Analyse der Verkehrssituation – Was läuft verkehrt?

Wenn wir allgemeinsprachlich von „Verkehr“ sprechen, beziehen wir uns meistens auf den Automobilverkehr. Erst einmal beschreibt Verkehr allgemein die Beförderung von Lebewesen oder Gegenständen auf – nicht unbedingt extra dafür angelegten, aber – etablierten Wegen. Verkehr gab es schon immer und Verkehrspolitik ist deswegen eigentlich nicht gleich Automobilpolitik und sollte es nicht sein. Leider wird sie aktuell aber als genau das verstanden.

Immerhin standen das Auto und der Ausbau von Automobilverkehr politisch und gesellschaftlich noch nie so sehr im Fokus wie heute. Wird von Mobilität gesprochen, ist meistens automobile Mobilität gemeint, wird von Infrastruktur gesprochen, ist meistens das Straßennetz gemeint. Bedauerlicherweise bringt uns die weitgehend auf den individuellen Autoverkehr ausgelegte Mobilität bei einem kontinuierlichen Ausbau des Straßennetzes jedoch immer häufiger an unsere Grenzen. Schauen wir aber einmal genauer hin, was Automobilverkehr überhaupt ist, wie er heute aussieht und was die besagten Grenzen und Probleme sind. Im ersten Schritt kann beim Automobilverkehr zwischen reinem Transport, Individual- und öffentlichem Personenverkehr unterschieden werden.

Transportverkehr

Beim Transportverkehr werden, wie der Name schon sagt, vor allem großflächig Gegenstände und Lebewesen transportiert. Vor allem geschieht dies mit LKW, also Lastkraftwagen. Laut Auswertung des Statistischen Bundesamtes wurde so im Jahr 2021 circa 79,47 Prozent des gesamten deutschen Güterverkehrs im Straßenverkehr abgewickelt. Im Vergleich dazu fand im Jahr 2021 gerade einmal 8,36 Prozent des Güterverkehrs auf den Schienen statt.

Leider sind LWKs fast immer mit Dieselmotoren ausgestattet. Das betrifft laut Statista immerhin 3,4 von 3,6 Millionen in Deutschland zugelassene LKW. Dass entsprechende, durch Diesel verursachte Abgase der Umwelt enorm schaden, dürfte heute allgemein bekannt sein. Aber auch Lärm, Gummi, das durch die Abnutzung von Reifen freigesetzt wird und ins Grundwasser gelangt und der Verbrauch von nachhaltigen Ressourcen wie Öl stellen ernstzunehmende Probleme dar.

Überlastetes Güterverkehrsnetz in NRW

In Nordrhein-Westfalen leidet besonders die Metropolregion Rhein-Ruhr unter dem regen Güterverkehr. Aktuell (Ende 2023) wird der Neubau der Autobahnbrücke Neuenkamp, die A40 bei Duisburg über den Rhein führt, fertiggestellt. Täglich wurde sie von circa 100.000 Kraftfahrzeugen genutzt wird, war ursprünglich aber nur für 30.000 ausgelegt. In den vergangenen Jahren wurden laut Land NRW zudem täglich circa 50 rechtswidrig überladene LKW beim Überqueren der Rheinbrücke aus dem Verkehr gezogen. Doch bleibt es nicht bei diesem einen Neubau: Eine zweite, parallel verlaufende Brücke mit vier weiteren Spuren pro Fahrtrichtung soll bis 2026 fertiggestellt werden.

Öffentlicher Personalverkehr

Doch nicht nur Waren und sogenannte Nutztiere müssen transportiert werden. Auch wir Menschen haben das Bedürfnis, den Wunsch oder die Pflicht, motorisiert an Orte zu reisen, die wir nicht oder nur schwer zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen könnten. Diese Art der Fortbewegung ist eine wichtige Voraussetzung für Arbeit, Bildung, Versorgung und Freizeitgestaltung. Als ÖPNV (öffentlichen Personennahverkehr) versteht man Verkehr, der dazu konzipiert ist, ganze Menschengruppen gezielt zu transportieren. Beliebte Verkehrsmittel sind Bus und Bahn, unter anderem Eisenbahn und Straßenbahn.

Das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die nachhaltigste Art, voranzukommen, jedoch nicht immer gut oder überhaupt möglich. Leider sind Bus- und Schienennetze nämlich in zum Teil mangelhaftem Zustand und eine zeitnahe Ausbesserung scheint nicht in Sicht. Laut Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn NRW ist die Situationen der Bahn besonders in Nordrhein-Westfalen brenzlich: „Wir haben hier fünfmal mehr technische Störungen als etwa in den Niederlanden.“ Insbesondere Köln in geraten so Züge regelmäßig ins Stocken. Die Bahn will in NRW zwei Milliarden Euro investieren, doch ob das die Probleme der kaputt gesparten Bahn auch tatsächlich beheben wird, sind unklar.

Motorisierter Individualverkehr

Beim motorisierten Individualverkehr (MIV) wird in der Regel kein Fremdgut transportiert, er dient primär der individuell gestalteten Fortbewegung und möglicherweise überdies dem Transport von Eigenbesitz. Nicht nur eigene Autos, sondern auch Mietfahrzeuge, im Rahmen von Carsharing beanspruchte Autos, gehören zum motorisierten Individualverkehr. Trotzdem ist dieser nach wie vor von Eigenwagen geprägt.

Laut ADAC besaßen im Jahr 2021 circa drei Viertel der Haushalte in Deutschland mindestens ein Auto. Mehr als einer von vier Haushalten besaß sogar zwei PKW, also Personenkraftwagen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahl heute zurückgegangen ist.

Motorisierter Individualverkehr in NRW

Seit mehreren Jahren schon verteidigt Nordrhein-Westfalen in der bundesweiten Stau-Statistik den Spitzenplatz an Bundesländern mit den meisten Staus. Im Jahr 2020 hat laut ADAC ein Drittel aller deutschen Staus den Verkehr in NRW stattgefunden.

Laut Statistischem Landesamt ist in NRW zwar die PKW-Dichte lediglich im bundesweiten Mittelfeld, aber es zeigt auch, dass in immer mehr PKW in NRW angemeldet werden. Allein zwischen 2022 und 2023 hat die Gesamtanzahl an Autos in NRW um 0,5 Prozent zugenommen. Heute sind in NRW circa 10,5 Millionen PKW zugelassen. Bei Stand 2023 insgesamt circa 18 Millionen Einwohnern entspricht das einem PKW auf 1,7 Einwohner.

Probleme des individuellen Autoverkehrs

Die von Individualverkehr geprägte Verkehrsinfrastruktur prägt das Landschaftsbild überall im zubetonierten Deutschland stärker als Wiesen, Wälder und Parks. Das Auto herrscht deutschlandweit und in NRW auf dem Dorf, in dem man auf es angewiesen zu sein glaubt, und im Kern der Großstadt, der nachgesagt wird, auch für die Autofahrt attraktiv sein zu müssen.

So sind laut Bundesumweltamt in Deutschland immerhin circa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt, also zubetoniert, -asphaltiert, -gepflastert oder auf andere Weise befestigt. Wichtige Bodenfunktionen, vor allem die Wasserdurchlässigkeit und die Bodenfruchtbarkeit, gehen zunehmend verloren.

Etablierung von individuell ausgerichtetem Automobilverkehr

Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2022 lediglich 6,7 Milliarden Personen regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln befördert, wohingegen circa 45 Milliarden Personen regelmäßig mit dem Auto gefahren sind. Mobilität und vor allem mobile Flexibilität haben in unserer Gesellschaft einen enorm hohen Stellenwert und für viele Menschen, die in unserer Gesellschaft leben, gehört das eigene Auto fest zum Alltag dazu.

Der PKW scheint in Deutschland gerade unantastbares Heiligtum zu sein. Die aktuell herrschenden politischen Narrative fördern dabei den Individualverkehr und insbesondere die private Nutzung des PKW nur noch weiter, indem sie dem Verkehrswachstum mit neuen Straßenprojekten mit offenen Armen begrüßen oder sogar fördern.

Einschränkungen des Menschen durch den Automobilverkehr

Aber das ist nicht das einzige Problem: In Städten und an Schnellstraßen und Autobahnen ist auch Autolärm omnipräsent und wertvoller Raum wird für Straßen und riesige Parkplatzflächen wie Parkhäuser benötigt. Sogar Fahrradwege und Wanderrouten werden von und für Autostraßen unterbrochen. Der Verkehrsfluss auf Autobahnen und um viele Großstädte ist von Staus, Unfällen und nie endenden Baustellen geprägt.

Doch zahlen wir nicht nur jetzt gerade, unter anderem durch Flächenverbrauch, einen hohen Preis für den unangemessenen Straßenbau: Durch versteckte Subventionen, die von der Allgemeinbevölkerung für den Ausbau von Automobilverkehr zahlen muss, werden kommende Generationen für die heute gebauten Verkehrsinfrastrukturen ungefragt in die Pflicht genommen.

Umweltbelastung durch den Automobilverkehr

Die wenigen verbliebenen Wälder und Waldteile wie der Dannenröder Forst 2020 werden für den Individualverkehr nach und nach für weitere Straßen gerodet. Der immer ein Stück weit egozentrische Individualverkehr führt unabdingbar zu immer größeren Einschränkungen und Problemen für die Umwelt und damit auch für den Menschen.

Schlussendlich ist es schon fast ein alter Hut, dass Kohlendioxid in Abgasen das Klima enorm belastet und die Automobilnutzung zu den Hauptverursachern von fossilem CO2 gehört. Auch Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide beeinflussen die Luftqualität negativ.

Alternativen zum individuell ausgerichteten Automobilverkehr

Zahlreiche Argumente sprechen für eine Politik, die sich dem individuell ausgerichteten Automobilverkehr abwendet und alternative Verkehrsformen fördert. Doch Klimaaktivismus, der sich aus diesem Grund gegen die unreflektierte individuelle Automobilnutzung positioniert, wird medial geradezu stigmatisiert und aufs Schärfste verurteilt. Das privat genutzte Auto muss jedoch einer egozentrisch geprägten Vergangenheit angehören, wenn wir wollen, dass auch noch zukünftige Generationen auf diesem Planeten überleben.

Hierfür müssen aber alternative Mobilitätskonzepte zugelassen werden. Unter anderem sollten öffentliche Verkehrsmittel stärker gefördert und ausgebaut werden und eine Mobilität bereitgestellt werden, die nicht auf das Vorhandensein eines eigenen Autos angewiesen ist. Mehr Innenstädte sollten Autos maximal für den notwendigen Gütertransport zulassen (Stichwort autofreie Innenstädte) und bisher für Parkplätze und Straßen genutzte Asphaltwüsten sollten renaturiert werden und als grüne Oasen das urbane Leben angenehmer gestalten. Und durch die Förderung des Fuß- und Radverkehrs müsste das Zurücklegen von Kurzstrecken ohne motorisiertes Vehikel attraktiver gestaltet werden.

(rl)