Foto: Martina Szyszka

Im Blickpunkt Europas: Die Misshandlung der Galgos

Die am meisten misshandelte Hunderasse in einem unserer liebsten Urlaubsländer ist der Galgo Español, der spanische Windhund. Spanien ist nicht nur Sonne, Strand und Meer, Sangria, Ballermann und Flamenco, Spanien ist die Hölle auf Erden für jene, die keine Stimme haben, deren Todeskampf im Olé-Geschrei der Arenen verhöhnt wird, deren Kadaver in den stinkenden Perreras verrotten, die aufhängt an den Korkeichen elendig verrecken, nicht nur in Andalusien.

 

 

 

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Die Zahlen über die von ihren Besitzern verlassenen Tiere sprechen eine deutliche Sprache: 200 000 Tiere werden jährlich entsorgt, unter ihnen ca. 50 000 spanische Windhunde.

Die Wurzeln des Galgo Español liegen in der Antike, in jenen fernen Zeiten teilte der Galgo den Altar mit den bedeutendsten Gottheiten aus den Sternen oder anderer Planeten. Von den Kelten wurden die Wundhunde auf die iberische Halbinsel gebracht.

Lange Zeit war der Besitz der Galgos den Königen vorbehalten, die den liebenswerten Charakter und vorzüglichen Ruf der edlen Windhunde für sich in Anspruch nahmen. Für eine Zeit lang fühlten sich die Tiere in Begleitung ihrer Herren sicher. Im Verlauf des Mittelalters wurde der Galgo dann zum Speer, um die Gefräßigkeit der Adeligen und den Neid der „niedrigen“ Bauern zu sättigen.

Ursprünglich jagte man der Nahrung wegen, mit den Hetzhunden Hasen, doch mit Beginn der Sportveranstaltungen, den sogenannten „carreras en campo“, begann wohl auch die Misshandlung dieser Rasse. Galgos wurden Opfer ihrer Schnelligkeit und Intelligenz.

Die Jagd ist in Spanien ein Volkssport und der Erwerb der Lizenz zum Töten ein leichtes Spiel, ein „echter“ spanischer Mann verbringt seine Freizeit gerne mit der Jagd. Jagdhunde aller Rassen werden in großen Rudeln unter miserabelsten Bedingungen gehalten, viele fristen ein trauriges Dasein an der Kette oder in dunklen Verschlägen. Auch der edle spanische Windhund ist für die meisten Spanier ein reines Jagdinstrument zum Benutzen und Wegwerfen.

Verantwortlich für die Misshandlung der Galgos sind die schätzungsweise 170 000 Galgueros, Besitzer von ca. 490 000 Galgos. Laut Tierschützern werden Jahr für Jahr 50 000 Galgos auf unterschiedlichste grausame Art und Weise entsorgt. Spanien ist das einzige europäische Land, in dem es nicht unüblich ist, einen Galgo einfach an einem Baum zu erhängen – wohl die perfideste Art und Weise sich eines Tieres zu entledigen.

“Klavierspielen” wird diese traditionelle Art und Weise der Beseitigung eines Galgos genannt, da das verzweifelte Tier gerade noch mit seinen Pfotenspitzen den Boden berührend, versucht sich aus der Schlinge zu befreien. Die Spitzen der Hinterläufe schlagen dabei auf den Boden, so wie ein Klavierspieler die Tasten schlägt, spielt der zum Tod durch Erhängen verurteilte Galgo das Lied vom Tod.

Ein sadistisches Ritual, das in unserer Vorstellung eher in der Zeit der Inquisition zu verorten ist, als im 21.Jahrhundert einer hochentwickelten Industrienation der Europäischen Gemeinschaft. Wie lange will hier die internationale Gemeinschaft noch zusehen?

Es geht um sehr viel Geld – aufgrund der Galgos werden jährlich ca.1 Milliarde Euro umgesetzt und 27 000 Arbeitsplätze stehen im direkten Zusammenhang mit ihnen, die gesamte Jägerschaft bewegt jährlich 3 Milliarden Euro.

Ein richtig guter Galgo, der an Wettkämpfen teilnimmt, kann einen Wert bis zu 30 000 Euro erlangen, dementsprechend oft werden Galgos gestohlen. Manche Züchter halten ihre wertvollen Exemplare sogar in Bunkern.

Im Herbst 2008 gelang der Guardia Civil in der unter dem Namen “Harry” und “Clavijo” bekannten Operation, die zeitgleich in neunzehn Provinzen durchgeführt wurde, ein großer Schlag gegen die Galgomafia. Über 200 Hunde wurden befreit und unzählige Waffen beschlagnahmt, man hatte es mit absoluten Profis zu tun. Zwei der befreiten Galgos hatten je einen Wert von 18 000 Euro.

Die Hundemafia stand in Komplizenschaft mit Tierärzten: Mikrochips der gestohlenen Galgos wurden entfernt und durch neue Chips ersetzt und Pässe gefälscht. Über 300 Vergehen gegen das Eigentum, den Schutz der Tier- und Pflanzenwelt und dem unerlaubten Waffenbesitzt gingen auf das Konto der Banden.

Die Jagdsaison mit Galgos geht von Oktober bis Ende Januar, ihre Misshandlung ist jedoch das ganze Jahr über allgegenwärtig.

Noch im Oktober kämpfen die Galgos der letzten Saison, die zu scheu sind um von Tierschützern eingefangen zu werden, ums blanke Überleben, oder warten in einem Tierheim auf eine Adoption. Die ersten Galgos, die für diese Jagdsaison getestet und für untauglich befunden wurden, landen in einer der zahlreichen Tötungsstationen, die sich wie ein tödliches Netz über ganz Spanien spannen.

Richtig dramatisch wird die Situation Ende Januar, denn dann füllen sich die Perreras mit überwiegend jungen, bis zu 3 oder 4 Jahre alten Windhunden, weil kaum ein Galguero einen Sinn darin sieht, diese bis zur nächsten Saison durchzufüttern. Schließlich hat er ja schon mittels Zucht für genügend Nachschub für die kommende Saison gesorgt. Zu dieser Zeit beginnt für die Tierschützer der Wettlauf mit dem Tod, man versucht verzweifelt zu retten, was zu retten ist, aber längst nicht alle Galgos können vor der Tötung bewahrt werden.

Aber nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Galgos kann dank nationaler und internationaler Initiativen von Tierschützern gerettet werden.

Hinzu kommen noch die vielen ausgesetzten Tiere, die von einem Auto zerschmettert und diejenigen, die erschossen oder auf andere grausame Art und Weise beseitigt werden. Die Brunnen in Spanien sind tief, stille Gräber, die nur selten entdeckt werden. Es gibt regelrechte Galgofriedhöfe, wo die Dorfgemeinschaften ihre „unbrauchbar“ gewordenen Windhunde wie Müll entsorgen.

Spektakulär war ein Fall aus dem Jahre 2009 auf einer ehemaligen Müllhalde in Villatobas (Toledo): In einem nicht einmal 3 000 – Seelen Nest wurden die Skelette von ca. 100 Galgos gefunden. Der Friedhof des Grauens sorgte sogar bei Carmen Cervera, der Baronin Thyssen-Bornemisza, für blankes Entsetzen. Die Baronin von Thyssen sammelte 22 000 Unterschriften und übergab sie mit stockender Stimme und Tränen in den Augen der Regierung der Provinz, um für den Schutz der Galgos zu bitten. “Diese Leute haben kein Herz, was ist los mit diesen Leuten, was passiert auf der Welt…”, so die Baronin.

Passiert ist seitdem nichts, die Misshandlung und das Töten der Galgos nimmt kein Ende. Die Unterschriftenaktion der Baronin lief ins Leere. Nationale und internationale Proteste bleiben ungehört.

Der Galgo nach wie vor ausgesetzt, zur Tötung in einer Auffangstation abgegeben oder auf grausamste Weise getötet. Er fällt seiner Schnelligkeit und Intelligenz zum Opfer, denn die Unterhaltskosten von Hundemeuten sind inzwischen nicht mehr in allen Provinzen gratis, aber das unstillbare Verlangen nach jungen und unverdorbenen Hunden für die Jagd und das Windhundrennen, ist ungebrochen.

Jagdverbände haben ihre Mitglieder nicht im Griff und behaupten allzu gerne, dass „gitanos“ (abwertiger Ausdruck für Roma), die die Galgos gestohlen haben, für das Leid verantwortlich sind. Da nützen auch die ganzen Bestimmungen und guten Vorsätze einiger weniger Galgueros nichts, die Verlierer sind letztendlich immer die Galgos. Die Welt der Galgueros glänzt nur so vor lauter Scheinheiligkeit.

Es gibt keine Zuchtbeschränkungen, züchten kann jeder nach Lust und Laune, die Abgabe in einer Tötungsstation ist unkompliziert und vollkommen legal. Diese städtischen Auffanglager, subventioniert von den Gemeinden, sind zudem ein lukratives Geschäft für ihre Betreiber. Sie dienen denen, die ihre Hände nicht mit Blut beflecken wollen. Selbst in gut geführten städtischen Auffangstationen werden Hunden und Katzen eingeschläfert, so viele Tiere können weder vermittelt, noch am Leben gehalten werden.

Hinzu kommen die Perreras, von denen man weiß, dass es sich um nichts anderes als um Schlachthöfe für Hunde und Katzen handelt, da die Behörden weder kontrollieren noch über die Bedingungen wachen, unter denen die Tiere dort leben und sterben. Oft ist es Besuchern nicht erlaubt, auch nur einen Schritt in die Räumlichkeiten machen.

Es gibt ethisch vertretbare, effizientere Alternativen gegen die Massentötungen: Vorbeugen statt töten ist aber unerwünscht, die Gemeinden bevorzugen es, skrupellose Geschäftemacher zu bezahlen, anstatt das Problem der vielen verlassenen Tiere an der Wurzel zu packen.

Das Internet ist voll mit Bildern und Berichten über misshandelte und zu Tode gequälte Galgos. Viele der ausgesetzten Windhunde in Spanien werden von Tierfreunden anderer EU Ländern adoptiert, wie z.B. Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich. Bei der Umsetzung eines effektiven Tierschutzes findet man Spanien im europäischen Vergleich auf einem der hinteren Plätze.

Die Misshandlung der spanischen Windhunde gerät mehr und mehr in den Blick der breiten Öffentlichkeit – nicht nur in Spanien wird die Kritik immer größer, europaweit setzen sich zahlreiche Tierrechtsorganisationen für die Galgos ein und fordern ein Handeln der Politiker.

Am 4. Oktober 2011 haben mehrere Europaabgeordnete, unter ihnen der Präsident der Intergroup of Animal Welfare des Parlaments, Carl Schlyter, einen Brief an den spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero geschrieben, mit der Forderung, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um die Misshandlung dieser Hunde zu verhindern.

Die Europaabgeordneten äußerten ihre Besorgnis gegenüber “…der Grausamkeit die gegen die Galgos in Spanien verübt wird.” „Bürger, ebenso wie viele Organisationen, haben uns über viele Fälle von Misshandlung und deutlicher Grausamkeit berichtet. Die Galgos werden heftig geschlagen, verbrannt, mit Säure übergossen, in Brunnen geworfen, angebunden in Höhlen und dort zurückgelassen bis zu ihrem Tod, aufgehängt oder auf andere Weise gefoltert.”, so schrieben diese Abgeordneten an den spanischen Ministerpräsidenten.

Der Brief wurde von Schlyter und vier weiteren EU-Abgeordneten unterzeichnet: Nikolaos Chountis, Kartika Tamara Liotard, Sabine Wils und Raül Romeva.

Auch wenn die Abgeordneten in ihrem Brief die Verbesserung des Strafgesetzbuches Artikel 337 würdigen, gibt es nur eine sehr kleine Anzahl von Misshandlungsfällen, die vor Gericht verhandelt werden. Ebenfalls merken sie an, dass “…auch wenn kulturelle Traditionen respektiert werden sollten, können sie keine Entschuldigung für Verbrechen dieser Art sein.”

Am 9. Juni 2012 fand in Straßburg eine Demonstration gegen die Misshandlung der Galgos und Podencos, die ebenso unter den Grausamkeiten der Jäger zu leiden haben, statt. Anwesend waren 1 000 Demonstranten aus ganz Europa mit 600 Galgos und Podencos. Geändert hat sich seitdem rein gar nichts. Auch in diesem Jahr, am 8. Juni 2013, wird in Straßburg wieder eine Demonstration für den Schutz der Galgos stattfinden. Galgos Ethique Europe – GEE, ein internationaler Dachverband mit Sitz in Frankreich, mit dem die ehemalige Leiterin unseres Bundesarbeitskreises „Internationaler Tierschutz“ (Martina Szyszka) in engem Kontakt steht, erarbeitet gemeinsam mit der Europaabgeordneten Michèle Striffler eine schriftliche Erklärung. Wird diese angenommen, müssen die Politiker sich zumindest einmal mit dem Thema auseinandersetzen.

Wie heißt es da so schön in Artikel 13, Vertrag von Lissabon: “….Tiere sind fühlende Wesen. Das allgemeine Ziel ist, sicherzustellen, dass die Tiere keine vermeidbaren Schmerzen oder Leiden erdulden.”

Bestimmte Bereiche fallen jedoch in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, dazu gehören u.a. der Stierkampf und auch die Vorgehensweise im Zusammenhang mit streunenden Hunden und Katzen. Der Tierschutz in der EU betrachtet in erster Linie Tierschutz unter wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Aspekten, während das, was wir unter echtem Tierschutz verstehen, in der Rechtshoheit der Mitgliedsstaaten liegt.

Hier besteht dringender Handlungsbedarf für ein europäisches Tierschutzgesetz, das im Interesse der Tiere und nicht auf Basis wirtschaftlicher oder angeblich kultureller Gepflogenheiten der Mitgliedsstaaten erlassen wird. Tierschutz sollte – vergleichbar den Menschenrechten – als ethischer Standard und als gesetzlich bindende Verordnung in der Europäischen Gemeinschaft verankert werden. Wir arbeiten daran!