Warum sind Tierquäler so oft ungestraft?

Im Koalitionsvertrag steht, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz schärfer geahndet werden sollen. Doch bisher gibt es noch keinen Gesetzentwurf dazu.

Dabei gibt es laut Tierschützer:innen systematische Probleme, die ein Datenprojekt aufzeigt. Fast alle zwei Wochen kommt eine schwere Tierquälerei ans Licht. Vier Tierschutzorganisationen haben auf einer Karte die Skandale dokumentiert, die sie in den letzten sieben Jahren aufgedeckt haben.

Es sind 163 Fälle, von denen nur 24 Strafen bekannt sind. Die meisten sind Geldstrafen. Fünfmal wurde ein Tierhalte- oder Tierumgangsverbot ausgesprochen. Drei Gerichte verurteilten zu Bewährungsstrafen.

Ein Beispiel: Der Tierschutzverein „SOKO Tierschutz“ deckte 2018 hunderte illegale Schlachtungen bei einem Schlachthof in Bad Iburg in Niedersachsen auf. Die Bilder zeigen schwere Straftaten. Systematisch wurden kranke Rinder mit Ketten an den Beinen und durch Seilwinden von Transportern gezogen. Tiere, die nicht mehr gehen können, dürfen aber rein rechtlich weder transportiert noch geschlachtet werden.

Für Friedrich Mülln, den Leiter der Soko Tierschutz, ist es der größte Tierschutzskandal der letzten Jahre. Im August 2022 standen dann Heinrich B., der frühere Geschäftsführer des Schlachthofs, und zwei ehemalige Mitarbeiter vor Gericht. Im Urteil sind allein 58 einzelne Misshandlungen aufgelistet, an denen der frühere Geschäftsführer beteiligt war. Sie bekamen lediglich Bewährungs- und Geldstrafen.

„Ich bin wütend aus dem Gerichtssaal gegangen, weil ich es nicht ertrage“, sagte Mülln laut dem Magazin FAKT nach dem Urteil. Das Gesetz sieht für Tierquälerei maximal drei Jahre Haft vor. Eine solche Strafe wurde aber noch nie ausgesprochen.

Dirk Bredemeier, der Leiter der bundesweit einzigen Zentralstelle für Landwirtschaftsdelikte bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg, verteidigt das Urteil: Heinrich B. und seine Kollegen seien nicht vorbestraft gewesen, sie hätten ihre Taten bereut und man gehe davon aus, dass sie keine neuen begehen würden. Außerdem müsse man bedenken, dass neben der Ächtung des Täters noch hinzukommt, dass er Bewährungsauflagen hat und dass er die Kosten des Verfahrens und auch seine eigenen Anwaltskosten zu zahlen hat.

Das Tierschutz-Strafrecht ist oft nur Theorie und dahinter steckt ein grundsätzliches Problem, sagt die Juristin Johanna Hahn von der Universität Leipzig. Die Expertin für Strafrecht hat letztes Jahr eine empirische Studie veröffentlicht, in der sie auch den Ausgang von fast 120 Tierschutzverfahren in der Nutztierhaltung analysiert hat. Ergebnis: Die meisten wurden eingestellt. Dazu kommt: Wenn es doch mal zur Anklage kommt, dann sind es Fälle von kleinen Betrieben oder einfache Angestellte, erklärt Hahn.

Tierschützer:innen bemängeln, dass bislang nicht einmal ein Entwurf zur geplanten Verschärfung des Tierschutzgesetzes vorliege. Das Magazin FAKT hat auf Anfrage aus dem Ministerium als Antwort erhalten: Man plane weiterhin höhere Bußgelder und höhere Strafen beim Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Außerdem sei gesagt worden, dass das bisher eher verwaltungsrechtliche Tierschutzgesetz ins Strafgesetzbuch gehen sollte. Die Ampelkoalition hat zwar mit Tierschutz Wahlkampf gemacht, aber Tierschutz in der Regierungsarbeit vergessen.