„100 Prozent faire Tierhaltung“ – Was die Grünen als Ausweg ansehen

Ein Eindruck der Podiumsdiskussion in Hannover

Am Samstag, den 18.06.2016, fand in Hannover eine von der Grünen Bundes- und Landtagsfraktion organisierte Podiumsdiskussion zu dem Thema „faire Tierhaltung“ statt. Sowohl Abgeordnete der Partei, wie z. B. Anton Hofreiter und Christian Meyer, als auch Bauern, Tierschützer, Experten und viele Interessierte fanden ihren Weg zu der Diskussionsrunde.

Teilgenommen haben die Landesvorsitzende Niedersachsens, Lena Zebbedies, die Schriftführerin Simone Oppermann sowie vom Bundesvorstand der stellv. Generalsekretär Martin Buschmann.

Nach einer Einleitung des Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und Landwirtschaftsminister des Landes Niedersachsen, Christian Meyer, wurden in Expertengesprächen und Podiumsdiskussionen mit stets wechselnden Diskutanten umfassende Unterhaltungen geführt. Es wurden hauptsächlich die Oberpunkte Wirtschaftlichkeit, Tierwohl und deren Alternativen besprochen.

Besonders wurde deutlich, dass sich das Kaufverhalten des Verbrauchers ändern muss. Konsumierten diese teuere und qualitativ hochwertigere Produkte, würde dies einen Gesamtanstieg des Marktpreises und einen Rückgang der Billigprodukte bedeuten. Außerdem wurde erwähnt, dass eine Umschichtung von Mitteln in der Agrarindustrie von der ersten Säule (Flächenförderung) in die zweite Säule (Tierwohlförderung) viel bewirken kann. Besonders ein Anstieg der Lebensmittelqualität und „gehobener“ Lebensbedingungen für die Tiere seien das Ergebnis.

Besonders von den Bauern wurde bei diesem Thema eingehend der Verlass auf eine Planungssicherheit eingeworfen. Die meisten Landwirte seien einer tierwohlorientierten Veränderung des Betriebes zugeneigt. Aufgrund von sehr hohen Investitionen und fehlender, langfristiger und zukunftsorientierter Planungssicherheit fehle jedoch ein wichtiger Schritt, um diesen Umbau zu wagen. Die Landwirte betonten häufig, dass der Wohlstand der eigenen Familie und des Hofes auf dem Spiel stehe und der Vorschlag ohne ausreichende staatliche Unterstützung nicht möglich sei. Es wurde mit Nachdruck an die anwesenden Politiker appelliert, einen Plan für ausreichend unterstützende Mittel aufzustellen und die Landwirte die folgenden Jahre nicht alleine zu lassen.

Des Weiteren wurde oft angesprochen, dass sich viele Verbraucher mehr Durchsichtigkeit im Einkauf wünschen, um das Kaufen zu erleichtern. Momentan gäbe es besonders in der Fleischproduktion nur zwei Möglichkeiten, auf die sich der Käufer einlassen kann. Diese sind die „gute“ Bio-Variante oder die weniger „gute“ Qualität aus dem Billigfleischsektor. Menschen, die viel Fleisch essen, sich aber nicht immer die gute Qualität leisten können, würden gerne auf eine bessere Alternative als das Billigfleisch, aber günstigere als die Bio-Qualität ausweichen. Dies sei bereits besonders bei den Eiern ersichtlich. Diese Durchsichtigkeit wünschten sich viele Teilnehmer der Veranstaltung bei allen tierischen Produkten. Dies gilt auch für Ware aus dem Ausland. Würde der Standard der Agrarindustrie in Deutschland gehoben, könnte der Markt von Billigfleisch aus dem Ausland überschwemmt werden. Dies befürchten besonders die betroffenen Landwirte. Allerdings könnte man durch eine verlässliche Kennzeichnung den Konsumenten die Möglichkeit geben, „Deutsche Qualität“ zu kaufen. Experten vermuteten, dass dieses Siegel erfolgreicher als das Billigfleisch aus dem Ausland sein würde und sprachen sich allesamt für diesen Kompromiss aus.

Leider wurde nur von einem Teilnehmer der Veranstaltung der ethische Gedanke angesprochen und der Titel „100 Prozent faire Tierhaltung“ in Frage gestellt. Wir haben uns das gleiche gefragt: Was bedeutet die Ethik in diesem Fall, wenn sich die „100 Prozent“ hauptsächlich auf das Endprodukt und somit auf das Wohl des Konsumenten beziehen, als vielmehr auf das Lebewesen hinter dem Produkt? Wieso wird nicht einmal ein Weg angesprochen, den Fleisch- und Milchproduktkonsum zu minimieren und dem gesättigten Markt ein wenig an Spannung und unnötigem Tierleid zu nehmen? So viele Tiere werden am Ende weggeschmissen, landen wiederum in Futtermitteln oder zerstören in Westafrika die Märkte. In Brasilien wird eine unvorstellbare Fläche an Regenwald gerodet, damit die Vielzahl an „Nutztieren“ in Deutschland und der EU ausreichend Futtermittel erhalten, in Deutschland wird die EU ausgenutzt, um noch wirtschaftlicher zu produzieren, die geringen Tierschutzgesetze lassen Tiertransporte bis in die Türkei zu und die Menschen, die von den „Resten“ des europäischen Fleischkonsums leben, nämlich die Westafrikaner, verspüren eine deutliche Veränderung des eigenen Marktes – und das keineswegs in eine positive Richtung.

„Traurig ist, dass Themen wie Tierrechte und Bio-Vegane Landwirtschaft gar nicht aufgekommen sind“, resümiert Martin Buschmann. „Die Grünen bieten zwar Lösungen an, Tierleid in der Massentierhaltung zu mindern, gehen damit aber nur die Symptome an. Wer sich für Tierrechte einsetzt, sollte sich gründlich überlegen, ob diese Partei die richtige ist. Wir, als Partei Mensch Umwelt Tierschutz, werden uns unbeirrbar und klar für die Abschaffung der grausamen Massentierhaltung einsetzen“, so Buschmann.