Leserbrief von Robert Gabel zu Franzinellis Artikel über den politischen Kurs der Tierschutzpartei:
Es ist wichtig, das theoretische Fundament der Tierrechtspolitik sich zu vergegenwärtigen und dieser Artikel hat in seinen abschließenden Absätzen auch nochmals die Möglichkeit dazu gegeben. Wer sich dem Kampf gegen Herrschaftsverhältnisse und Gewaltausübung verschrieben hat und den Horizont der Würde besitzenden Lebewesen sehr weit zu fassen imstande ist, kann sich nicht zugleich für chauvinistisch-rassistische Weltbilder oder hierarchisch-kapitalistische Strukturen erwärmen. Das schließt sich einfach aus.
Nun ist es leider so, dass in allen Parteien sich auch ein gewisser Prozentsatz an fragwürdigen Ideologien in Diskussionen oder Personen zeigt, selbst bei den Grünen und in der Linkspartei (entsprechende Studien der Wählerschaften zeigen dies deutlich). Ich wage aber zu behaupten, dass es innerhalb der Tierschutzpartei insgesamt den geringsten Anteil an rechter Gesinnung geben dürfte; einzelne Personen, die seit Jahren immer wieder dazu taugen, stellvertretend für eine unbekannte und unbewiesene Menge herangezogen zu werden, offenbaren vermutlich eher die berühmte Ausnahme von der Regel. Und einzelne lokale Personenbünde, die einer nicht-ganz-so-linken politischen Heimat zuzuordnen sind, gibt es durchaus. Jan Zobel ist mir persönlich aber sehr oft als jemand aufgefallen, der aktiv dabei half, rechts angehauchte Neumitglieder gleich von vornherein abzuweisen (das ist wichtig aufgrund des Parteiengesetzes, das spätere Ausschlüsse fast verunmöglicht). Übrigens wurde der Bundesarbeitskreis gegen Rechtsextremismus in *Bundesarbeitskreis gegen Rechts* umbenannt, nicht andersherum – und dies aus dem Ziel heraus, sich gegen alle rechten Phänomene und Herausforderungen der Gesellschaft zu stellen, nicht nur gegen Extremisten.
Der Bundesvorstand hat sich zudem basisdemokratischen Prinzipien verpflichtet. Beim diesjährigen Bundesparteitag bot er nach einer ausführlichen Diskussion an, zurückzutreten (wie es eine Kammer des Schiedsgerichts wollte), was aber aufgrund der erklärten Sachlage fast einstimmig von den Mitgliedern abgelehnt wurde. Die restlichen Bundesvorstandspositionen wurden mittlerweile auch wieder gut besetzt und die Landesvorstände nehmen nach und nach wieder ihre Arbeit auf. Der Schock nach Stefan Ecks Austritt saß zunächst tief – aber da wir wissen, dass er in Brüssel und Straßburg sich weiterhin mit Tatendrang für Tierrechte einsetzt, ist die Scheidung aus Sicht der politischen Ziele kein Rückschlag, sondern wohl der große Befreiungsschlag, da die unvereinbaren Bedürfnisse nach Basisdemokratie auf der einen Seite und das kraftvolle Durchsetzen der eigenen Linie auf der anderen Seite nun ungestört jeweils agieren können. Mit der derzeitigen Aufgabenteilung bin ich persönlich also erstmal zufrieden.
Noch besser könnte der politische Druck von unserer Seite, von den Tierrechtlern und Tierbefreiern, aber noch werden, wenn sich möglichst viele von uns (und insbesondere diejenigen, die sich auch dem Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Konservatismus verschrieben haben) in der Tierschutzpartei engagieren. Für die gesellschaftliche Perspektive von Gewaltfreiheit, Antispeziesismus, Tier- und Menschenwürde und die juristisch-politische Wende, die den Schutz der wahren Verbrecher nicht mehr länger duldet. Mein aufrichtiger Aufruf daher: Mischt euch ein in die Partei Mensch Umwelt Tierschutz, gestaltet die Agenda, setzt die Themen! Politik ist die größte Stellschraube die es gibt; sie ist nicht nur für Besitzstandswahrer da, sondern auch für uns – nutzen wir sie!
Erschienen in der Ausgabe 87 (Juni 2015) des Magazins Tierbefreiung