen von Tierleid.

Kindern muss jetzt nicht im Fernsehen ein Massentierhaltungsstall mit allem Elend gezeigt werden, doch diese wunderbare heile Welt mit der Muhkuh, glücklich, auf der Wiese ist realitätsfremd und ist zu unterbinden. Denn viele Kinder glauben daraufhin, es gibt die Milch von glücklichen Kühen. Übrigens auch viele Erwachsene, die die Realität nicht kennen. Es ist eine Scheinwelt.
Kein Schnitzel kommt von einem schönen, fröhlichem, rosa Schweinchen. – Realistisch. Es ist eines der größten Verbrechen am Tier, was da die meisten konsumieren und auf den Tisch bekommen.
Absolut realitätsfremd. Trotzdem schreiten Sie bei derartiger Verbrauchertäuschung nicht ein. Statt­dessen kritisieren Sie einen Werbespot, der ohne jegliche Verbrauchertäuschung auf die Grausam­keit der Massentierhaltung aufmerksam macht. Können Sie das vertreten als Werberat?

Bitte unterstützen sie das nicht weiterhin! Es wäre eine endlos lange Liste von Firmen und Werbe­maßnahmen, die wir hier nennen könnten. Öffnen sie Ihre Augen und Sie werden unter diesen Ge­sichtspunkten so manche Werbung ganz anders bewerten! Wir werden, um Ihnen die Arbeit zu er­leichtern, Endkunden, die dahintergeschaut haben, auffordern Sie anzuschreiben und ihre Meinung zu diversen Werbemaßnahmen zu äußern.

Seien Sie realistisch und erkennen Sie das neue Zeitalter! Verantwortung fängt bei sich selber an.
Wir würden nun gerne von Ihnen wissen, ob es Ihrerseits in der Betrachtungs- und Bewertungswei­se eine Entwicklung gegeben hat bzw. in wieweit sich Ihre Kriterien dazu in den letzten Jahren ent­wickelt haben und wie es zukünftig sein wird.

Freundliche Grüße,

i. A. des Bundesvorstandes

Matthias Ebner
(Bundesvorsitzender)

Robert Gabel
(Bundesvorsitzender)