Wohin steuert die Kulturpolitik der Ampel?

Eine Wende von einer konservativ geführten hin zu einer sozialdemokratisch geführten Regierung sollte eigentlich auch neue, progressive Ansätze in der Kulturpolitik mit sich bringen. Im Koalitionsvertrag ist davon noch wenig spürbar.

Zwar soll Kultur nun als Staatsziel ins Grundgesetz – eine Forderung, die auch die PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ in ihrem Wahlprogramm erhob –, doch natürlich ist das allein erst einmal nicht mehr als ein (wenn auch starkes) Symbol. Was fehlt ist das Bekenntnis zum Ausbau einer konzeptbasierten Kulturpolitik unter Benennung der relevanten Themenfelder und Ansätze zur Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure. Hier findet sich kaum etwas, das über Allgemeinplätze hinausgeht.

Sehr dünn sind auch die Formulierungen hinsichtlich öffentlich-rechtlicher und privater Medien, denn dass diese irgendwie wichtig sind für die Demokratie, hat man auch schon vorher gewusst. Wie aber will man der zunehmenden Skepsis und (teilweise berechtigten) Kritik an den Medien entgegentreten? Wie holt man die Teile unserer Gesellschaft wieder ins Boot, die mehr und mehr abdriften? Hierüber ist nichts zu finden im kulturpolitischen Teil des Koalitionsvertrags – keine neuen Ansätze und nicht einmal eine Betonung des Bildungsauftrags der öffentlich-rechtlichen Medien.

Gut ist hingegen die beabsichtigte Verbesserung der sozialen Lage von freien Künstler:innen, wenngleich Skepsis geboten ist, ob die versprochene und dringend nötige Entbürokratisierung bei den Fördermittelanträgen und vor allem auch bei der Künstlersozialkasse in die Tat umgesetzt wird.

Dass der große Paradigmenwechsel noch nicht zu spüren ist, hat zweifellos auch damit zu tun, dass die Kulturpolitik der Vorgängerregierung gar nicht so konservativ, sondern im Grunde schon ziemlich sozialdemokratisch ausgerichtet war. Gerade Monika Grütters hat sich um die bundesdeutsche Kulturpolitik wirklich verdient gemacht.

Ihre Maxime lautete: Der Staat braucht die Kultur, und die Kultur braucht den Staat. „Kultur ist mehr als Unterhaltung“ sagte sie. „Sie ist ein wichtiger Teil der Wirtschaft, dient als Bildungseinrichtung und ist Kernelement der Demokratie“. Und so schaffte sie es, den Kulturhaushalt kontinuierlich zu erhören. Eine Neuausrichtung der Kultur, orientiert an mehr Inklusion und mehr Partizipation, wurde auch dadurch ermöglicht, dass reichlich Mittel aus dem Kulturstaatsministerium in entsprechende Projekte flossen.
Natürlich wurden daneben auch hoch-elitäre Einrichtungen großzügig ausgestattet wie etwa die Bayreuther Festspiele, das Deutschen Literaturarchiv in Marbach und – von viel Kritik begleitet – das Humboldtforum. Alles in allem kann sich die Bilanz dieser Ministerin jedoch sehen lassen, und es wird spannend sein zu sehen, worauf ihre Nachfolgerin die Akzente legt.

Dass mit Claudia Roth eine bekannte Persönlichkeit Kulturstaatsministerin wird (eine Aufwertung zur Bundesministerin findet auch unter der Ampel nicht statt!), die als durchsetzungsstark gilt und allenthalben den Ruf der engagierten Demokratin genießt, wird sicherlich hilfreich sein, um die Bedeutung des Ministeriums zu sichern.

Was wäre aus Sicht der PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ wünschenswert? Natürlich eine Öffnung für Tierrechtsthemen! So wie in den letzten Jahren begrüßenswerter Weise Projekte gefördert wurden, die sich den Themen Rassismus, Kolonialismus oder Klimanotstand widmeten, so müssen in Zukunft gezielt auch solche Projekte gefördert werden, die das Verhältnis von Mensch und Tier thematisieren.

Davon ausgehend sollte auch unser Kultur-Begriff hinterfragt und näher an den Begriff der Natur herangeführt werden. In diesem Zusammenhang sollten kulturelle Projekte noch stärker auf ihre Nachhaltigkeit hin betrachtet und mit Fördergeldern ausgestattet werden.

Wenn das Ministerium unter Grütters betonte, dass „Kultur ein wichtiger Teil der Wirtschaft“ sei, so sollte dringend auch die Ökonomisierung von Kultur kritisch in den Blick genommen werden. Es ist doch gerade die Ökonomisierung unseres Lebens, die nebst vielem Positiven auch zu großen ökologischen, sozialen und psychischen Problemen führt. Es muss Aufgabe der Kultur sein, den Finger auf dieser Wunde zu halten und Alternativen zu entwerfen. Für Ansätze in diese Richtung fehlen der Ampel die Visionen oder – gerade mit Blick auf die FDP – der politische Wille.

Dr. Marcel Krohn