Vortrag der Ärzte gegen Tierversuche in Krefeld

Größer als die Anzahl der im Restaurant Untervegs zur Verfügung stehenden Sitzgelegenheiten war das Interesse am Vortrag der Referentinnen des Vereins “Ärzte gegen Tierversuche”. Vom interessierten Tierrechtler bis zur Biologin nahm sich an diesem Sonntag, den 18. November 2017, ein vielschichtiges Publikum Zeit für das Thema Tierversuche.

Die drei Referentinnen erarbeiteten eine Standortbestimmung, warfen wichtige Fragen zu finanziellen Aspekten auf, klärten weiterhin über wichtige medizinische Zusammenhänge auf und gaben interessante und hoffnungsfrohe Ausblicke in die Zukunft.

Zu Genüge wurde schon in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass z.B. die im Jahr 2015 laut Statistik 2,75 Mill. “verbrauchten” Tiere nur die Spitze des Eisbergs sind. Denn nicht erfasst im Datenmaterial sind 6,8 Mill. “Vorratstiere”, 1 – 50 Mill. “Ausschlusstiere” z.B. mit der “falschen” Genmutation, die laut Gebrauchsanweisung unschädlich zu deaktivieren sind, sowie eine unbezifferte Anzahl Wirbelloser darin erfasst sind.

Mit ca. 60 % schneidet sich die sogenannte Grundlagenforschung das dickste Stück von der Torte der Torturen ab. Grundlagenforschung ist reine Neugierforschung, Anwendung auf den Menschen ist da nicht nötig. Wen wundert es, dass letztlich nur 0,024 % Humanrelevantes übrigbleibt.

Auch die “Genehmigungspflicht” stellt keinerlei Schutz für die Tiere dar. Wird er 42-seitige Antrag nur formgerecht ausgefüllt, reicht dies zur Genehmigung i.d.R. bereits in mehr als 99 % der Fälle aus. Die Prüfung, ob andere Methoden möglich wären, scheitert am Zeitmangel. Die Tierversuchskommission reduziert bestenfalls die Anzahl der einzusetzenden Tieren oder ertrotzt für die gequälte Kreatur etwas Schmerzmittel.

Wenn alle Ethik & Moral nichts erreichen kann, bleibt das Argument von Geld und Kosten. Denn der Steuerzahlende sollte wissen, dass es sein Geld ist, mit dem dieses Unwesen getrieben wird. So z.B. baut die Ludwig-Maximilians-Universität für 125 Mio. € in München einen neuen Laborkomplex. Allein der dortige Mäuseeinkauf beläuft sich auf ca. 1,9 Mrd. €/ Jahr. Da, wie zuvor erwähnt, Millionen Ausschlusstiere anfallen, der die gewünschte Genmutation fehlt, kostet eine Maus mit dem “richtigen” Gendefekt auch gerne mal mehr als 2000 €.

Allgemein bekannt auch die Liste der aufzuzählenden Gründe,warum bei Tierversuchen die Übertragbarkeit auf den Menschen oftmals fehlt. Angefangen von den biologischen Unterschieden von Körperbau, Stoffwechsel, Verhalten und kognitiver Verarbeitung, bis hin, dass Symptome bei Tieren künstlich erzeugt werden, ohne auch nur im Entferntesten ursächlich Ähnlichkeit aufzuweisen. Das Tiermodel für die aktuelle Todesursache Nummer 1 beim Menschen, Schlaganfall und Herzinfarkt, wird z.B. bei Hunden durch Zubinden gesunder Arterien erzeugt. An Krebs erkranken die Tiere lediglich, weil ihnen die Krebszellen per Injektion verabreicht werden. Dass Tiere per Elektroschocks zu geeigneten Modellen für die Depressionsforschung werden können, widerspricht schon dem gesunden Menschenverstand.

Aus 10.000 potentiellen Substanzen, die im Laufe von 12 – 15 Jahren präklinisch in Tierversuchen und in verschiedenen klinischen Phasen an Menschen erprobt werden, erwächst statistisch ein marktreifes Medikament.

So sieht weder effektive noch innovative Forschung aus. Zellkultur, PC-Modelle, sowie bildgebende Verfahren sind bekannt. Bereits 2012 bekamen John Gurdon und Shin’ya Yamanaka für die Entdeckung, dass reife Zellen so umprogrammiert werden können, dass sie zu pluripotenten Stammzellen werden, den Nobelpreis. (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Nobelpreistr%C3%A4ger_f%C3%Bcr_Physiologie_oder_Medizin)

Inzwischen gibt es 3D-Zellkulturen, sogenannte Organoide aus menschlichen Zellen. Organfunktionssysteme im Maßstab 1:100.000 sind als 2er oder 4er Organsysteme verfügbar z.B. als Haut & Leber und als Leber & Darm. Beispielsweise lassen sich hieran die Aufnahme und Verstoffwechselung von verschiedenen Cortisonen humanspezifisch untersuchen. Bereits heute sind 10er Organsysteme als “Human-on-a-Chip” verfügbar, die über 28 Tage Stoffwechseldaten liefern.

Zuletzt sei in Erinnerung gerufen, dass Fördergelder zu über 99 % in Tierversuche und lediglich zu 0,1 % in tierversuchsfreie Methoden fließen. Zudem soll die Tauglichkeit moderner Verfahren sich am Tierversuch messen lassen, obwohl diese selbst ohne wissenschaftliche Belege dastehen.

Gemäß einer EU-Vorlage ist der Tierversuch abzuschaffen. Lichtstreif am Horizont ist aktuell ein europäischer Zusammenschluss von Wissenschaft und Politik der Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien und Deutschland.

Orchid (Organ-on-Chip-in Development) nennt sich dieser Zusammenschluss, auf den Millionen Tiere und wir hoffen dürfen. Und der Wandel wird kommen. Nicht weil es ethisch und moralisch falsch ist, Tiere zu benutzen, auch nicht, weil die Wissenschaft die Unwissenschaftlichkeit mit ihren Tiermodellen zugeben wird. Sondern schlicht, weil in Zukunft die Organchipmodelle preiswerter herzustellen sein werden. Setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass diese sinnvolle, humanrelevante Forschung den Durchbruch endlich schaffen möge!

Dr. Heidi Stümges

Sinn und Unsinn von Tierversuchen

Seit Bekanntwerden von Tierversuchen und Menschenversuchen im Auftrag der Autoindustrie wird wieder laut über dieses umstrittene Thema diskutiert. Lesen Sie hier im Deutschlandfunk vom Sinn und Unsinn von Tierversuchen.