Tierärztliche Hochschule erforscht wie es Tieren geht

Stellungnahme von unserer promovierten Biologin aus dem LV Niedersachsen

Am 10.02.2017 war in den HAZ zu lesen, dass unser Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt jetzt genau wissen möchte, wie man beurteilt, ob es unseren sog. Nutztieren gut geht. Für die Beantwortung dieser Frage beauftragte er die Tierärztliche Hochschule, der ein Förderbeleg i.H.v. 730.000 € übergeben wurde. Aus Sicht der Tierschutzpartei hätte diese Frage auch ohne großen personellen und finanziellen Aufwand beantwortet werden können, wie sich aus beigefügter Stellungnahme ergibt.

Naja, das ebenfalls von ihm beauftragte Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ ist ja auch schon 2 Jahre alt. Vielleicht hofft er, durch die Forschungen der TiHo belegen zu können, dass es unseren Tieren eigentlich gar nicht so schlecht geht.

TiHo erforscht wie es Tieren geht – für über 730 000 Euro

Wie beurteilt ein Tierarzt, ob es Tieren gut geht? Man begutachtet zum Beispiel Verletzungen an den Füßen, Liegestellen, Herz und Lunge. Diese Forschung an der TiHo wird Jahre dauern, kostet ein Vermögen und bringt letzten Endes: Nichts! Der gesunde Menschenverstand sagt uns folgendes: wenn man den ganzen Tag auf verletzten Füßen steht, dann bereitet das Schmerzen und man fühlt sich nicht wohl. Wenn man wochenlang in einen Kastenstand bzw. in einem metallenen Foltergerät, das denen im Mittelalter sehr ähnelt, eingezwängt wird, damit man nicht aus Versehen Ferkel erdrückt, dann bekommt man äußerlich sichtbare Liegestellen, von der psychischen Quälerei ganz zu schweigen und man fühlt sich nicht wohl. Hat ein glückliches Schwein ein Herz und eine Lunge, die sich von einem unglücklichen Schwein unterscheiden? – Was spielt das für eine Rolle? In dem Moment, in dem wir das herausfinden, ist das Schweineleben vorbei, die Organe liegen vor uns auf dem Tisch und die Antwort ist dem Tier jetzt furzegal.

Als promovierte Biologin möchte ich der TiHo die aufwendige Forschung ersparen und beantworte hier die Forschungsfrage: „Woran erkenne ich, ob es einem Tier gut geht?“ für ganz umsonst.

1. Das Schwein.

Ein Schwein fühlt sich wohl, wenn es ein artgerechtes Leben führen kann. Was heißt das? Ein Schwein führt ein glückliches Schweineleben, wenn es sich so verhält wie seine Artgenossen in freier Wildbahn, d.h. es lebt in einer Familie und streift durch Wälder und Wiesen, suhlt sich im Schlamm, geht vielleicht mal Schwimmen, erlebt die Jahreszeiten und ernährt sich von dem was es mit seiner Wühlscheibe an der Nase im Boden findet. Das ist ein glückliches Schweineleben.

Was ist kein glückliches Schweineleben?

Fotoquelle: Peta

Zum Beispiel: ein enger Stall mit Spaltboden, in dem es bestialisch stinkt und die empfindliche Nase, die sogar Trüffel im Erdboden riechen kann, zur Qual wird. Fühlt sich ein Schwein wohl, wenn

(1) es wochenlang im Kastenstand dahinsiecht? Nein.

(2) es miterleben muss, wie seine Ferkel totgeschlagen werden? Nein.

(3) die Ferkeljungen ohne Betäubung die Hoden rausgeschnitten bekommen? Nein.

(4) die Ringelschwänzchen abgeschnitten werden? Nein.

(5) es tagein, tagaus immer nur in der Produktionshalle mit künstlicher Belüftung steht, ohne je die Sonne oder Regen erleben zu dürfen? Nein.

(6) es in eine Gaskammer getrieben wird, wo es verzweifelt nach Luft schnappt, bis es ohnmächtig wird und ihm dann mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten wird? Nein.

2. Die Kuh.

Eine Kuh ist glücklich, wenn sie in einer Herde, mit ihrer Familie auf einer Wiese lebt. Ist eigentlich ganz einfach, oder?

Wann ist eine Kuh nicht glücklich?

Fotoquelle: Peta

(1) Wenn man ihr kurz nach der Geburt ihr Baby wegnimmt.

(2) Wenn ein Mensch den Arm in ihren Hintern steckt oder die Kuh sonst wie körperlich belästigt , z.B. um eine künstliche Befruchtung durchführen zu können.

(3) Wenn sie mit Metallketten im Stall angebunden ist und sie sich ihr Leben lang nur ein paar Meter bewegen kann.

(4) Wenn ihre Füße auf dem vollgekackten, stinkenden Spaltboden entzündet sind und jeder Schritt wehtut.

(5) Wenn ihr schmerzhaft ihre Hörner entfernt werden.

(6) Wenn ihr riesiger Euter und ihre gigantische Milchproduktion ihren Kreislauf so stark belasten, dass sie sich nicht mehr mit ihrem natürlichen Futter (Gras!) ausreichend ernähren kann und einige Kühe im Stall einfach tot umfallen.

(7) Wenn ihr ein Mann in einer engen Metallbox ein Gerät an den Kopf hält und einen Metallbolzen durch die Schädeldecke jagt, sie benommen umfällt, man die Kuh an einem Bein aufhängt und ihr dann den Hals aufschlitzt. – Ich war noch nicht live dabei, aber da fühlen sich die Tiere bestimmt nicht wohl!

3. Das Geflügel (wie Hühnchen oder Pute).

Wann ist denn ein Hühnchen glücklich? Wenn es mit seiner Familie durch die Gegend stakst und fröhlich nach Futter pickt, und ja, manch ein Huhn flattert vielleicht ein wenig oder schlummert vergnügt in der Sonne.

Wann ist ein Huhn nicht glücklich?

Fotoquelle: soylent.network.com

(1) Wenn es aus einem Ei schlüpft, von einem Mensch als Männchen aussortiert wird, auf einem Fließband landet und dann in einen riesigen Metall Schredder geschoben wird. Wer dort noch nicht zu Tode geschreddert wurde, stirbt entweder langsam an seinen schweren Verletzungen oder landet in einer Tonne, wo es erstickt oder das Küken wird kurzerhand mit einem Hammer totgeschlagen. Was für ein Tag für die männlichen Küken! Ob es denen dabei wohl gut geht?

(2) Wenn den verbleibenden Hühnern und Puten die Schnäbel abgeschnitten werden, damit sie sich in den vollgequetschten Ställen nicht gegenseitig massakrieren.

(3) Wenn die qualgezüchteten Tiere vor lauter Schmerzen über den Boden robben, weil sie weder Laufen noch Fliegen können.

(4) Wenn das Huhn in einem stinkenden, künstlich beleuchteten Stall vor sich hinsiecht bis irgendwann Männer in weißen Anzügen kommen, alle durch die Gegend scheuchen, in Boxen packen und dann in LKWs verfrachten, um sie zum Schlachter zu fahren.

(5) Hat sich Mel Gibson wohl gefühlt, als er sich in seinem Film im Badezimmer mit dem Fön in der Badewanne einen Elektroschock verpasst hat? Ob sich die Hühner und Puten wohl fühlen, wenn man sie an den Beinen aufhängt, durch einen Elektroschock-Bad zieht, um ihnen dann die Kehle durchzuschneiden? Wie ihre Herzen und Lungen wohl aussehen? Glücklich? Nein.

Die Antworten von mir gab‘s umsonst.

Für die Forschung an der TiHo müssen wir alle 730 000 € aus unseren Steuergeldern hinlegen. Warum ist das ein Problem? Das Problem liegt im System! Wir haben eine Agrarindustrie, die nur durch Tierquälerei und Massentierhaltung funktionieren kann.

Was ist eigentlich Massentierhaltung? Definieren wir den Begriff doch mal kurz: „Definition Massentierhaltung: dabei handelt es sich um eine Form der Tierproduktion, bei der das Tier nicht mehr als Lebewesen wahrgenommen wird, sondern wie eine Maschine behandelt und gehalten wird mit dem einzigen Ziel: der raschen Zunahme an Körpergewicht bei maximaler Kostenreduktion, d.h. Haltung von maximaler Tierzahl auf minimalstem Raum mit kostengünstigsten Futtermitteln.“

Wir haben ein Tierschutzgesetz in Deutschland und wer dieses Gesetz liest, bekommt den Eindruck, dass die Tiere hier in einem Paradies leben müssten. Sie tun es aber nicht und schon gar nicht die Nutztiere. Entweder stimmt etwas mit dem Gesetz nicht oder mit dessen Umsetzung. Wer ist für die Umsetzung bzw. Kontrolle des Tierschutzes zuständig? Die Tierärzte in den Veterinärämtern. Wenn die nicht erkennen können oder wollen, ob es einem Tier gut geht, dann sollten wir vielleicht eine kompetentere Stelle für den Tierschutz beauftragen, z.B. eine Tierschutzpolizei, in der z.B. Biologen arbeiten, die nicht mit der Massentierhaltung und dem Verkauf von Antibiotika indirekt an dem System mitverdienen. Wir sollten das bisherige Tierschutz-System in Deutschland überdenken und überarbeiten, denn das würde millionenfaches Leid ersparen und der Steuerzahler spart sich einen Haufen Geld, in erster Linie schon mal 730 000 €.

Dr. Sarah Fretzer
-Beisitzerin-
LV Niedersachsen
sarah-fretzer (at) tierschutzpartei.de