Russisch-ukrainisches Spiel mit dem Feuer

Als vergangenen Sonntag drei ukrainische Marineschiffe auf dem Weg von Odessa nach Mariupol aus dem Schwarzen Meer in das Asowsche Meer wechseln wollten, wurden sie von Booten der russischen Küstenwache vor der Meerenge von Kertsch abgefangen. Die ukrainischen Schiffe wurden gerammt, beschossen und schließlich geentert. Die Schiffe selbst, sowie 23, teils verletzte ukrainische Matrosen, befinden sich nun in russischem Gewahrsam.

Ein Vertrag von 2003 sieht vor, dass der Zugang zum Asowschen Meer, und das Meer selbst, von der Ukraine sowie von Russland gleichberechtigt genutzt werden darf. Der Herrschaftswechsel auf der Krim jedoch machte aus der Meerenge bei Kertsch einen auf beiden Ufern von Russland kontrollierten Schifffahrtsweg. Die von Russland inzwischen fertiggestellte Brücke zur Verbindung des russischen Festlandes mit der Halbinsel erlaubt nur noch eine einzige Durchfahrtsstelle für die Schifffahrt. Die Ukraine wirft Russland vor, damit eine Seeblockade der Ukraine errichten zu wollen. Dazu wäre Russland problemlos im Stande, da die Ukraine der russischen Marine nichts entgegenzusetzen hat.

Dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko kommt der Zwischenfall allerdings sehr gelegen. Die anstehenden Wahlen Ende März 2018 wird er voraussichtlich verlieren. Die Furcht seiner Landsleute vor dem russischen Aggressor hat nun dazu geführt, dass das ukrainische Parlament der regionalen Verhängung des Kriegsrechts für einen Monat zugestimmt haben. Dies sendet ein falsches Signal, das von Russland missverstanden werden kann, auch wenn die Generalmobilmachung der ukrainischen Armee explizit ausgeschlossen wurde. Außerdem werfen Kritiker Poroschenko vor, trotz aller Beteuerungen, die Wahlen nicht zur Disposition stellen zu wollen, genau dies zu beabsichtigen.

Putin wird ebenfalls versuchen, innenpolitisch aus der Krise Profit zu schlagen. Seine Umfragewerte waren zuletzt wegen der unbeliebten Rentenreform stark gefallen. Die Gelegenheit, gegen eine vermeintliche Bedrohung von außen zu trommeln und russische militärische Stärke zu demonstrieren, kann er sich nicht entgehen lassen.

In der UN hatte Russland vor, in einer Sicherheitsrat-Sitzung die angebliche Verletzung russischer Hoheitsgewässer durch die ukrainischen Schiffe zu diskutieren. Darauf wurde aber nicht eingegangen und Russland vorgehalten, selbst seit 2014 wiederholt und massiv die Souveränität der Ukraine anzugreifen.

Der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, schätzt den Zwischenfall wegen des Einsatzes von Waffengewalt als ernst ein. Um weiteren Eskalationen vorzubeugen und die Freiheit der Schifffahrt sicherzustellen, will die NATO ihre erhöhte Präsenz im Schwarzen Meer aufrechterhalten und eng mit allen Anrainerstaaten kooperieren. Eine Stellungnahme der EU fordert Russland dazu auf, die freie Passage durch die Meerenge von Kertsch wiederherzustellen. Beide Parteien sollten sich zurückhalten und die Situation deeskalieren. Sowohl die NATO als auch die EU wiesen erneut darauf hin, dass die Annexion der Krim weiterhin nicht anerkannt werde und als illegitim zu verurteilen sei.

Die USA sehen durch das russische Vorgehen an der Meerenge von Kertsch internationales Recht gebrochen und verurteilen die Aktion als arrogant und inakzeptabel. Bundeskanzlerin Merkel verlangte von Russland, die festgesetzten ukrainischen Seeleute wieder frei zu lassen. Außerdem äußerte sie sich besorgt über die offene Konfrontation. Die Notwendigkeit der Wiederaufnahme des Dialogs sei offensichtlich.

Auch die Partei Mensch Umwelt Tierschutz ist aufgrund ihrer pazifistischen Grundhaltung für eine schnelle Beilegung des Konfliktes. Es gilt jetzt zu allererst, Ruhe zu bewahren und besonnen zu handeln. Der Ukraine sollte nahegelegt werden, angesichts der angespannten Lage in der Region auf die Verlegung von Marineeinheiten zu verzichten. Die russische Seite wird solche Unternehmungen nur als Provokation auffassen und wird entsprechend harsch reagieren. Eine Eskalation des Konfliktes ist damit vorprogrammiert. Russland sollte ermahnt werden, seine Handlungsoptionen im Sinne einer Deeskalation zu überdenken und sollte sich erkennbar um Verhältnismäßigkeit bemühen.

Der seit mehr als vier Jahren anhaltende Krieg ist mit diesem Vorfall wieder sichtbar geworden. Die Konfliktparteien müssen sich endlich auf eine langfristige Lösung verständigen. Ein erster Schritt und Beweis der Bereitschaft zu ehrlichen Verhandlungen muss der Abzug der Milizen und Soldaten aus der Ostukraine sein. Erst dann kann über den Status der Krim sowie die schrittweise Aufhebung der Sanktionen verhandelt werden.