Beamte

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Bürokratie

Deutschland, ein Beamtenstaat

Die Bürokratie stößt an ihre Grenzen…

„ZeitenWENDE“ (Ausgabe 33 / 2009)
Michal Siethoff

Deutsche Beamtenweisheit: „Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare…!“

Unter einem Beamtenstaat versteht man gemeinhin einen Staat, der sich durch ein hohes Maß an Bürokratie und Amtswillkür auszeichnet. Beides entsteht durch eine zu hohe Zahl von Amtsträgern im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und / oder einen zu hohen Einfluss der Amtsträger auf die politischen Abläufe in einem Staat. Die bürokratische Regelwut sorgt dafür, dass eine freie gesellschaftliche Entfaltung zumindest gehemmt, wenn nicht gar unterbunden wird. Meinen Sie, liebe Leser/Innen, dies könne für Deutschland zutreffen?

Der kürzeste Beamtenwitz der Welt: „Geht ein Beamter zur Arbeit…!“

In der BRD sind insgesamt ca. 4,5 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt – bei der Polizei, beim Gericht, in Rathäusern, in Schulen, bei der Bundeswehr, beim Wetterdienst usw.; aber auch als Statistiker, als Friedhofsgärtner oder als Müllmänner erfüllen sie mehr oder weniger eifrig ihre Beamtenpflicht. Der öffentliche Dienst ist der mit Abstand größte Arbeitgeber hierzulande. Und es gibt auch nichts, was nicht in Gesetzen, Verordnungen, Satzungen oder Ähnlichem ge(maß)regelt ist: Taubenfüttern, Stockmaß eines Hundes, Weintrauben-Verordnung, ein Wust von Steuergesetzen usw. Wie war das eben mit der „freien gesellschaftlichen Entfaltung“?

Vor ein paar Jahrzehnten konnte man ja noch hoffen, dass innerhalb der EU die legeren Franzosen oder die temperamentvollen Spanier dem deutschen Ordnungs(wahn)sinn einen gewissen Riegel vorschieben würden. Aber wie wir alle inzwischen wissen, ist das Gegenteil eingetreten. Ein Herr Edmund Stoiber wurde eigens dafür engagiert, den Behördenwust zu entbürokratisieren. Das königlich-bayerische Amtsgericht lässt grüßen!

Woody Allen: „Nichts macht das Leben so kompliziert wie der Versuch, es zu vereinfachen!“

Sie meinen, ich sollte nicht zu sehr über die deutsche Bürokratie herziehen? Doch, ich darf das! Schließlich bin ich selbst Beamter! Unter meinen Kollegen im Amt kursierte der Witz, dass, wenn es „Peng machen“ würde und plötzlich alle Sozialhilfeempfänger verschwunden wären, wir dies mindestens 14 Tage lang nicht merken würden, weil wir so intensiv mit anderen Stellen und Behörden beschäftigt sind: Amtshilfeersuchen der Berufsgenossenschaft, Erstattungsansprüche des Arbeitsamtes, Abzweigungsanträge der Wohngeldstelle und so weiter und so fort.

Der grundgesetzlich verankerte Föderalismus in Deutschland hat sicherlich seinen Sinn, artet aber inzwischen zu oft in ein „Haushaltstopf-Denken“ aus (= wir als Kommune sind pleite, sehen wir zu, dass es das Land bezahlt). Und hat zur Konsequenz, dass es viele verschiedene Ebenen der öffentlichen Verwaltung gibt, die alle wieder eine ganze Latte an eigenen Regeln und Vorschriften erlassen.

Mexikanische Beamtenweisheit: „Nichts ist so wichtig, als dass es nicht durch einen Tag Liegenlassen noch wichtiger werden könnte.“

Ein schönes Beispiel für die permanente Einführung neuer Regeln und Vorschriften liefert der aktuelle Kampf gegen Kinderarmut. In unserem Land leben zu viele Kinder unterhalb der Armutsgrenze, weil sie lediglich die dürftigen Hartz IV-Leistungen erhalten. Also wurde jetzt das Wohngeldgesetz geändert. Ab sofort können nicht mehr nur ganze Familien Wohngeld (= Zuschuss zu den Mietkosten) beziehen, sondern nun auch die Kinder einer Familie, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Hat z.B. eine allein erziehende Mutter vorher 300 Euro Hartz IV-Leistungen erhalten (250 Euro für die Mutter, 50 Euro für das Kind), so bekommt sie jetzt 200 Euro Hartz IV-Leistungen (200 Euro für die Mutter, Null Euro für das Kind, aber dafür 100 Euro Wohngeld für ihr Kind). Das bringt Mutter und Kind finanziell natürlich nichts, aber die Statistik sieht besser aus, und eine Stelle des öffentlichen Dienstes mehr ist mit der Auszahlung der für die Steuerzahler gleichbleibenden Summe beschäftigt!

Aus dem Volksmund: „Ich habe nichts gegen Beamte – sie tun ja nichts!“

Den Kern des deutschen Beamtenstaates bildet das Berufsbeamtentum. Rund 1,7 Millionen – meistens von einer dienstherrenbefähigten Stelle dazu ernannt – tummeln sich in den Amtsstuben. Ihr berufliches Leben ist in Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes geregelt. Dort werden die so genannten althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums erwähnt. Ob sich der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. das alles so vorstellte, als er die Vaterschaft für diesen Berufsstand übernahm?

Wolfram Weidner (Journalist und Aphoristiker): „Wie hervorragend Beamte geeignet sind, Zukunftsprobleme zu lösen, zeigt ihre eigene Altersvorsorge.“

Die Standardrente ist seit Mitte der 90er Jahre um 11 Prozent gestiegen, die Beamten-Pensionen haben sich im gleichen Zeitraum um über 30 Prozent erhöht. Ein durchschnittlicher Rentner erhält 1.176,– Euro im Monat, ein Pensionär 2.300,– Euro. Die Gründe dafür sind, dass es heutzutage kaum noch den so genannten Einfachen Dienst gibt, sondern 53,7 Prozent der Beamten im Gehobenen Dienst (z. B. Lehrer) und 24 Prozent im Höheren Dienst (z.B. Richter) beschäftigt sind. Und als Bemessungsgrundlage für die Pension wird nicht das Durchschnittsgehalt vom Beginn bis zum Ende ihrer Laufbahn herangezogen, sondern das Gehalt, das sie die letzten 3 Jahre vor ihrer Pensionierung bezogen haben. Beamte werden von der öffentlichen Hand gerne beschäftigt, denn ein Beamter kostet den Dienstherren keine Sozialabgaben. Das „dicke Ende“ kommt erst nach der Pensionierung, wenn Vater Staat dann zu Kasse gebeten wird. Im Jahr 2004 mussten die öffentlichen Arbeitgeber 25 Milliarden Eu ro für Pensionen aufwenden. Im Jahr 2030 werden es schätzungsweise knapp 75 Milliarden Euro sein – alles vom Steuerzahler aufzubringen!

Verfasser unbekannt: „Ein guter Beamter überlegt mindestens drei Mal, bevor er nichts tut.“

Abschließend etwas zur Verteidigung unserer Beamten: Ihr Ruf ist sicherlich schlechter als sie es in Wahrheit sind. Im Grunde genommen sind sie ja auch nur Menschen. An der ständigen Einführung neuer Regeln und Vorschriften sind die wenigsten Beamten schuld, sondern die bürokratischen „Oberdenker“ in den Landes- und Bundesministerien. Viele Beamte sind mittlerweile überlastet, weil bei gleichem oder steigendem Arbeitsanfall – durch die Einführung immer weiterer Vorschriften und Regeln – sehr viele Planstellen gestrichen wurden, um Kosten zu sparen.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 20.6.2008, Statistisches Bundesamt, Jahrbuch 2007.