Verschwendung, Prunk und Luxus zulasten von Hunger, Krieg und Sklaverei

Plädoyer anlässlich des „internationalen Aktionstags der sozialen Gerechtigkeit“: für eine vernünftige und machbare Wirtschaftspolitik, die uns allen heute und morgen tatsächlich hilft

Warum regt sich niemand mehr darüber auf? Die sechs reichsten Einzelpersonen dieser Erde besitzen mehr als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, das reichste Prozent hat mehr Vermögen als die restlichen 99 Prozent, während zugleich jeder siebte Mensch jeden Tag ums pure Überleben kämpft, Kinderarbeit und moderne Sklaverei unseren Kaffee, unsere Schokolade, unsere Handys und Laptops zu den von uns gewohnten Preisen ermöglichen!

Und diese unerträglichen Ungerechtigkeiten gibt es nicht nur im globalen Vergleich, sondern auch innerhalb eines jeden Landes. Während die Superreichen Afrikas, Südamerikas und Asiens ihre Kinder an die Privatinternate und Eliteuniversitäten Europas und Nordamerikas schicken, gibt es in vielen Länder sehr hohe Analphabetismus- und Jugendarbeitslosigkeitsquoten von über 50 %! Täglich sterben allein rund 30.000 Kinder an Krankheiten, die in Deutschland behandelbar wären. Und der Amazon-Chef lässt sich derzeit eine 34 Millionen teure Uhr bauen, während in seinen Lagern Mitarbeiter auf Fürsorgeprogramme angewiesen sind, weil ihr Lohn zu niedrig ist.

Wenige werden reich, Milliarden leiden drunter: Krieg, Umweltzerstörung, moderne Sklaverei, Kinderarbeit

Oft ist zu hören, dass sich das nicht ändern ließe, weil die Ökonomie nun mal so sei oder weil die armen Menschen sogar selbst schuld daran seien. Doch stimmt das? Dafür lohnt sich ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte. Fangen wir bei der größten Ungerechtigkeit an, dem Zustand der Wirtschaft Afrikas: Es gibt Schätzungen, die die Wirtschaftsleistung pro Kopf Afrikas ohne die dunklen Jahrhunderte der Sklaverei berechnen. Sie kommen zum Ergebnis, dass der heutige ökonomische Unterschied zwischen Afrika und dem Rest der Welt 70 % geringer wäre. Und es gibt Analysen der Renditeergebnisse von Direktinvestitionen europäischer Unternehmen im unfassbar rohstoffreichen Afrika während der Jahrzehnte vor der Liberalisierung der Finanzmärkte und danach. Das Ergebnis: als man noch Aktien von Unternehmen kaufte, die mit Investitionen in der Realwirtschaft wuchsen, profitierten die afrikanischen Märkte im globalen Vergleich damals bedeutend stärker als heute.

Überhaupt sind die Liberalisierungsmaßnahmen der Arbeits- und Finanzmärkte, die insbesondere Ende der 70er und 80er Jahren vorangetrieben wurde, die größte Ursache für Ungerechtigkeiten. Die Lohnquoten begannen zu sinken, während zugleich die Megareichen stets reicher und reicher wurden. Während 1975 der Finanzsektor nur 8 % des globalen BIPs ausmachte, waren es 2007 160 % und 2018 nochmal deutlich mehr!

Wahlplakat 2017

Allein in Deutschland wurden zwischen 1991 und 2012 1500 Milliarden Euro von der Realwirtschaft weg in die Finanzmärkte transferiert. Über 90 % aller Geldtransaktionen sind derzeit reine Devisenspekulationen und der restliche Anteil dient ebenso kaum der Schaffung von Arbeitsplätzen und erst Recht nicht Zielen wie Umwelt-, Klima-, Tierschutz, Menschenrechten, Abrüstung, Bildung oder Gesundheit. Doch nicht genug damit: innerhalb des Finanzsektors gibt es eher ein Nullsummenspiel, da die Großanleger das gewinnen, was die Kleinanleger verlieren, insbesondere nach Finanzmarktkrisen.

Und wäre das nicht schon fatal genug, kommt hinzu, dass der Finanzsektor nicht nur gegen die Interessen einer gerechten, nachhaltigen Wirtschaft gerichtet ist, sondern zusätzlich auch noch gegen die Marktwirtschaft selbst. Denn Wachstum allein bei den wenigen Superreichen ist das Gegenteil eines freien Marktes. Und Wachstum zulasten der Menschen, der Umwelt und Ressourcen führt schlichtweg in eine tödliche Sackgasse für alle – auch für die derzeitigen Profiteure. Es muss uns allen doch klar sein, dass die Ausbeutung von Mensch und Natur nur Verlierer auf lange Sicht produziert: während Rüstungsexporte und die nachgewiesene Stützung diktatorischer Regime sowie die Abhängigmachung durch Verschuldungspolitik nur einige Wenige reich machen, aber unfassbar viel Zerstörung und Leid hervorbringen, müssen Menschen ihre fehlende Altersvorsorge durch viele Kinder ersetzen oder in andere Länder fliehen. Und das stärkt direkt rechtsradikale Abschottungspolitik, die wiederum ihr Heil in Aufrüstung und Hetze sehen. Diese Spirale der Gewalt gab es bereits in der Geschichte und sie könnte beim nächsten Mal, wenn sie globale Ausmaße annimmt, die letzte fatale ausweglose Falle der Menschheit sein, die unser Planet erlebt.

Es ist eine selffulfilling tragedy: wer arm ist durch Ausbeutung, Korruption und Kriege, hat keine Grundlage, der Armut zu entfliehen, wodurch diejenigen, die ihre zerstörerischen Machtakkumulationen mit den Marktgesetzen rechtfertigen, nicht etwa die Schwächen des Marktes erkennen, sondern im Gegenteil die „Richtigkeit“ des Marktes, was zur Rechtfertigung und Stärkung von Ausbeutung führt.

Bilanz der Politik unter Schröder und Merkel: auch in Deutschland werden die Superreichen immer reicher und akkumulieren somit Macht, während alle Anderen zwar auch teilweise auf Kosten der Entwicklungsländer leben, aber keinen solchen Vermögens- und Einkommenszuwachs aufweisen – der Reallohn sank im gleichen Zeitraum sogar!

Ein Teufelskreislauf der Ungerechtigkeit, der in den Abgrund führt. Wir als Partei Mensch Umwelt Tierschutz stehen hingegen für eine gerechte Politik, die die Probleme dort angeht, wo sie entstehen. Wir möchten keine Symptombekämpfung, die das Leiden, die Ungerechtigkeiten, die Kriegsgefahr lediglich vergrößern kann. Dafür gibt es auch Ansätze, die jeder für sich selbst leben kann und eigentlich ist dies auch die einzige Chance, die bleibt. Es wird keine Revolution geben, die uns retten kann – das hat die Geschichte gezeigt, denn sie brachten nur weitere Machtanhäufungen und weiteres Elend hervor.

Wir müssen bewusster leben und kritischer konsumieren, müssen verstehen, dass der Marktpreis nicht den Wert eines Produkts widerspiegelt, sondern vielmehr völlig blind gegenüber Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt ist. Wir müssen im Alltag unsere Handlungen und Haltungen überdenken, Fairtrade-Angebote nutzen, lieber was reparieren als neu kaufen, konkreten Menschen helfen, nachhaltige Landwirtschaft unterstützen, vegane Alternativen bekannter machen – und ja, auch eine gerechtere Wirtschaftspolitik einfordern. Die Schließung von Offshore-Steuerparadiesen und Briefkastenfirmen, in die allein die reichsten Konzerne rund 30 Billionen Dollar schleusten, die für Bildung, Umwelt, Hungerbekämpfung fehlen, ist eine vernünftige und auch machbare Politik.

Mit solchen gesetzlichen Maßnahmen oder auch minimalen Finanztransaktionsteuern könnten ganze Kontinente viele Jahre lang kostenlosen Schulbesuch für alle finanzieren. Ebenso machbar und vernünftig. Und dies ist nicht nur anlässlich des heutigen internationalen Aktionstags der sozialen Gerechtigkeit einen aufgeschriebenen Gedanken wert, sondern muss ein dringendes Anliegen aller persönlichen und gesellschaftlichen Vorhaben sein. Nur so können wir unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt übergeben.

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