BigBrother2

Zeichnung: Sabine Jedzig

Grundrechtspolitik

Anti-Terror-Wahnsinn – „Big Brother“ is hunting you…

„ZeitenWENDE“ (Ausgabe 28 / 2007)
Dominik Storr

Gezielte Tötungen von Verdächtigen durch den Staat, Abschuss von Passagiermaschinen über Deutschland, Bundeswehreinsatz im Innern im Kampf gegen den Terror; breite Online-Durchsuchungen, internationale Datenbanken und die Verwendung biometrischer Ausweisdaten zur besseren Kontrolle – die deutschen Sicherheitspolitiker um Kanzlerin Merkel, allen voran Dr. Wolfgang Schäuble im Amt des Innenministers, bewegen sich seit einiger Zeit auf Konfrontationskurs mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. Schäubles Vorschlag, die Rechtmäßigkeit einer gezielten Tötung Verdächtiger durch den Staat prüfen zu lassen, stellt nicht nur einen Hammerschlag gegen die Grundpfeiler der Demokratie dar, dieser Ansinnen hätte umgehend dazu führen müssen, dass Minister Schäuble sein Amt als Innenminister zur Verfügung stellte. Kein Zweifel: Dieser Mann ist gefährlich.

Wen wundert es da noch, dass sich Schäuble in einem Interview mit dem „Stern“ sogar gegen die im Grundgesetz normierte Unschuldsvermutung aussprach – so ganz frei nach dem Motto „Schuldig bei Verdacht“. Glauben Sie mir jetzt, dass dieser Mann gefährlich ist?

Nach Schäubles weiteren Plänen soll das Bundeskriminalamt künftig Präventivbefugnisse erhalten: bei Telekommunikations- und Wohnraumüberwachung, bei Online-Durchsuchungen von Privatcomputern sowie bei Rasterfahndungen. Der Innenminister will künftig auch die Mautdaten zur Aufklärung schwerer Straftaten nutzen. Die Gespräche zwischen dem Betreiber Tollcollect und dem BKA seien schon so weit fortgeschritten, dass die Daten alsbald übermittelt werden könnten. Was mit diesen Daten dann tatsächlich geschehen wird, entzieht sich dabei selbstverständlich jedweder demokratischen Kontrolle.

Schäuble möchte mit allen nur erdenklichen Mitteln die innerdeutsche Sicherheit stärken. Im ständigen Kampf gegen den vermeintlich übermächtigen internationalen Terrorismus sollen Online-Durchsuchungen von verdächtigen Computern zum alltäglichen Mittel der Behörden werden. Des Weiteren könnten Schäuble zufolge zukünftig bei der Erstellung eines Passes ohne Verdacht jegliche Informationen aus der Datenerhebung in eine Fahndung mit einbezogen werden. Schon bald müssen Telekommunikations-Dienstleister die Verbindungsdaten von Telefon und Internet ganze sechs Monate verdachtsunabhängig speichern. Auch Flatrate-Kunden können sich der Speicherung nicht entziehen. Der Ideenreichtum des Herrn Schäuble in der Überwachung des Internets scheint grenzenlos.

Die Politiker der großen Parteien verkünden, sie hätten bei ihrem Denken und Handeln unser aller Freiheit im Auge; nur darum gehe es ihnen – natürlich im klaren Gegensatz zu den „Bösen“, vor denen sie uns angeblich schützen müssten. Warum? Weil wir dazu nicht im Stande sind und deshalb ihrer wohlwollenden Hilfe bedürfen. Aber dies kostet uns entsprechende Vergütung – nämlich unser Steuergeld und eine vermeidbare Einschränkung der Freiheitsrechte!

Der „Kampf gegen den Terror“ – nach dem Vorbild der US-Administration unter George W. Bush – ist jedoch in Wahrheit nur die Folge einer systematischen Abgrenzung unserer politisch Verantwortlichen gegenüber andersdenkenden Regierungen und Religionsführern, die ihrerseits mit weltlichen und religiösen „Terrorismen“ ihre Bevölkerung unterdrücken. Sieht man genau hin, erkennt man hier wie dort einen subtilen Terror des Staates gegenüber der eigenen Bevölkerung, der damit die Schaffung neuer Gesetze und Maßnahmen legitimiert, um seinen Machterhalt noch weiter abzusichern, die Abhängigkeit der Bevölkerung noch weiter voranzutreiben und das Verwaltungs- und Informationsnetz noch dichter werden zu lassen.

Solange wir daher Freiheit nicht als höchstpersönliche Angelegenheit begreifen, die wir uns selbst erarbeiten müssen, so lange werden wir als angepasste Opfer staatlicher Kontrolle in einer illusionären (Schein-)Freiheit leben. Freiheit wird nicht durch Sicherheit bestimmt, sondern durch die Fähigkeit der Bürger, ohne den Eingriff des Staates zu leben.