Zynisches Politgeschacher mit dem Schicksal Geflüchteter

Am Elend der Menschen lässt sich gut verdienen. Denn die Verzweiflung ist dort meist sehr groß, so dass man oft bereit ist viel oder zu viel zu zahlen. Beim Flüchtlingselend sind es oft moderne Menschenhändler = Schlepper, die hieran ihr Geld verdienen. Aktuell am Beispiel der Grenzregion zwischen Weissrussland und dem EU-Staat Polen lässt sich aber auch erkennen, dass noch ganz andere Interessen und Interessengruppen eine Rolle spielen. Weissrussland ist ein Verbündeter Russlands und wird von einem Regime unter Führung des Alexander Lukaschenko beherrscht. Polen und insbesondere deren nationalkonservative Regierung unter Führung der PiS-Partei sind den Russen in Abneigung verbunden. Als im Nachbarland Weissrussland Proteste gegen das Lukaschenko-Regime aufflammten, war es auch gerade die polnische Regierung, welche die Demonstranten nur zu gerne unterstützte. Die EU hat Wirtschaftssanktionen gegen Weissrussland erlassen und dazu noch persönliche Sanktionen gegen Mitglieder des Lukaschenko-Clans. Das missfiel den Betroffenen natürlich sehr und so hat sich das Minsker-Regime wohl als Gegenmaßnahme gedacht, den Weg für Flüchtlinge in die EU zu öffnen.

War dieser Weg in die EU für viele Flüchtlinge bisher unattraktiv, gibt es nun Möglichkeiten ohne Visum nach Weissrussland zu reisen, einschließlich guter Transfermöglichkeiten in die Grenzregion zu Polen. Nach übereinstimmenden Berichten der in Deutschland angekommenen Flüchtlinge haben weissrussische Soldaten dann wohl sogar eine Art Bringdienst zur polnischen Grenze, einschließlich Loch im Grenzzaun durchgeführt. Die polnischen Behörden ihrerseits haben das natürlich irgendwann bemerkt und inzwischen gibt es einen Ausnahmezustand für diese Grenzregion. Dies bedeutet, dass keine Journalisten, Hilfsorganisationen oder Beobachter anderer Staaten dorthin dürfen, um den inzwischen qualitativ und quantitativ aufgerüsteten Grenzschützern bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Ziel der Flüchtlinge ist es ohne Kontakt mit polnischen Behörden nach Deutschland zu kommen. Denn dann sind sie offiziell nicht über Polen = einem sicheren Drittstaat eingereist und können nicht im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens von Deutschland nach Polen zurück überstellt werden. Die allermeisten Flüchtlinge werden aber aufgegriffen und werden meistens wieder über die Grenze nach Weissrussland verbracht. Dies ist ein sog. Pushback und nach EU-Recht und der Genfer Flüchtlingskonvention nicht erlaubt. Aber die polnische Regierung steht auf dem Standpunkt, dass illegal eingereiste Personen auch nach der Genfer Konvention in das Grenzland zurück überstellt werden dürfen, aus dem sie kommen und wo sie sich legal aufhalten dürfen.

Die zwischen den beiden Ländern gestrandeten Flüchtlinge sind nun ein Spielball der politischen Interessen dieser beiden Staaten. Von beiden Seiten werden sie in die andere Richtung geschoben und müssen in der walidgen Gegend zum Teil nun schon wochenlang ohne ärztliche Versorgung oder gesicherter Möglichkeit der Nahrungsaufnahme im Freien übernachten. 6 Menschen sollen dabei schon umgekommen sein. Wie viele Personen insgesamt dort verzweifelt umherirren, kann niemand genau sagen. Schätzungsweise sind es einige tausend Menschen und es werden mehr. Wir sprechen hier von Menschen, die in ihrer Heimat wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit, ihrer Abstammung oder einfach nur aus Perspektivlosigkeit versuchen in ein Land zu kommen, in dem sie leben können. In dem sie ihren Kindern eine Zukunft geben können. Menschliches Elend ist nicht dazu geeignet um irgendwelche Interessen durchzusetzen. Dort wo es menschliches Elend gibt, sollte man helfen. Das ist einer der Werte, die uns immer wieder beigebracht wurden. Von der EU und der deutschen Regierung gibt es offiziell bisher lediglich mahnende Worte. Am Beispiel Moria hat man ja gesehen, dass schon sehr viel mehr passieren muss, bis endlich gehandelt wird.

https://taz.de/Flucht-ueber-Belarus-und-Polen/!5806318/