Sophie Lund Rasmussen mit Igel (Credits: Pia-Burmoller Hansen)

Was kann die Politik tun, um die Igel zu retten?

Am 28. Oktober 2024 haben wir Geschichte geschrieben: Der Europäische Igel (Erinaceus europaeus) hat auf der Roten Liste bedrohter Arten der IUCN in Europa seinen Status von „nicht gefährdet“ auf „potenziell gefährdet“ geändert. Ich war einer der beiden Igelexperten, die den Erhaltungszustand des Europäischen Igels beurteilt haben, und ich habe dieser Statusänderung schon sehr lange entgegengefiebert.

English version below
Von Dr. Sophie Lund Rasmussen,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei WildCRU und Linacre College, Universität Oxford
Ehrenprofessorin an der Universität Aalborg
www.drhedgehog.org

Dokumentationen aus mehreren europäischen Ländern zeigen die gleichen Tendenzen: Die Spezies ist dramatisch rückläufig. Das ist in der Tat eine traurige und besorgniserregende Situation. Eine so geschätzte und beliebte Art wird durch unser eigenes Handeln aus der Natur ausgelöscht. Wie konnten wir es so weit kommen lassen? Menschliches Handeln verursacht diesen Rückgang!

Die lang erwartete IUCN-Statusänderung ist natürlich entmutigend, aber gleichzeitig auch sehr wichtig, denn damit haben wir endlich die Möglichkeit, zum politischen Handeln aufzurufen!

Aber was kann in der Politik getan werden, um den vom Aussterben bedrohten europäischen Igel zu retten? Hier sind meine Vorschläge:

  • Wir brauchen einen verbesserten Rechtsrahmen zum Schutz des europäischen Igels. Dies könnte ein spezieller Aktionsplan für den europäischen Igel im Rahmen der Habitatrichtlinie sein.
  • Wir sollten eine Vielzahl verschiedener Interessenvertreter:innen und Expert:innen zusammenbringen, um eine europäische Schutzstrategie für den europäischen Igel zu entwickeln, in der die vorrangigen Schwerpunktbereiche für den Igelschutz beschrieben werden.

Die Situation ist, dass eine Vielzahl anthropogener, vom Menschen verursachter Faktoren den Rückgang der europäischen Igelpopulationen in ganz Europa verursachen.

  • Wir müssen diese Faktoren durch Forschung identifizieren und dokumentieren, um Schutzinitiativen gezielter und optimierter zu gestalten. Politiker sollten daher EU-Mittel für ein spezielles Forschungsprogramm zum Schutz von Igeln bereitstellen.
  • Darüber hinaus sind mehr nationale oder vorzugsweise zentralisierte EU-Kampagnen zur Überwachung der Populationstrends und zur Dokumentation des Rückgangs unerlässlich.

Solche Programme gibt es in einigen europäischen Ländern, wie etwa in Dänemark und Großbritannien, mit Danmarks Pindsvin und dem National Hedgehog Monitoring Programme. In mehreren Ländern fehlen diese Kampagnen jedoch, was zu erheblichen Wissenslücken hinsichtlich des nationalen Schutzstatus der Igel führt.

  • Es ist notwendig, noch mehr Schutzkampagnen wie Hedgehog Street und Danmarks Pindsvin ins Leben zu rufen, die die Bürger:innen dazu inspirieren, beim Schutz der Igel zu helfen, indem sie igelfreundliche und für Igel zugängliche Gärten anlegen und so das Risiko von Gartenverletzungen verringern. Die Gärten sollten voller Artenvielfalt sein, die den Igeln natürliche Nahrungsquellen wie Würmer, Schnecken und Insekten sichert.

Ich hoffe, dass die Politiker:innen eine von der EU geleitete zentralisierte Igelschutzkampagne unterstützen, um sicherzustellen, dass sie die Bürger:innen aller Mitgliedsstaaten erreicht, unabhängig von den Ressourcen und Prioritäten in den einzelnen Ländern, denn derzeit gibt es nur in wenigen Mitgliedsstaaten derart wichtige Kampagnen.

Igelpfleger:innen in ganz Europa leisten erstaunliche und wichtige Arbeit bei der Rettung verletzter, kranker und verwaister Igel. Aber sie tun das oft auf freiwilliger Basis und ohne staatliche Förderung.

  • Deshalb halte ich es für äußerst wichtig, dass die Igelrettungsorganisationen finanzielle Unterstützung und Weiterbildung durch spezielle Konferenzen erhalten, um die Vernetzung unter Igelexperten zu erleichtern und bewährte Verfahren zu inspirieren.

Nur wenige Igelpfleger:innen können sich die Teilnahme an internationalen Konferenzen leisten, weshalb ich hart daran arbeite, Spenden zu sammeln, um die Teilnahmekosten zu senken, damit alle Teil des Netzwerks werden können.

Darüber hinaus bereiten meine Kolleg:innen und ich die Einführung eines Datenbanksystems vor, das kostenlos genutzt werden kann und als tägliches, digitales medizinisches Tagebuchsystem für die Igelpfleger:innen dient und gleichzeitig wichtige Daten über die Igel sammelt, die in der Forschung zur Optimierung der Schutzbemühungen zur Rettung dieser Art in freier Wildbahn verwendet werden sollen.

Aber wie können wir sicherstellen, dass das System in alle relevanten Sprachen übersetzt und auch in der Zukunft abgesichert ist, wenn es uns nicht gelingt, die erforderlichen Mittel zu beschaffen?

  • Um die bestmögliche Behandlung der Igel in Pflege zu gewährleisten, plädiere ich auch für zentralisierte rechtliche und praktische Rahmenbedingungen für die Igelrehabilitierung in der EU. Ich fordere die Politiker daher auf, für diese wichtigen Zwecke Mittel bereitzustellen und rechtliche Rahmenbedingungen für die Rehabilitation von Igeln zu schaffen.

Der Verlust des natürlichen Lebensraums ist eine der Hauptursachen für den Rückgang der Igelpopulation.

  • Daher sind die Wiederauswilderung und Wiederherstellung der Natur ebenso wichtig wie die Schaffung städtischer Grünflächen und Ausbreitungskorridore, die geeignete Lebensräume für die Igel in der fragmentierten Landschaft, die wir heute haben, miteinander verbinden. Dies muss in der Politik eine höhere Priorität erhalten.

Bei Igeln handelt es sich um eine beliebte und charmante Vorzeigeart, die als Botschafter der Natur fungiert. Es sei aber daran erinnert, dass eine EU-Initiative zum Schutz von Igeln  zweifellos auch der Natur im Allgemeinen und allen weniger ikonischen Arten zugutekommen wird!

English original text:
What can politics do to save the hedgehogs?
By Dr Sophie Lund Rasmussen,
Research Fellow at WildCRU and Linacre College, University of Oxford
Honorary Associate Professor at Aalborg University
www.drhedgehog.org
On the 28th of October 2024 we wrote history: The European hedgehog (Erinaceus europaeus) changed status from “Least Concern” to “Near Threatened” on the European IUCN Red List of Threatened Species. I was one of the two hedgehog experts assessing the conservation status of the European hedgehog, and I have been looking forward to this status change for a very long time.
Documentation from several European countries shows the same discouraging tendencies: the species is in drastic decline. This is indeed a sad and worrying situation, because how could we let it get so far? A species so appreciated and popular is being eliminated from nature by our own actions. Human actions are causing this decline!
The long-awaited status change is of course disheartening, but at the same time also very important, because finally, with this documentation, we have the opportunity to launch a serious call to action, politically!
But what can be done politically to help save the declining European hedgehog? Here are my suggestions:
We need an improved legal framework for the protection of the European hedgehog. This could be a dedicated Action Plan for the European hedgehog under The Habitats Directive.
We should gather a wide range of different stakeholders and experts to produce a European conservation strategy for the European hedgehog describing priority focus areas for hedgehog conservation.
The situation is that a vast range of anthropogenic, humanmade, factors are causing the decline in the populations of European hedgehogs all over Europe. We need to identify and document these factors through research to target and optimise conservation initiatives. Politicians should therefore secure allocated EU funds for a dedicated hedgehog conservation research programme.
Furthermore, more national, or preferably centralised EU campaigns to monitor the population trends of the species and document the decline, are essential. Such programmes exist in some European countries, such as in Denmark and the UK, with Danmarks Pindsvin and The National Hedgehog Monitoring Programme. However, several countries lack these campaigns, causing a substantial knowledge gap on the national conservation statuses of the hedgehogs.
It is necessary to establish even more conservation campaigns like Hedgehog Street and Danmarks Pindsvin inspiring citizens to help save the hedgehogs by creating hedgehog friendly and hedgehog accessible gardens, reducing the risk of garden injuries. The gardens should be full of biodiversity which secures natural food items such as worms, slugs, snails and insects for the hedgehogs. It is my hope that the politicians would facilitate an EU-led centralised hedgehog conservation campaign to ensure that it will reach citizens from all member states, regardless of resources and priorities in the specific countries, because currently, only a few member states have such imperative campaigns.
Hedgehog rehabilitators all over Europe do an amazing and important job rescuing injured, sick and orphaned hedgehogs. But they often do that on a voluntary basis with lack of governmental funding. This is why I find it of upmost importance that the hedgehog rescues gain financial support and continuing education through devoted conferences to facilitate networking among hedgehog professionals and inspire best practice. However, few of the hedgehog rehabilitators can afford to attend international conferences, which is why I work hard to secure donations to reduce or even eliminate the costs of participating, allowing everybody to become part of the network. Additionally, my colleagues and I are preparing the launch of a database system which is free to use and functions as a daily, digital record-keeping medical journal system for the hedgehog carers, which at the same time, gathers important data on the hedgehogs to be used in research for the optimisation of conservation efforts to save this species in the wild. But how can we make sure the system is translated into all relevant languages and is safeguarded in the future, if we do not manage to attract the necessary funding? To ensure the best possible treatment for the hedgehogs in care, I also encourage EU-centralised legal and practical frameworks for hedgehog rehabilitation. I therefore call for politicians to secure allocated funds for these important purposes and to facilitate legal frameworks for hedgehog rehabilitation.
Loss of natural habitat is a major driver of hedgehog decline. Therefore, rewilding and restoration of nature is essential, alongside urban greenspaces and dispersal corridors linking suitable habitats for the hedgehogs in the fragmented landscape we have today. Naturally, this should be an even higher priority in politics.
Lastly, it is worth considering that an EU conservation initiative for hedgehogs, with the hedgehog being such a popular and charming nature ambassador flagship species, will undoubtedly benefit nature in general, including all the less iconic species.