Foto (c) Arche 90 e.V.

Politische Aufarbeitung im Fall des „Horror-Schäfers“ aus Castrop

Über 500 Beschwerden, Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden

Kaum ein anderes Thema macht Tierschützer*innen in Dortmund und Umgebung momentan so wütend und fassungslos, wie das das Leid der vernachlässigten Schafe auf einer Weide in Deusen.

Diese wurden von ihrem Besitzer, mitsamt des neugeborenen Nachwuchses, bei zweistelligen Minusgraden ohne jede Versorgung ihrem Schicksal überlassen. Bereits im Frühjahr 2020 berichteten die ehrenamtlichen Tierschützer*innen der Arche 90 über erkrankte Tiere und erfrorene Lämmer an gleicher Stelle und haben seit diesem Zeitpunkt die Situation vor Ort stets im Blick behalten, ohne dabei zu ahnen, mit welcher Dramatik sich die Situation der Schafe in den letzten Wochen zuspitzen würde. Großes Tierleid, vor dem sich die Verantwortlichen des Dortmunder Veterinäramtes laut Meinung vieler Aktiver vor Ort gänzlich verschließen, weswegen die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) in Dortmund jetzt gemeinsam mit allen beteiligten Tierschutzorganisationen die politische Aufarbeitung des Falls voran treibt. So fordert die Ratsfraktion DIE LINKE+, zu der auch Michael Badura von der Tierschutzpartei gehört, im Ausschuss für öffentliche Ordnung endlich Antworten und Reaktionen vom Veterinäramt. „Das Veterinäramt ist auch für Tierschutz zuständig. Davon habe ich aber im Falle der toten Schafe und Lämmer bislang nichts mitbekommen“, kritisiert Michael Badura.

Die Ausgangslage

Die im Frühjahr 2020 bekannt gewordene Situation der Tiere des 74jährigen Schäfers auf Weiden in Deusen und Oestrich zieht sich dabei in einem kontinuierlichen Leidensweg auch über den Sommer, wo wiederholt Meldungen über den schlechten Gesundheitszustand der Tiere durch die Arche 90 e.V. an das Dortmunder Veterinäramt herangetragen wurden. Am ersten Februar-Wochenende kam es jedoch zu einem neuen traurigen Höhepunkt, so bekamen einige trächtige Schafe ihre Lämmer zu Beginn der Kältewelle ohne jede Versorgung mit Nahrung oder Stroh in tiefem Schnee. Der Schäfer übergab später den vor Ort anwesenden Aktiven von Arche 90 zwei halbtote Lämmer, übereinander gestapelt in einem Eimer. Durch großen Einsatz der Tierschützer*innen überlebten die beiden Tiere die Nacht. Die nächsten Trag brach über Dortmund der tiefste Winter ein und die etwa 50 Tiere große Herde stand ohne jeden Rückzugsort, teilweise in bis zu 40 Zentimeter hohem Schnee, bei Temperaturen im zweistelligen Minusbereich. Hier litten besonders die Lämmer Höllenqualen, da sie wenige Stunden oder Tage nach der Geburt noch nicht über ein ausreichend dichtes Fell verfügen.

Durch das Veterinäramt der Stadt Dortmund wurde der Schäfer angewiesen, die Mutterschafe samt sechs Lämmer in einen Stall zu verbringen. Da die Aktivitäten des Schäfers erst nach Einbruch der Dunkelheit stattfanden, wurde erst am nächsten Morgen deutlich, dass augenscheinlich nur die Lämmer eingesammelt und die Muttertiere mit vollen Eutern auf der Weide zurückgelassen wurden. Seitens des Veterinäramtes fanden vor Ort Gespräche mit dem Schäfer statt, ohne dass eine Versorgung der Tiere, die unter ihren geschwollenen Eutern litten, stattfand. Ein am gleichen Tag auf die Welt gekommenes Jungtier wurde mitsamt seiner Mutter wenig später vom Besitzer abtransportiert. Um die Situation der hungrigen Tiere vor Ort zu lindern, organisierte eine Nachbarin einen großen Heuballen.

Lämmer in Mülltonnen

Am vorletzten Wochenende führte der Anruf eines Informanten die Tierschützer*innen zu einer orangefarbenen Mülltonne auf einem frei zugänglichen Gelände in Dortmund-Oestrich, in der sich mehrere tote Lämmer und ein Mutterschaf befanden, weggeworfen wie Müll. Ob es sich dabei um die kurz zuvor vom Schäfer abgeholten Tiere handelt, kann aufgrund der optischen Ähnlichkeit zwar angenommen, aber nicht bewiesen werden.

Seitens der Arche 90 wurden daraufhin Polizei und Veterinäramt informiert mit dem Ziel der Beschlagnahmung und genauen Feststellung der Todesursache. Auch im Hinblick auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, da völlig unklar ist, ob die Tiere verhungert, erfroren oder getötet wurden oder gar noch lebten, als sie in der Mülltonne landeten. Durch das Veterinäramt fand im Anschluss eine Dokumentation der Vorfälle statt, jedoch wurde eine weitergehende Untersuchung nach Rücksprache mit der Amtsleitung abgelehnt und auch dem Tierschutzverein untersagt, die Tiere abzutransportieren und weiter zu untersuchen.

Politische Aufarbeitung

„Engagierte Tierschützer*innen wollten hier Schafe und ihren Nachwuchs vor dem Kälte-Tod bewahren, stattdessen besteht die Möglichkeit, dass Sie durch das Verhalten des Schäfers ein noch schlimmeres Schicksal erlitten haben“, so Angelika Remiszewski, Kreisvorsitzende der Tierschutzpartei, und ergänzt: „Die Rolle des Veterinäramtes muss hier dringend untersucht werden, denn es wurden dem Schäfer nur einige geringe Auflagen gemacht, deren Erfüllung in weiterer Folge in keiner Weise weiter kontrolliert wurde. Wir als Tierschutzpartei wünschen uns, dass das Veterinäramt seine gesetzlich vorgegebenen Aufgaben der Kontrolle des Tierschutzes in Dortmund endlich ernst nimmt!“

Im Zentrum der Kritik steht dabei Dr. Rüdiger Wurm als Leiter des Veterinäramtes der Stadt Dortmund, gegen den in den vergangenen Tagen bereits Dienstaufsichtsbeschwerden und sogar Strafanzeigen gestellt wurden. In der im März angesetzten Ausschuss-Sitzung sollen dann der aktuelle sowie vergangene Tierschutz-Vorfälle samt Verhalten des Amtes kritisch hinterfragt werden, um so hoffentlich weiteres Tierleid in Zukunft verhindern zu können.

Über die Online-Plattform AVAAZ läuft zudem aktuell eine Petition, dem Schäfer die Erlaubnis zur Tierhaltung zu entziehen, zum Zeitpunkt dieser Meldung wurde diese bereits von über 2.200 Menschen unterschrieben.

Link zur Petition:
https://secure.avaaz.org/community_petitions/de/veterinaeramt_dortmund_und_recklinghausen_tierhalteverbot_fuer_schaefer_hw_aus_castrop