Die Deutsche Tier-Lobby schreibt zum diesjährigen Aktionstag:
Die länger andauernde oder ganzjährige Anbindehaltung von Milchkühen und anderen Rindern war trotz der mit ihr verbundenen Tierqualen lange Zeit dominierende Praxis in Deutschland. Dabei werden die Tiere mittels Anbindevorrichtungen am Hals zeitweise (mindestens in den Wintermonaten) oder sogar ganzjährig angebunden, um sie daran zu hindern, sich frei zu bewegen. Die sogenannte „Kombinationshaltung“ (Anbindehaltung + begrenzter Auslauf) bildet eine Alternative zur reinen Anbindehaltung, da die Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr für wenigstens zwei Stunden täglich Auslauf im Freien haben. Betriebe, die im Stall zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls durchführen, müssen sogar nur 90 Tage Auslauf gewährleisten. Die extrem niedrigen zeitlichen und qualitativen Anforderungen für den Auslauf, die Weidegang nur als Option beinhalten, erfüllen nicht die Bedingungen für eine verhaltensgerechte Unterbringung der Rinder nach dem Tierschutzgesetz (Bruhn et al., 2023). Vor dem Hintergrund der niedrigen Kontrollfrequenz in Deutschland ist es zudem zweifelhaft, ob die Vorgaben wirklich umgesetzt werden. Die übrigen bis zu 275 Tage sind die Tiere in der Kombinationshaltung ganztägig angebunden!
Worin bestehen die Qualen für die Tiere?
Die Bedürfnisse der Milchkühe und anderen Rinder nach Fortbewegung, Ruhe, Körperpflege und sozialer Interaktion werden in der Anbindehaltung stark eingeschränkt. Die Tiere sind lediglich in der Lage, sich hinzulegen und wieder aufzustehen. Dieser Zustand sorgt dafür, dass die Tiere krankheitsanfällig werden. Durch das Liegen auf dem Boden erleiden sie zudem PETA Deutschland e.V. 6 Schwellungen und Verletzungen an den Gelenken. Sozialkontakte sind nur ansatzweise zu den 1-2 Nachbar-Rindern möglich, die Tiere sind also nicht in der Lage, ihre natürlichen Verhaltensweisen wie beispielsweise das Herdenverhalten auszuleben. Anbindeställe sind darüber hinaus häufig gekennzeichnet von unbefriedigenden Lichtverhältnissen, einem schlechten Stallklima und einer unzureichenden Liegefläche. Der Platzmangel ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Anbindeställe nicht mit den zuchtbedingt größer gewordenen Kühen oder anderen Rindern mitgewachsen sind. Berichtet wird auch von miserablen hygienischen Verhältnissen, die dazu führen können, dass die Tiere in ihren eigenen Exkrementen stehen oder liegen.
Wie ist die Alternative Laufstall demgegenüber zu bewerten?
Die heute prägende Haltungsform mit einem Anteil von 83 % aller Rinder in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2021) sind Boxenlaufställe. Diese zeichnen sich durch eine Trennung der Bereiche Fressen, Liegen und Bewegen aus. Im Gegensatz zur Anbindehaltung können sich die Tiere hier zumindest frei im Stall bewegen und miteinander interagieren. Rotierende Bürsten dienen, sofern vorhanden, zur Körperpflege. Auch Laufställe weisen jedoch häufig gravierende Tierschutzmängel auf, wie stark beengte Platzverhältnisse und Beton-Spaltenböden, die diverse Verletzungen verursachen. Besonders problematisch ist, dass in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung keine Mindestanforderungen für die Haltung von Mastrindern und Milchkühen definiert werden. Nur noch 31 % der Rinder in Deutschland hatten im Jahr 2019 zeitweisen Zugang zu einer Weide, Tendenz: fallend (Statistisches Bundesamt, 2021).
Wie viele Mastrinder und Milchkühe leben in Anbindehaltung in Deutschland?
Im Jahr 2020 lebten in Deutschland 11,5 % der Milchkühe und 9,0 % aller übrigen Rinder in Anbindehaltung. Das entspricht einer Gesamtzahl von 1,1 Mio. Tieren bzw. einem Anteil dieser Haltungsform von 9,9 % im Jahr 2020. Besonders kleine Betriebe in Bayern und Baden-Württemberg nutzen diese Haltungsform noch häufig. So waren in Bayern im Jahr 2020 noch 21,7 % aller Rinder (628.000 Tiere) saisonal oder ganzjährig angebunden. In Baden-Württemberg belief sich der entsprechende Anteil auf 12,7 % (125.000 Tiere) (agrarheute, 2021; Statistisches Bundesamt, 2020).
Text übernommen von: https://www.deutsche-tier-lobby.de/2023/05/15/lasstdiekuhlos/