Tiertransporte: Schreiben an Landtags- und Bundestagsabgeordnete

Wusstet Ihr, dass Kälber bis zu einer Dauer von 18 Stunden transportiert werden dürfen?

So lassen es jedenfalls die derzeit gültigen Gesetze zu, deren Einhaltung auch nur unzureichend überwacht wird.

Wer sich für eine drastische Reduzierung und bessere Überwachung von Tiertransporten einsetzen möchte, informiert die Landtags- und Bundestagsabgeordneten (gern der regierenden Parteien) aus seinem Wahlkreis mit u.a. mit dem nachfolgenden Anschreiben. Noch besser wäre natürlich, Ihr sprecht mit „Euren“ Abgeordneten.

Die Namen der Abgeordneten findet Ihr auf den Seiten des jeweiligen Landtages für Niedersachsen z.B. hier: http://www.landtag-niedersachsen.de/abgeordnete_wahlkreise_18wp/ und für den Bundestag hier: https://www.bundestag.de/abgeordnete/ (Bundesland und Wahlkreis auswählen)

Nachfolgendes Anschreiben kopieren und per Mail versenden an MdL und MdB:

Tiertransporte

Sehr geehrte/r …

initiiert durch die Dokumentation „37° Geheimsache Tiertransporte“ haben viele Menschen und Verbände ihre Erschütterung und Ablehnung über Tiertransporte geäußert, so dass sich sogar der Bundestag in seiner Sitzung am 18.01.2018 mit dem Thema befasst hat. Auch hier wird in den Redebeiträgen u.a. auf die Reportage von Manfred Karremann verwiesen und Parlamentarier wie Karlheinz Busen (FDP) geben unumwunden zu, dass nicht gewusst wurde, wie alt das Thema bereits sei; diese Reportagen gäbe es schon seit 1990.

Es ist skandalös, dass die erheblichen Defizite bei der Überwachung und Umsetzung der vorhandenen Vorschriften nicht schon längst behoben wurden. Immer wieder gab es Hinweise von Tierschutzorganisationen, aber auch von offizieller Seite, auf von verschiedener Seite dokumentierte erhebliche Missstände. Beispielsweise ist im Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik (WBA) im März 2015 -welches sich eigentlich nicht mit Lebendtiertransporten auseinandersetzt- auf Seite 116 zu lesen, dass „auf Grundlage verschiedener wissenschaftlicher Berichte, z. B. der im Auftrag der EFSA erstellten, von einer Vielzahl von Tierschutzproblemen in allen Bereichen der Nutztierhaltung und Zucht sowie bei Transport und Schlachtung ausgegangen werden kann.“ Ähnlich dem Bereich der Haltung seien in Bezug auf Transport und Schlachtung aber auch erhebliche Defizite in der Überwachung und Umsetzung der vorhandenen Vorschriften festzustellen. Aber auch der „Kompetenzkreis Tierwohl“ des BMEL (http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Tier/Tierwohl/KompetenzkreisAbschlussbericht.pdf?__blob=publicationFile) weist auf erhebliche Defizite in der Umsetzung von Tierschutzvorschriften beim Tiertransport und deren mangelhafte Überwachung hin.

Um künftig dem Schutz von Tieren nachhaltig Rechnung zu tragen, möchten wir Sie bitten, folgende Maßnahmen zu initiieren bzw. zu unterstützen:

1. Sofortiges Verbot von Tiertransporten in Drittländer durch entsprechende Anweisung an die Amtsveterinäre

Grundsätzlich unterliegen alle in ein Drittland führenden Tiertransporte bis zum Verlassen der EU den gemeinschaftsrechtlichen bzw. nationalen Regelungen. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23. April 2015 (C-424/13) endet der im Unionsrecht vorgesehene Schutz von Tieren beim Transport jedoch nicht an den Außengrenzen der Union.
Durch jahrelange Recherchen wurde belegt, dass bei diesen langen Transporten das nicht lediglich wahrscheinliche, sondern das ernsthafte und realistische Risiko besteht, dass es im Drittland zu Verstößen gegen die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 zum Schutz von Tieren beim Transport (VO 1/2005) kommen wird und sich diese Möglichkeit nicht durch eine bloße Anordnung zur Änderung der Transportplanung hinreichend sicher ausschließen lässt. Die nach Art. 14 der VO 1/2005 durchzuführende Plausibilitätsprüfung kann aus vorgenannten Gründen und wegen der praktisch nicht möglichen Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben in Drittländern regelmäßig nur zu dem Ergebnis führen, Transporte in Drittländer nicht abzufertigen und damit zu untersagen.
(vgl. Regelungen der europäischen Tiertransportverordnung zu langen Tierbeförderungen im Licht des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 23. April 2015 (C-424/13); https://www.bundestag.de/blob/496330/973cfb390b728172c48f1f12db9005ce/wd-5-001-17-pdf-data.pdf)

2. Erhöhung der Kontrolldichte für Tiertransporte durch personelle Verstärkung und Schulung des vorhandenen Personals

Für die Überwachung der Einhaltung des geltenden Rechts und damit einhergehend die Durchführung der Kontrollen sind in Deutschland die jeweils zuständigen Behörden der Kreise zuständig, die je nach Bundesland der Fachaufsicht durch eine Mittelbehörde und der Dienstaufsicht durch den Landrat unterliegen. Hier sollte eine Aufstockung des vorhandenen und kompetenten Personals erfolgen. Zu Zwecken der Dokumentation und der Beweissicherung bei Verstößen gegen geltendes Recht sollte eine juristische Unterweisung der Amtsveterinäre regelmäßig erfolgen.

3. Verpflichtende Abfrage der der elektronischen Daten durch entsprechende Anweisung an die Landkreise

Im Rahmen der Abfertigung und Überwachung von langen Tiertransporten (über 8 Stunden) haben die zuständigen Behörden gem. Art. 14 der VO 1/2005 eine Plausibilitätsprüfung der vorgelegten Transportplanung (Fahrtenbuch) hinsichtlich der Einhaltung der bestehenden Regelungen vorzunehmen. Grundsatz hierbei ist die Absicherung der Anforderungen des Art. 3, wonach den Tieren während des gesamten Transportes keine Verletzungen und unnötige Leiden verursacht werden dürfen. Das amtliche Personal muss für die Abfertigung geschult sein, auch um die bei diesen Transporten verpflichtend erhobenen elektronischen Daten anzufordern und auszuwerten. Diese Daten werden erhoben zu Geopositionen und Temperaturen im Fahrzeug auf gemeinsamer Zeitachse sowie dem Zustand der Ladeöffnungen. Bisher wurden die Amtstierärzte nur in den Ländern Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Sachsen per Erlass angewiesen, den Zugang zu diesen Daten bereits bei der Abfertigung am Abgangsort anzufordern und abzusichern. Nur mit diesen Daten ist eine Plausibilitätskontrolle für spätere Transporte belastbar möglich und die Zuverlässigkeit der Transporteure festzustellen. Wir fordern Sie auf, für eine entsprechende Erlasslage in Ihrem Bundesland zu sorgen.

Bei internationalen Transporten ist in jedem Fall eine TRACES-Meldung erforderlich, die jedoch nur für die Behörden an den Ausgangs- und den Bestimmungsorten sichtbar sind. Deshalb ist die Plausibilitätskontrolle am Abgangsort so wichtig, um evtl. Auflagen zu erteilen (z.B. für eine Reduzierung der Ladedichte oder das tatsächliche Anfahren an Kontroll- und Ausruhstellen sicher zu stellen) oder sogar die Abfertigung zu versagen, wenn die Tierschutzbelange z. B. im Drittland vom Organisator nicht nachvollziehbar sichergestellt werden.

4. Verbot des Exports von Schlachttieren in Drittländer

Solange die Einhaltung und Überwachung des europäischen Tierschutzrechtes sowohl beim Transport als auch bei der Schlachtung dort nicht wirksam und nachvollziehbar sichergestellt ist, fordern wir ein grundsätzliches Verbot des Exportes von Schlachttieren in Drittstaaten. Unter dieses Verbot fallen auch sämtliche Exporte von Zuchttieren, wenn deren Verwendung z. B. für den Aufbau einer Milcherzeugung in diesem Drittland nicht nachvollziehbar nachgewiesen wird. Ein Erhalt dieser Zuchtpopulationen hat über z.B. künstliche Besamung zu erfolgen. Es ist deshalb zwingend erforderlich, dass in Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten, aber auch in Handelsabkommen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und Drittländern die Überwachung der rechtlichen Regelwerke und die Erfüllung von Anforderungen des Tierschutzes beim Transport lückenlos in die Vereinbarungen aufgenommen werden. Transporte auf dem Seeweg dürfen nicht mehr als „Neutralzeit“ gewertet werden. Hier sind jedoch auch die Wirtschaftsbeteiligten (Landwirtschaft, exportierende Zuchtverbände, Export- und Transportorganisationen etc.) gefordert, entsprechende Regelungen in ihre Verträge unter Einbezug von konkret zu benennenden Vertragsstrafen einzubeziehen. Beim Handel mit Tieren innerhalb der EU ist wirksam sicher zu stellen, dass kein Weitertransport aus dem aufnehmenden Mitgliedstaat in Drittstaaten erfolgt. Diese Regelungen und Vereinbarungen sind von den zuständigen Behörden des jeweiligen Bundeslandes zu überwachen.

5. Reduzierung der Transporte von Schlachttieren auf die Fahrt zum nächstgelegen Schlachthof

Tiertransporte sind grundsätzlich ein -tierschutzwidriger- Auswuchs des Systems der industrialisierten Nutztierhaltung, welche mit steigender Transparenz immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz verliert.

Von seiner Ermächtigung aus Art. 1 Abs. 3 der VO 1/2005 hat der Bundesgesetzgeber in der nationalen TierSchTrV für Transporte, die ausschließlich im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, Gebrauch gemacht und strengere, über die TTVO hinausgehende Regelungen erlassen. Ggf. könnte hier noch nachgebessert werden.

Schon ein normaler, nur kurze Zeit währender Transport stellt für die meisten Tiere eine große Belastung dar; die Tiere leiden. Als Stressoren wirken u.a. die Trennung von vertrauten Pflegern, Artgenossen und Stallumgebungen, die ungewohnten Belastungen beim Be- und Entladen, die Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeit und des natürlichen Erkundungs- und Ausruhverhaltens, die permanente Unterschreitung der arttypischen Individual- und Fluchtdistanzen, Rangauseinandersetzungen mit unbekannten Artgenossen während der Verladung und der Beförderung sowie die nicht artgerechten Fütterungs- und Tränkintervalle (vgl. BMEL Tierschutzbericht 2001, Seite 215).

Wussten Sie eigentlich, dass nicht entwöhnte Kälber, Lämmer und Zickel (d.h. Kälber im Alter von bis zu drei Monaten bzw. Lämmer im Alter von bis zu sechs Wochen) nach den geltenden Vorschriften erst nach einer Beförderungsdauer von neun Stunden mindestens eine Stunde lang getränkt (nicht zu verwechseln mit der Fütterung!) werden müssen? Und dass nach dieser „Ruhepause“, die eine tiergerechte Versorgung an Bord der Fahrzeuge nicht ermöglicht, die Beförderung für weitere 9 Stunden fortgesetzt werden kann? (vgl. Anhang I Kapitel V Nr. 1.4 VO 1/2005)

Aus meiner Sicht muss die auch in der Land- und Ernährungswirtschaft bestehende arbeitsteilige Wertschöpfungskette nicht zwingend mit einem Transport der „Ware Tier“ über mehrere Stunden und Ländergrenzen einhergehen. Soweit auch in Bereichen, in denen fühlende Lebewesen die Hauptrolle einnehmen, an dieser „arbeitsteiligen Wertschöpfungs-kette“, festgehalten werden soll, muss bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen auch das Staatsziel „Tierschutz“ Berücksichtigung finden. Welches, ebenfalls mit Verfassungsrang belegte Recht, legitimiert zu einer Transportzeit, die die Fahrt zum nächstgelegenen Schlachthof um Stunden, Tage und manchmal auch um Wochen überschreitet?

Mit freundlichen Grüßen