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Standorte der Almadrabas an der Straße von Gibraltar

Almadrabas – Thunfischfang im Mittelmeer

Die Zahl der Berichte über die extrem gefährdeten Bestände fast aller Thunfischarten häufen sich. Nicht nur die traditionellen Essgewohnheiten bedrohen den Thunfisch; seit einigen Jahren ist die immer größer werdende Gier nach Sushi auch in den westlichen Ländern angekommen.

Als eine besondere Delikatesse gilt in Japan das Fleisch trächtiger Blauflossenthunfische (auch Roter Thun genannt) zusammen mit den Eiern der Tiere.

Dazu werden die Thunfische auf ihrem Weg zum Laichen vom Atlantik ins Mittelmeer in sogenannten Almadrabas gefangen. Almadrabas bestehen aus einer Art Netz-Labyrinthen aus denen die Fische keinen Weg mehr heraus finden. Diese Form des Fischens ist bereits seit den Phöniziern bekannt und wird daher oft als besonders Nachhaltig angepriesen. Allerdings ist das Fischen der Tiere, bevor sie sich überhaupt fortpflanzen können, alles andere als Nachhaltig.

Jörn Selling, Meeresbiologe bei firmm dazu im Gespräch:

MUT: Die Almadrabas gelten als eine besonders nachhaltige Form des Fischens, wie ist Ihre Meinung dazu?

Jörn Selling: Almadrabas sind tatsächlich schon aus der Zeit der Phönizier bekannt. Allerdings wurde damals für den Eigengebrauch und in vollkommen anderen Dimensionen gefischt. Heutige Netze sind bis zu fünf Kilometer lang. Wurden im 17-Jahrhundert noch Fänge von 120 Tonnen pro Jahr dokumentiert, sind es inzwischen über 800 Tonnen jährlich.

Skizze einer Almadraba

Skizze einer Almadraba

MUT: Man könnte den Eindruck erhalten, als seien die Spanier sogar ein bisschen Stolz auf die Almadrabas?

Jörn Selling: Es hat Tradition wie zum Beispiel der Stierkampf. Es gibt hier an der Küste Führungen und Feste rund um den Thunfisch. Tarifa war früher ein kleines Fischerdorf und lebt natürlich von den Einnahmen rund um den Fischfang und den Tourismus.

MUT: Hier in Tarifa, sowie an drei weiteren Stellen werden die Thunfische auf dem Weg zum Laichen gefangen, ja eigentlich abgefangen. Wieso warten die Fischer damit nicht bis die Fische abgelaicht haben und auf dem Rückweg sind?

Jörn Selling: Ob die Fische vor oder nach dem Laichen gefangen werden, spielt aus meiner Sicht eher eine untergeordnete Rolle. Die Menschen sind zwar immer sehr überrascht und verärgert über den Umstand, dass die Fische vor der Laiche gefangen werden, aber für mich als Meeresbiologe besteht das Hauptproblem darin, dass die Thunfische im speziellen besonders überfischt sind. Ob Sie nun einmal mehr oder weniger in Ihrem Leben Laichen können, macht, was die Nachhaltigkeit angeht, keinen ausschlaggebenden Unterschied. Trotzdem ist es natürlich eine andere – vielleicht perversere – Form des Fischfangs.

MUT: Bleibt die Frage warum?

Jörn Selling: Weil es eine japanische Delikatesse ist. Die Japaner bezahlen einen deutlich höheren Preis für „trächtige“ Fische. Sobald die Fische abgelaicht haben, sind sie für den japanischen Markt nicht mehr lukrativ und enden auf dem heimischen Fischmarkt.

MUT: Wie lukrativ ist dieses Geschäft denn?

Jörn Selling: Ich kenne die konkreten Preise nicht, aber ich würde schätzen, dass ein drei Meter Thunfisch mit ca. 400 Kilogramm zwischen 2000-3000 € auf dem spanischen Markt gehandelt wird.

MUT: Und auf dem japanischen Markt?

Jörn Selling: Für das selbe Tier wird auf japanischen Auktionen – sofern es Eier trägt – etwa um die 30.000€ bezahlt. Bei sogenannten „Benefits“ Auktionen kann ein besonders großes Tier auch zwischen 70.000€ und 100.000€ einbringen. Dazu möchte ich aber noch anmerken, dass die Thunfische früher vier Meter lang und rund 700 Kilogramm schwer waren. Solche Exemplare gibt es praktisch nicht mehr, da die Fische gar keine Chance mehr haben, überhaupt so groß zu werden.

MUT: Also sind die Japaner an allem Schuld?

Jörn Selling: (lacht) Die Schuldfrage wird mir erstaunlich oft von Interessierten gestellt. Aus meiner Sicht fängt die Schuld bei jedem einzelnen von uns an. Das sage ich auch bei meinen Vorträgen. In diesem Fall ist es aber so, dass die Spanier ein Abkommen mit den Japanern haben. Die Japaner haben ein Vorkaufsrecht, so dass etwa 90% des hier gefangen Blauflossenthunfischs direkt nach Japan geht.

MUT: Wie direkt?

Jörn Selling: Die Spanier stellen die Netze auf, heben den Fang, reinigen und bearbeiten ihn. Das Japanische Schiff kommt direkt zu den Netzen und die Spanier laden den Fisch auf die japanischen Schiffe. Die Spanier machen die Arbeit und die Japaner bezahlen nur noch.

MUT: Was halten die Spanier bzw. die spanische Regierung davon?

Jörn Selling: Wie Anfangs erwähnt hat das Fischen in Spanien Tradition. Abgesehen davon, scheint es ein lukratives Geschäft für die Spanier zu sein. Glücklicherweise gibt es inzwischen Fangquoten. Ob die Eingehalten werden und ob das genug ist, dass die Bestände sich erholen, können wir noch nicht sagen.

MUT: Es gibt sicher Partner wie Sea Shepherd die helfen?

Jörn Selling: Mit Sea Shepherd waren wir im Gespräch. Allerdings bin ich der Meinung, dass das hier in Tarifa mit Kanonen auf Spatzen geschossen wäre. Sea Shepherd fokussiert sich primär auf die großen (illegalen) Trailer und das finde ich richtig. Davon abgesehen ist diese Art des Fischfangs hier ja legal. Wir hoffen also darauf, dass wir die Traditionen brechen und die Menschen sensibilisieren können.

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Schiffsverkehr in der Straße von Gibraltar. Die blauen Punkte sind Wal-Sichtungen

MUT: Abgesehen vom Thunfisch selbst – wer ist noch betroffen?

Jörn Selling: Der Thunfisch ist eine Hauptnahrungsquelle für die Orcas in der Straße von Gibraltar. Wenn der Thunfisch verschwindet, verschwinden wahrscheinlich auch diese großen Säuger aus dem Mittelmeer. Zudem landen Meeresschildkröten, Haie und andere Fische durchaus auch beim Almadrabas als Beifang in den Netzen und sterben qualvoll.

MUT: Welche Bedrohungen gibt es für die Tiere hier noch?

Jörn Selling: Der illegale Fischfang, der hochfrequente Schiffsverkehr: bis zu 300 Container- und Fährschiffe befahren die Straße von Gibraltar täglich. Dabei kreuzen sie direkt die Wege der Wale und Delphine die entweder hier leben oder hier durch wandern. Viele Tiere haben Narben von den Schiffsschrauben, Netzen und anderem Zeug welches im Meer umherschwimmt. Und natürlich der Plastikmüll. Die Zahl der Wale, die mit Plastik gefüllten Mägen an Land gespült werden, nimmt leider zu. Die Tiere können den Müll nicht von Plankton und Fischen unterscheiden und verenden qualvoll daran. Eine Plastiktüte im Wasser sieht für die Meisten Meeressäuger aus wie eine Qualle. Dann wäre da natürlich auch der permanente Lärm der Schiffsmotoren und Sonars, die das empfindliche Gehör der Tiere stört.

MUT: Das hört sich alles sehr frustrierend an.

Jörn Selling: Das ist es oft auch. Als Meeresbiologe besteht ein Großteil meiner Arbeit darin, den Schaden, den die Menschen anrichten zu dokumentieren. Aus Erfahrung kann ich auch sagen, dass die Fangquoten nicht eingehalten und Ladungen oft falsch deklariert werden. Wenn Thunfische für den Verkauf zu klein sind, werden Sie in Unterwasserkäfigen, sogenannten Aquakulturen gemästet, bis sie legal verkauft werden dürfen. Auch die Rohe Gewalt gegen die Tiere ist ein Drama. Dem Beifang – meistens Delphinen – werden oft die Flossen abgeschnitten, um sie leichter aus den Netzen zu bekommen. Sofern die Tiere dabei noch leben, ersticken sie qualvoll im Meer.

MUT: Was kann getan werden?

Jörn Selling: Ganz allgemein: achten Sie darauf, was sie essen. Meiden Sie Thunfisch generell, besonders aber Thunfisch-Sushi mit Thunfischeiern. Am besten ernähren Sie sich vegetarisch oder vegan, oder reduzieren zumindest den Verzehr von tierischem Eiweiß auf das mindest nötige. Meiden Sie Plastik, wo immer Sie können und werfen Sie Plastiktüten und anderen Plastikmüll nicht achtlos weg. Sensibilisieren Sie sich und ihr Umfeld für unsere Umwelt.

MUT: Zum Abschluß noch etwas positivies?

Jörn Selling: (lacht) Ich leben nun schon ein paar Jahre in Spanien und mir ist aufgefallen, dass die Jugend immer weniger Interesse an den Traditionen wie zum Beispiel den Stierkämpfen zeigt. Das macht mir Mut.

Über Jörn Selling, Meeresbiologe bei firmm

Mit deutschen Eltern in Uruguay aufgewachsen, in Hamburg Meeresbiologe studiert, arbeitet Jörn nun seit bereits 12 Jahren für firmm in Tarifa als Meeresbiologe, Guide auf Bootsausfahrten, Marinero und IT-Verantwortlicher. Mit viel Hingabe kümmert sich Tierliebhaber Jörn auch um die wilden Katzen Tarifas.

Über firmm

Die Schweizer Stiftung firmm wurde 1998 von Katharina Heyer mit dem Ziel gegründet, Wale und Delfine sowie ihren Lebensraum zu erforschen und zu schützen. Wie der Name firmm (foundation for information and research on marine mammals [Organisation für Information und Forschung von Meeressäugern]) bereits verrät, ist es firmm gleichzeitig wichtig, ihre Forschungsergebnisse mit vielen Menschen zu teilen. firmm versteht sich daher als Plattform für Wissenschaftler und interessierte Laien, ihr Wissen auszutauschen. An den firmm-Standorten in Spanien und der Schweiz, will firmm durch wissenschaftliche Arbeit, Ausfahrten und Informationsveranstaltungen zur Sensibilisierung der Menschheit beitragen und damit einen respektvolleren Umgang mit dem Meer und seinen Bewohnern erreichen.

Weitere Informationen zu den Almadrabas bei firmm unter: http://www.firmm.org/de/news/artikel/items/die-almadraba-vor-tarifa

Alle Bilder wurden freundlicherweise von www.firmm.org zur Verfügung gestellt.

Das Gespräch wurde in Tarifa/Spanien am 25.05.2016 geführt und aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. Das Gespräch wurde von firmm zur Veröffentlichung freigegeben.

BILDER:
Almadraba (1).jpg: Almadraba Netze werden zusammengezogen um den Fang zu heben
Almadraba (4).jpg: Thunfische werden aus dem Wasser gezogen
Almadraba (5).jpg: Einzelner Thunfisch am Haken
Almadraba_Netz_Skizze.jpg: Skizze einer Almadraba
Almadrabas heute.jpg: Standorte der Almadrabas an der Straße von Gibraltar
Wale und Schiffsverkehr.jpg: Schiffsverkehr in der Straße von Gibraltar. Die blauen Punkte sind Wal-Sichtungen