Analyse der saarländischen Landtagswahl

„Das Saarland ist irgendwie anders“ – diese Weisheit bestätigte sich erneut bei der jüngsten Landtagswahl. Die SPD, die sich in den letzten zehn Jahren mit der Rolle des Juniorpartners in einer Koalition mit der CDU begnügen musste, wurde zum ersten Mal nach 23 Jahren mit 43,5 % wieder stärkste Partei im kleinsten Flächenland und kann künftig mit absoluter Mehrheit regieren. Wer geglaubt hatte, dass die Zeiten, in denen Parteien bei überregionalen Wahlen mehr als 40 % aller Stimmen erzielen, vorbei wären, wurde nun abermals eines Besseren belehrt. Zuletzt war dies vor fünf Jahren – ebenfalls im Saarland – der CDU mit der späteren Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer gelungen.

Entscheidend für den deutlichen Sieg der SPD war die Popularität ihrer Spitzenkandidatin Anke Rehlinger, die sich vor fünf Jahren noch der damaligen Landesmutter „AKK“ geschlagen geben musste. Zudem hatte deren Nachfolger Tobias Hans – seit 2018 im Amt – mit einem missratenen Twittervideo, in denen er implizit Geringverdiener diffamierte und seiner Forderung nach einer Spritpreisbremse Nachdruck verleihen wollte, sich selbst ins Bein geschossen. Mit 28,5 % erzielte die CDU an der Saar ihr schlechtestes Ergebnis seit dessen Eingliederung in die Bundesrepublik im Jahr 1957.

Kein anderes Bundesland weist ein Parteiensystem auf, das so extrem auf die beiden traditionellen Volksparteien ausgerichtet ist wie das Saarland. Sowohl CDU als auch SPD haben dort ihre höchste Mitgliederdichte auf Länderebene; auf 50 Einwohner kommen je ein CDU- und ein SPD-Mitglied. Neben den beiden Volksparteien wird lediglich die AfD, die 5,7 % aller Stimmen erzielte, im Landtag vertreten sein. Besonders bitter verlief der Wahlabend für die GRÜNEN, die in diesem Bundesland traditionell einen schweren Stand haben. Sahen Prognosen und Hochrechnungen sie lange mit rund 5,5 % sicher drin, so verfehlten sie laut vorläufigem und endgültigem Ergebnis mit 23 Stimmen um Haaresbreite die Rückkehr in den Landtag. Ähnlich geht es der FDP, die auf 4,8 % kam und die sich bereits seit 2012 mit dem Status als „außerparlamentarische Kraft“ begnügen muss.

Bemerkenswert ist noch die Tatsache, dass die Wählervereinigung „bunt.saar“ die von der einheimischen Presse gehypet worden war und die laut einer Umfrage bei drei Prozent gelegen hatte, lediglich 1,4 % erhielt und damit deutlich hinter der Tierschutzpartei, den Freien Wählern sowie der Schwurbler-Partei „dieBasis“ landete.

Die LINKE, die seit 2009 dank ihres populären Spitzenkandidaten und Ex-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine stets zweistellig war, flog mit 2,7 % spektakulär aus dem Landtag raus. Lafontaine hatte sich seit Jahren einen Machtkampf mit dem Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze geliefert, bei dem letzterer die Oberhand behalten hatte. Aus diesem Grund beschloss der oft als „Saar-Napoleon“ bezeichnete Lafontaine, seine politische Karriere mit dieser Wahl zu beenden und wenige Tage vor dem Urnengang selbst auszutreten. Ähnlich wie bei seinem Rücktritt 1999 und seinem SPD-Austritt 2005 ist es ihm erneut gelungen, mit seinem Rückzug seiner jeweiligen politischen Heimat größtmöglichen Schaden zuzufügen, quasi in den Abgrund mitzureißen, gemäß dem Motto: „Wenn mir das Personal und der Kurs nicht mehr gefällt, schlag ich mit der Abrissbirne um mich“. Zugleich zeigt der Absturz der LINKEN im Saarland aber auch, dass man als Partei schlecht beraten ist, sich in die Abhängigkeit einer einzigen Person zu begeben.

Es ist mit 2,3 % das beste Resultat der Tierschutzpartei, das sie bisher bei einer westdeutschen Landtagswahl erzielt hatte und das zweitbeste bei einer Landtagswahl überhaupt; lediglich 2019 erzielte sie mit 2,6 % in Brandenburg ein höheres Ergebnis. Bei der Bundestagswahl im Vorjahr sprangen 2,8 % heraus, weshalb man das Landtagswahlergebnis als Rückschlag deuten könnte. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Tierschutzpartei damals teilweise von der Nichtzulassung der GRÜNEN, als Folge eines innerparteilichen Machtkampfes um den ersten Listenplatz im kleinsten Flächenland profitiert hatten. Diese parteiinterne Problematik sowie der Antritt der Tierschutzpartei zur Landtagswahl haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Grünen knapp am Wiedereinzug in den Landtag scheiterten. Deren niedersächsischer stv. Fraktionsvorsitzender Christian Meyer twitterte daraufhin Folgendes: „Tierschutzpartei bekam im #Saarland 10.391 Stimmen. In Niedersachsen verhinderte die 2017 erstmals angetretene Tierschutzpartei ebenfalls eine rot-grüne Mehrheit. Nutzt das dem Umwelt- und Tierschutz???“

Schon rein sachlich ist seine Behauptung falsch. Denn den Grünen fehlten 2017 zwei Sitze zur Regierungsmehrheit. Ein Nichtantritt der Tierschutzpartei hätte auf keinen Fall diese fehlenden Sitze ermöglicht. Meyer trickst und lenkt von eigenen Fehlern ab. Und unterliegt mehreren Denkfehlern.

Denn vielleicht sollten sich die GRÜNEN lieber fragen, ob sie nicht daran arbeiten sollten, endlich deutlich stärker auf Tierschutz und Umweltschutz fokussierte Politik zu betreiben, als darüber zu schimpfen, dass nicht gerade wenige Wahlberechtigte die Tierschutzpartei bevorzugen. Denn das passiert ganz bestimmt nicht ohne Grund.

Ein Konter gegen Meyer war: „Es tut mir leid für die GRÜNEN im Saarland, aber die Tierschutzpartei ist nicht euer Blinddarm, den man notfalls wegoperieren kann.“ Eine politische Influencerin twitterte: „Anscheinend bringt eine SPD-Grüne-Regierung nicht viel Umwelt- und Tierschutz hervor, ansonsten würden die Menschen ja nicht die Tierschutzpartei wählen.“

Ein Hinweis auf Twitter an die Grünen lautete auch: „Und wenn sie sich endlich für eine Abschaffung der 5-%-Hürde, Reduzierung auf 1 % oder die Ersatzstimme einsetzen würden, könnte es Koalitionen aus uns beiden geben.“

Und vielmehr ist es ja genau andersherum als Christian Meyer suggerieren will. Viele Tierschutzpartei-Sympathisant:innen geben größeren Parteien ihre Stimme, weil sie davon ausgehen, dass die Tierschutzpartei nicht über die Fünfprozenthürde kommen würde. Obwohl sie programmatisch am ehesten der Tierschutzpartei nahestehen. Unter den fast 5 % Stimmen für die Grünen befinden sich also sehr viele Leihstimmen der Tierschutzpartei. Wenn sich jemand über fehlende Stimmen beschweren könnte, dann ist es demnach vielmehr die Tierschutzpartei. Und sie wäre schon öfters über 5 % gekommen wäre, wenn diese Vielzahl an Leihstimmen zugunsten größerer Parteien nicht wäre. Echter Umwelt- und Tierschutz in den Parlamenten wird also durch diese ungünstigen Leihstimmen an die größeren Parteien verhindert!

Wichtig ist daher in der Zukunft, zu verdeutlichen, dass die PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ in die Parlamente gehört und es allein an den Wahlberechtigten liegt, dies auch Realität werden zu lassen. Keine Leihstimmen an die größeren Parteien mehr – damit die Tierschutzpartei selbst größer wird und damit es endlich eine Politik des Mitgefühls geben kann!