Die Pandemie des Coronavirus „SARS-CoV-2“, der zur Erkrankung Covid-19 führt, ist gefährlicher als lange Zeit vermutet wurde. Und zwar eher nicht für gesunde und junge Menschen, denn ihr Krankheitsverlauf zeigt wenig Symptome, sondern für ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Für sie kann Covid-19 lebensbedrohlich sein. Durch die enorm hohe Verbreitungsgeschwindigkeit ist diese Pandemie besonders gravierend und überlastet die Gesundheitssysteme in besonders betroffenen Regionen. Daher ist das oberste Ziel, die Ausbreitung zu verlangsamen. Gelänge dies nicht, wären die gesundheitlichen und ökonomischen Folgen katastrophal. Die Ausbreitung an sich lässt sich kaum verhindern – wohl aber der zeitliche Rahmen strecken, so dass genügend Betten in den Krankenhäusern für die betroffenen Patienten (die Erkrankung dauert 3 bis 6 Wochen) und insbesondere alle anderen Patienten zur Verfügung stehen.
Wie aber kam es zu dieser Pandemie? Und warum funktionieren hier drastische Maßnahmen, die bei der Klimakrise angeblich nicht möglich seien?
Zur ersten Frage: als ursprünglicher Auslöser gilt die Übertragung von Fledermäusen oder Schuppentieren. Beide werden in China, teilweise illegal, auf Märkten angeboten und verzehrt. Wie auch bei früheren Zoonosen, ist also unser Umgang mit Tieren die eigentliche Ursache! Und je mehr Wildtiere gejagt, „Nutz“tiere ausgebeutet und Haustiere gehalten werden, desto wahrscheinlicher werden solche Tier-Mensch-Übertragungen. Dasselbe gilt für die multiresistenten Keime, die sich in der Massentierhaltung ansammeln. Durch die übermäßige Anwendung von Breitbandantibiotika, die immer stärkere Wirkungen aufweisen, um die Massentierhaltung trotz Krankheiten ökonomisch rentabel zu halten, werden schon seit geraumer Zeit mehr Antibiotika für Tiere als für Menschen verbraucht. Das Risiko für Pandemien und Tierseuchen steigt also Jahr um Jahr ins Unermessliche weiter!
Zur zweiten Frage: Genauso wie es derzeit viele Stimmen gibt, die die Gefährlichkeit von Covid-19 leugnen und über den „Coronahype“ lästern, gehen viele Menschen mit der Klimakrise um. Denn für den Einzelnen ist der neue Virus zumeist gar nicht gefährlich, sondern das Ausmaß wird erst klar, wenn man auf der systemischen Ebene das Phänomen betrachtet. Dann erkennt man die Überlastung unseres Gesundheitssystems, die besondere Verletzlichkeit von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen und das exponenzielle Ansteigen der negativen Folgen. Der Klimawandel hat dasselbe Manko: der Einzelne sieht keine aktuelle Gefahr für sich selbst. Erst wenn man die Entwicklung in der Zukunft erkennt, die drohende Überlastung unserer Wirtschaft und Umwelt, das Schicksal besonders exponierter Menschengruppen – dann ahnt man, was Greta Thunberg meinte, wenn sie von „Panik“ sprach.
Werden wir aus der aktuellen Pandemie endlich lernen?
Werden wir aus dem Widerspruch individualistisch begründeter Gleichgültigkeit und systemisch-zukunftsorientierten Risikobewusstseins Rückschlüsse ziehen können, wie wir als globale Gesellschaft zusammen halten müssen, um den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten zu sichern?
Zwar sollte die aktuelle Pandemie nicht instrumentalisiert werden. Aber dennoch erinnert sie uns, was machbar ist, wenn wir Probleme ernst nehmen. Und Probleme gibt es viele, nur sind viele nicht für uns hier und jetzt akut zu spüren. Die Meere versinken im Plastikmüll, Wälder werden brandgerodet und durch den Klimawandel vernichtet, Schwermetalle und Gifte reichern sich an. Der angesammelte Atommüll wird immer mehr, die Luft wird durch Abgase und Feinstaub verdreckt. Jedes Jahr verzeichnet neue Temperaturrekorde und Wetterextreme häufen sich. Wir befinden uns mitten im rasantesten Artensterben der Erdgeschichte. Die Biomasse der aktuell lebenden „Nutz“tiere ist größer als die Biomasse aller wild lebenden Landwirbeltiere zusammen genommen. In der agrarindustriellen Massentierhaltung werden die Tiere bereits im Kindesalter brutal getötet, oft ohne wirksame Betäubung, während die Wildtiere gnadenlos gejagt und dabei auch quälerisch getötet werden. Kriege um Ressourcen und geostrategische Einflüsse fordern zigtausende Tote, Kinder, Frauen, ganze Familien werden verstümmelt, getötet, unterdrückt und müssen flüchten, Kinderarbeit und Sklaverei ist in vielen Ländern an der Tagesordnung. Die Gesundheitssysteme in vielen Ländern sind massiv unterfinanziert oder überhaupt nur für Reiche verfügbar, in anderen Ländern auf Gewinnmaximierung und Privatisierung ausgerichtet.
Nutzen wir die Chance!
Politik und Wirtschaft aber unternehmen bei diesen Problemen nichts. Das teilweise zu späte, aber dennoch erfolgte, drastische Eingreifen bei der aktuellen Pandemie aber zeigt: die Egoisten haben sich nicht durchsetzen können und wir sind in der Lage, unser Zusammenleben zu verändern, auch wenn wir Gewohnheiten verändern müssen. Wir lernen gerade, dass wir in der kurzen Frist zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen müssen, um in der langen Frist handlungsfähig bleiben zu können – oder im Rahmen der Klimakrise: um überhaupt einen lebenswerten Planeten behalten zu können. Und noch ist Zeit, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels nicht wie eine Panik aussehen müssen, als wäre der Mensch ein Pandemievirus für unsere Erde, sondern planvoll, kreativ und innovativ angegangen werden können.
Und jetzt ist auch der Moment, einen Agrarwandel ohne Tierleid, ohne Tiertransporte, aber mit ausreichender Förderung von umstellungswilligen Landwirten einzuleiten. SARS, Corona, BSE, Vogel- und Schweinegrippe und viele weitere aktuelle und potenzielle Gefahren, die sich aus unserem falschen Umgang mit Tieren ergeben, zeigen auf, was zu tun ist. Die Landwirtschaft macht zudem jeweils einen massiven Anteil an Klimawandel, Naturzerstörung und Gesundheitskosten aus. Die Verhandlungen über den siebenjährigen Agrarhaushalt der EU laufen derzeit. Nutzen wir diese Chance. Jetzt!