Den Wohn-Wahnsinn beenden

Die Mietervereine in Deutschland schlagen seit Jahren Alarm. Ungefähr ein Drittel ihres Einkommens müssen die Deutschen inzwischen fürs Wohnen ausgeben. Beim unteren Einkommens-Fünftel der Bundesbürger liegt der Wert sogar bei 39%. Zum Vergleich: In den 60er Jahren gaben Haushalte 11% ihres Budgets für die Miete, Strom, Gas und Heizung aus. Noch 2014 waren es etwas weniger als 16%.

Die explodierenden Wohnkosten belasten vor allem Haushalte mit sowieso schon niedrigen Einkommen, da sie nur zur Miete wohnen können. Ihre Wohnkosten wuchsen von 1993 bis 2013 um über 30% bei gleichzeitig schrumpfendem Einkommen. Die Wohnkosten des obersten Fünftels der Gesellschaft hingegen sanken um fast 10%. Denn sie besitzen ihre Immobilien und profitieren von den aktuell niedrigen Zinssätzen.

Grund für die Misere ist der stagnierende und am Bedarf vorbeigehende Wohnungsneubau. Statt der benötigten 400.000 Wohnungen im Jahr werden nicht einmal 300.000 gebaut. Gerade klassische Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern fehlen. Der soziale Wohnungsbau stockt, 2017 wurden 26.231 Wohnungen mit Mietpreisbindung gebaut, benötigt werden aber 80.000 jährlich. Die Zahl der Sozialwohnungen schrumpfte 2017 auf 1,2 Mio. (1990 waren es noch fast 3 Mio.). Es fehlen mindestens 1,9 Mio. bezahlbare Wohnungen in Deutschlands Großstädten.

Offensichtlich versagt unser System. Die Kredite aufnehmenden Investoren bauen lieber teure Wohnungen, um schnell Rendite zu generieren. Die steigenden Grundstücks- und Immobilienpreise haben auch viele Spekulanten auf den Plan gerufen. Besonders beliebt sind Luxussanierungen, um anschließend die Mieten kräftig zu erhöhen. Sie lassen aber auch Wohnungen und ganze Häuser unsaniert leerstehen, um diese dann nach ein paar Jahren leichter wieder abstoßen zu können. Zu einem deutlich höheren Preis, versteht sich. Auch mit Bauland wird so verfahren, da die Brache auch ohne Hausbau im Wert steigt. Besonders kritisch wird es, wenn Konzerne und Hedgefonds ganze Straßenzüge aufkaufen. Mit fantasievollen Firmenkonstrukten und fadenscheinigen Steuertricks werden beim Land- und Immobilienhandel gezielt Steuern vermieden, was die Preise auf dem Wohnungsmarkt weiter nach oben treibt.

Der deutsche Wohnungsmarkt steckt in einer tiefen Krise. Wir stehen vor einer entscheidenden sozialen Frage mit enormer Sprengkraft. Ökologische Aspekte des Wohnungsbaus bleiben sogar ganz außen vor. Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz spricht aus, was offensichtlich ist: der Markt kann es nicht richten. Im Gegenteil, er ist die Ursache des Problems: Wohnungen werden als Anlageobjekt betrachtet, das Profit zu bringen hat. Martin Buschmann fordert daher: „Wohnungsbau muss wieder eine öffentliche Aufgabe werden, damit Wohnen wieder bezahlbar wird. Darauf haben die Bürger ein Recht. Der Spekulation mit Wohnungen muss ein Ende haben“. Anstatt gegen Symptome vorzugehen, muss die Politik die Strukturen ändern.