Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0) - Urheber: Stefan Müller (climate stuff, 2 Mio views) - https://www.flickr.com/photos/stefan-mueller-climate/

Wir sind die letzte Generation…

…die noch ausreichend Maßnahmen umsetzen kann, um die Kipp-Punkte des Erdklimas zu verhindern. Denn wenn diese Kipp-Punkte durch stetige Erwärmung des globalen Klimas eintreten, setzen sich Kettenreaktionen in Gang, die das Leben, wie wir es bislang kennen, unmöglich machen. Und auf dem Weg dorthin wird es zu immer mehr Wetterextremen kommen, die Menschen- und Tierleben fordern und viele Billionen Euros Schaden verursachen.

Die Aktivist:innen der „Letzten Generation“ haben sich daher Gedanken gemacht, wie sie ihre Forderungen und Argumente in das öffentliche Bewusstsein rücken können. Denn jeden Tag gibt es allein in Berlin zig Demonstrationen und fast nie schafft es eine von ihnen in die Medien. Die „Letzte Generation“ aber kann man nicht ignorieren. Sie werden in die Talkshows eingeladen, sind täglicher Gesprächsstoff.

Und keine Debatte kommt ohne die Sichtweise der Aktivist:innen aus. Denn es ist unmöglich, sich über Autobahnstaus und beschmierte Glaswände vor Gemälden zu empören, ohne zu erwähnen, wie man zu den eigentlichen Forderungen steht. Meist erfolgt es in der Form, dass die Aktionen die Akzeptanz für klimapolitische Forderungen verringern oder Gemälde doch gar keinen Bezug zum Klima haben würden oder es sich (im Gegensatz zu den Politiker:innen und Manager:innen der Fossilindustrie) um gefährliche Kriminelle handele.

Und schon kann die inhaltliche Debatte beginnen. Die üblichen Sprüche können versiert und höflich ad absurdum geführt werden und die Empörten stehen in aller Regel ordentlich dekonstruiert da. Denn wie will man ohne (unfreiwillige) Anerkennung der Dringlichkeit von Klimaschutz die Relation zwischen protestbedingtem Autobahnstau und Anti-ÖPNV-Politik-bedingtem Autobahnstau thematisieren?

Klimaschutz ist spätestens seit Greta Thunberg Dauerthema in allen Medien und insbesondere in den virtuellen Stammtischgesprächen. Aber erst die „Letzte Generation“ bringt nicht nur Forderungen in die Öffentlichkeit, sondern bringt die Leute dazu, sich selbst in krasse Widersprüche zu verwickeln und sich damit selbst zu entblößen. Das führt nicht dazu, dass die Stammtische und Boulevardpresseblätter  direkt umdenken, aber es kehrt die ganze Debatte schleichend um: sie glauben, sie würden die Klimaaktivist:innen dazu bringen, sich für ihre Taten zu rechtfertigen, aber sie geraten ohne es mitzubekommen lediglich selbst in Rechtfertigungsnot.

Wie auch immer man die Forderungen oder die Aktionen selbst bewerten möchte: Man kommt nicht umhin, zuzugeben, dass die „Letzte Generation“ die wohl geschickteste Polit-PR-Strategie seit Jahrzehnten erschaffen hat. In anderen Ländern gibt es vergleichbare Gruppierungen mit anderen Namen und die globale Aufmerksamkeit verliert sich nicht mehr in allgemeinen Forderungen an die Politik, sondern die Politik wird selbst ungewollt zum Teil der Protest-Performance.

Natürlich hat auch diese Protestform der „Letzten Generation“ ihre Haken und Risiken. Von den dutzenden Staus jeden Tag allein in Berlin wird nie in den Medien berichtet und wenn in einem gewöhnlichen Stau ein Krankenwagen steckenbleibt, was ebenfalls seit vielen Jahren täglich passiert, ist es keine News wert. Aber wenn die „Letzte Generation“ schuld ist, kann die PR-Strategie zum Bumerang werden, insofern tatsächlich mal Menschenleben dadurch in Gefahr geraten sollten. Bislang war dies nicht der Fall. (Auch bei den von Politik und Medien viel wohlwollender begleiteten Protesten der Landwirt:innen übrigens nicht, obwohl sie mit ihren Traktoren noch weit weniger Rettungsgassen ermöglichten.)

Aber wie entwickelt es sich weiter? Und was wird, wenn sich die Protestform nochmal in einen andere Richtung entwickelt? Die Politiker:innen aller Parteien verurteilen die Aktionen einmütig. Denn diese rücken die laschen, unterlassenen und klimaschädlichen Entscheidungen der Regierung in ein schlechtes Licht. Dagegen kann keine noch so gute PR-Abteilung der Parteien, Ministerien oder des Bundeskanzleramts Gegenstrategien entwickeln.

Andererseits gehört die Distanzierung auch zum Kernkonzept und kann der Regierung sogar helfen, als gemäßigt zu erscheinen, sodass die Wahlberechtigten sich zur nächsten Bundestagswahl sagen „lieber nochmal SPD und Grüne wählen, die sind wenigstens nicht so extrem wie die Klimakleber.“ Aber dafür müsste sich wenigstens irgendwas an Ambitionen für eine bessere Klimapolitik andeuten.

 

Wie steht die PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ zur „Letzten Generation“?

Wir sind uns dessen bewusst, dass die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen zwar völlig überzogen und zu verurteilen sind, aber auch zum Selbstverständnis der Aktivist:innen dazu gehören. Denn man bricht absichtlich das Gesetz und steht dazu. Man erkennt den Rechtsstaat und die Demokratie an. Und man will, dass deutlich wird: Ziviler Ungehorsam ist notwendig und im Vergleich zum Verfassungsbruch der Regierung ist es eine geeignete und angemessene Protestform.

Wir unterstützen die Forderungen von Fridays for Future sowie der „Letzten Generation“ für eine bessere Klimaschutzpolitik. Denn wir verstehen uns als die konsequenteste Klimaschutzpartei, da wir zusätzlich auch noch den dringend nötigen Agrarwandel hin zu rein pflanzlicher Biolandwirtschaft in unsere Forderungen mit einbeziehen. Dieser Aspekt fehlt weitestgehend bei den beiden Organisationen.

Ebenso sehen wir die aktuellen Forderungen der „Letzten Generation“ als nicht ausreichend an und vermissen neben der Agrarwende den mangelnden Fokus auf Konzepte sozial gerechter Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen. Wir fordern Klimaschutzmaßnahmen, die mit strukturellen Verbesserungen und einem ethisch-sozialen Gesamtkonzept einhergehen.

Daher solidarisieren wir uns mit den von Repressionen und Anfeindungen betroffenen Aktivist:innen sowie mit den (nicht ausreichenden) Forderungen, aber nicht mit der Organisation als solcher.

Wir möchten in die Parlamente, um dort die notwendigen Veränderungen für die Stimmlosen, Schwächeren und die künftigen Generationen direkt mitzugestalten. Um das zu erreichen, haben wir uns als eine Partei definiert, die besonderen Wert auf soziale Gerechtigkeit und wertschätzenden Dialog mit den Menschen legt.

Denn ohne mehrheitliches Verständnis für die dringend nötigen Veränderungen, um unseren Enkeln und Urenkeln einen lebenswerten Planeten zu übergeben, sind wir alle der Stau – und die rettenden Maßnahmen stecken mittendrin fest. Das Unfallopfer, das Leben auf unserer Erde, wird durch unser aller selbstverschuldeten Uneinsichtigkeiten mit jedem stechend schmerzenden Atemzug schwächer und schwächer…

Robert Gabel