Johanna Wothke27. Bundesparteitag

04. April in Frankfurt a. Main

Konflikte gibt es in jeder Partei

Zweifellos war der 27. Bundesparteitag im April ein Parteitag, der von Konflikten geprägt war.

Immerhin begann er harmonisch mit der Verleihung der „MUT-Medaille“, die Frau Johanna Wothke (Vorsitzende von „pro animale e.V.“) erhielt. Nach der Laudatio des Bundesvorsitzenden berichtete Frau Wothke über ihre Arbeit, und man konnte nur staunen, wie es ihr – seit Jahren zusammen mit ihrer Tochter Natascha – gelingt, in den verschiedensten Ländern Tier-Asyle aufzubauen. Zu Recht wurde dieser hoch engagierten Tierschützerin viel Beifall gespendet.

Nach der Mittagspause ging es um die Aufarbeitung von problematischen Vorgängen im Zusammenhang mit der hessischen Kommunalwahl, und von Harmonie war nichts mehr zu spüren. In einer Powerpoint-Präsentation verdeutlichte der Bundesvorsitzende – stellvertretend für den Bundesvorstand – in Wort und analoger Bildfolge, dass seitens des damaligen Landesvorsitzenden Arndt und seines Stellvertreters Kölsch in vielfältiger Weise gegen Bestimmungen der Satzung und des Parteiengesetzes verstoßen wurde und es dadurch zu einem inakzeptablen Wählerbündnis unserer Partei und den für ihre rechtspopulistischen Äußerungen bekannten „Freien Wählern Frankfurt“ (FWF) gekommen war. Weder hatte eine Wahl von Kandidaten/innen nach den satzungsrechtlichen Bestimmungen stattgefunden noch waren alle Mitglieder des Landesvorstandes Hessen über das Wahlbündnis ausreichend informiert worden. Sie hatten somit im Vorfeld keine Möglichkeit, darüber zu befinden, ob die programmatischen Aussagen des „Bündnispartners“ dem Selbstverständnis unserer Partei entsprachen. Auch der Bundesvorstand wurde vom Landesverband Hessen nicht informiert.

Die „FWF“, die während der hessischen Kommunalwahl durch Presse, Internet-Meldungen und sogar Demonstrationen als rechtspopulistische Vereinigung ins Gerede gekommen waren, warben mit einem Plakat mit dem Slogan „Sarrazin in Frankfurt beherzigen!“, auf dem zu lesen war: „Freie Wähler Frankfurt im Bündnis mit…“ – danach folgte unser Logo. Nicht nur der Landesverband Hessen wurde also als Bündnispartner dargestellt, sondern gleich unsere gesamte Partei! Der Bundesvorstand war sich darüber einig, dass sich unsere Partei offiziell und ausdrücklich von besagtem Wahlbündnis distanzieren muss, da die – unserer Meinung nach fremdenfeindlichen – Aussagen im Integrationskonzept der „FWF“ in jeder Hinsicht dem demokratischen und ethischen Grundkonsens der Partei widersprechen.

Leider war vor dem Parteitag der Versuch einer Klärung über das Zustandekommen des Wahlbündnisses gescheitert. Herr Arndt und sein Stellvertreter Kölsch, der für die „FWF“ zusammen mit seiner Lebensgefährtin Rita Ridinger kandidierte, verweigerte jeglichen Dialog mit der Begründung, der Bundesvorstand sei nicht befugt, sich in Angelegenheit des Landesverbandes Hessen einzumischen. Zum Teil wurde mit diskreditierenden Äußerungen über einzelne Bundesvorstandsmitglieder reagiert. Die Hartnäckigkeit und die unzureichenden Auskünfte, mit denen sich Herr Arndt den Fragen entzog, führten dazu, dass dieser Fall auf dem Bundesparteitag behandelt wurde. Bedauerlicherweise erkannten nicht alle anwesenden Parteimitglieder die Tragweite der Problematik und es kam zu heftigen Diskussionen. Der Bundesvorstand sah sich am Ende der Debatte gezwungen, Volker Arndt von seinem Amt als Landesvorsitzender bis zur endgültigen Klärung, wer besagtes Bündnis geschlossen hatte, befristet zu suspendieren. Noch während des Bundesparteitages traten Herr Kölsch und Frau Ridinger aus der Partei aus; drei Tage danach folgte ihnen Volker Arndt. Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass Reinhard Kölsch besagtes Bündnis geschlossen hatte, und es ist vorauszusetzen, dass dies mit Wissen und Billigung seitens des ehemaligen Landesvorsitzenden Arndt geschah.

Obwohl Volker Arndt am 19. April ausgetreten war, schloss er im Namen der Partei Anfang Mai ein Fraktionsbündnis mit der Linkspartei und den „Freien Wählern“ im Kreistag Groß-Gerau und gab sich als Mitglied unserer Partei bei Presseerklärungen aus. Der Bundesvorstand unterrichtete sowohl den Kreistag Groß-Gerau als auch den Stadtrat Mörfelden über Arndts Parteiaustritt und die Hintergründe. Am 26. Mai konnte man dann in der hessischen Presse ein Statement von Volker Arndt lesen, in dem es hieß: „Der Bundesvorstand hat keine Ahnung von Politik.“ Dies sei auch einer der Gründe, warum er ausgestiegen sei.

Auch ein anderes Thema führte zu kontroversen Diskussionen. Hintergrund: Dem Bundesvorstand, den Bundesgeschäftsstellen und einigen Landesverbände sowie den neuen Mitgliedern seit 2008 liegt eine fehlerhafte Satzung aufgrund einer Verwechslung vor, da verschiedene Beschlüsse aus den Jahren 2006/07 nicht eingefügt wurden. In der Annahme, eine aktualisierte Satzung vorliegen zu haben, stellte der Bundesvorstand seinen Antrag bezüglich der Regelung über Delegiertenparteitage. Vor und während des Parteitages war es niemandem aufgefallen, auch den einzelnen Landesverbänden nicht, dass man von einer veralteten Satzung ausgegangen war, und der Antrag des Bundesvorstandes wurde angenommen. In der zweiten Mai-Woche stellte der LV Berlin einen Antrag an das Bundesschiedsgericht (BSG), den Parteitagsbeschluss zu § 8.7 anzufechten. Einerseits ist das BSG laut unserer Satzung nicht zuständig für derlei Entscheidungen, andererseits ist es selbstverständlich, dass der gefasste Beschluss null und nichtig ist, da der Antrag samt Begründung auf einer nicht aktuellen Satzung beruht und somit die korrekte Satzung zu diesem Punkt nicht aufgehoben wurde, sondern immer noch Gültigkeit hat.

Der Bundesparteitag endete, wie so oft, viel zu früh; man hätte gern noch über das eine oder andere Thema diskutiert und Kontakte zu neuen Parteimitgliedern geknüpft.

Die Partei hatte seit ihrem Bestehen mit etlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Leider waren viele auf Missverständnisse und Unwissenheit zurückzuführen. In der Vergangenheit wurden die meisten dieser Schwierigkeiten überwunden, weil am Ende immer die Vernunft die Oberhand behielt und das gemeinsame Ziel – unser Kampf für Mensch, Tier und Umwelt – ein konstruktives Miteinander trotz unterschiedlicher Sichtweisen ermöglichte.

Es bleibt zu hoffen, dass auch in Zukunft die Vernunft in unserer Partei die Oberhand behält und der nächste Bundesparteitag unter einem besseren Stern steht.

Stefan Bernhard Eck