Was bringt der Koalitionsvertrag für Mensch, Umwelt und Tiere?

Wir prüfen die Arbeit der kommenden Bundesregierung kritisch und zeigen Versäumnisse und Fehlentwicklungen auf. Die Vorhaben im Bereich Tierschutz schauen wir uns als erstes an und unser Urteil ist: so wird Tierleid nicht reduziert!

„Eine nachhaltige Landwirtschaft dient zugleich den Interessen der Betriebe, des Tierwohls und der Natur“- so heißt es im gestern veröffentlichten Koalitionsvertrag der Ampelparteien.

Doch es scheint, als herrsche alles andere als ein gemeinsamer Konsens was die genaue Definition des Begriffs „Tierwohl“ angeht und echter Tierschutz scheint schon gleich zu Beginn der Regierungsarbeit nicht als Ziel ausgegeben.

Teilweise Überwachung nur in großen Schlachthöfen

So will man beispielsweise kameragestützte Überwachungssysteme in bestimmten Bereichen in großen Schlachthöfen schaffen. Verheerend finden wir dabei die Tatsache, dass diese Umsetzung erst ab einer relevanten Größe stattfinden soll, denn wir wissen: Die massivsten und häufigsten Skandale finden sich insbesondere auch in kleineren und mittleren Schlachthäusern – und auch nicht nur in einigen Bereichen!

Weiterhin lange Lebendtiertransporte

Äußerst unglaubwürdig finden wir die Aussage, dass bestehende Lücken in der Nutztierhaltungsverordnung geschlossen werden sollen, gleichzeitig aber als Ziel festgelegt ist, dass Lebendtiertransporte in Drittstaaten künftig weiterhin erlaubt werden sollen, wenn sie auf Routen mit nachgewiesenen tierschutzgerechten Versorgungseinrichtungen stattfinden. Guten Morgen, liebe Ampel, aber diese Regelungen bestehen bereits, wir hätten an dieser Stelle eher ein sofortiges Verbot von Lebendtiertransporten in Drittländer erwartet!

Qualzuchten, Anbindehaltung und Wildtierzirkusse bleiben vorerst erlaubt

Die nächste Enttäuschung betrifft die vermeintliche Verbesserung des Tierschutzgesetztes: Wer kann von „Tierwohl“ sprechen, der Qualzucht nur konkretisieren (!), nicht aber abschaffen will? Wer kann von „Tierwohl“ sprechen, der nicht-kurative Eingriffe nur deutlich reduzieren, nicht aber abschaffen will?

Wer kann von „Tierwohl“ sprechen, wenn lediglich eine Positivliste für Zirkus-Wildtiere erstellt werden soll, womit man sogar hinter die ursprünglichen Ziele von Klöckner zurückfällt?

Und wer kann von „Tierwohl“ sprechen, wer die Anbindehaltung bis zu zehn weitere Jahre erlauben (!), nicht aber sofort abschaffen will? Abgesehen davon: Das Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung wurde bereits im Jahr 2016 mit einer Übergangsfrist von 12 Jahren beschlossen. Dieses Haltungssystem wird seitens der Verbraucher:innen, dem Gesetzgeber und der Wissenschaft zunehmend unter Druck gesetzt und auch von der Gesellschaft zu einem überwiegenden Anteil abgelehnt – hier hätten wir wirklich mehr erwartet!

Abzuwarten bis konkretisiert wird, gilt es bei den folgenden Punkten im Koalitionsvertrag:

  • Überführung von Teilen des Tierschutzrechts in das Strafrecht und Erhöhung des maximalen Strafmaßes
  • Vorlegen einer Reduktionsstrategie zu Tierversuchen
  • Tierhaltungskennzeichnung, Herkunftskennzeichnung (an die Ampelkoalitionäre: Kennzeichnungen allein bringen kaum Tierleidreduzierung!)
  • Informations- und Aufklärungskampagne
  • Verpflichtende Identitätsprüfung beim Onlinehandel mit Heimtieren
  • die EU soll dazu gebracht werden, Zucht/Haltung von Pelztieren zu verbieten
  • die Bildungsarbeit in Zoos soll ausgebaut werden
  • Tierhaltung soll „klimaneutraler“ werden (dies kann bspw. in der Schweinehaltung bedeuten, dass die Massentierhaltung sogar ausgebaut würde!)
  • Nutztierhalter:innen sollen Investitionssicherheiten erhalten (wie ist das mit Tierschutzzielen vereinbar?)

Die PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ sieht etliche Versäumnisse und fordert daher u.a.:

  • Sofortiger Ausstieg aus der Anbindehaltung
  • Stopp von Verstümmelung, Qualzuchten, Kastenstand
  • jegliche langen Tiertransporte müssen gestoppt werden
  • Importverbot für Produkte aus Regenwaldrodung
  • Kamerapflicht in allen Schlachthäusern
  • Unabhängige Kontrollen in den Tierfabriken
  • keine Genehmigung von Tierfabriken mehr
  • sofort einzuführende Obergrenze pro Betrieb
  • Ausstiegsprämien für „Nutz“tierhalter:innen
  • Tierleidfreiheit anstreben: Plan für ein Ende der „Nutz“tierhaltung
  • Finanzierte Umstellung auf pflanzliche Landwirtschaft
  • deutliche Umsatzsteuersenkung für pflanzliche Produkte
  • Tierversuche beenden, Gelder umlenken in tierversuchsfreie Forschung
  • Schlagfallen und Hobbyjagd verbieten
  • Verbot des Kochens lebendiger Tiere
  • echtes Wildtierzirkusverbot

Notwendig ist nicht ein Umbau der Tierhaltung im Rahmen von Klimaneutralität oder Gewissensberuhigung und Labels für Verbraucher:innen, sondern der Abbau der „Nutz“tierhaltung muss endlich eingeleitet werden!