Analyse zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen

von Martin Gramer / Robert Gabel

Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz erzielte in Brandenburg 2,6 % und in Sachsen 1,5 % der Stimmen. Das Ergebnis in Brandenburg ist das bislang beste auf Länderebene seit Bestehen der Partei. Der bisherige Rekord lag 2009 in Sachsen mit 2,1 %, gefolgt von 1,9 % in Berlin 2016 und bereits drei mal konnte 2,0 % auf Landesebene bei Europawahlen erreicht werden. Zudem wurde sie in Brandenburg mit großem Abstand stärkste Kraft unter den „Sonstigen“, sodass es eigentlich schon wieder verwundert, dass die Tierschutzpartei weder in den Umfragen noch am Wahlabend explizit aufgeführt wurde.

Auch bei der U18-Wahl in Sachsen und  bei der Juniorwahl in Brandenburg konnte sie mit 8,8 % beziehungsweise 9,4 % hervorragende Ergebnisse erzielen und sogar stärker als die SPD oder DIE LINKE werden. Die Wahlanalysedaten der Forschungsgruppe Wahlen (im Auftrag des ZDF) zeigen auch, dass die „Sonstigen“ in Brandenburg 14,3 % bei den Frauen unter 30 Jahren und 10,8 % bei den Männern unter 30 Jahren erreichten. Da die Tierschutzpartei den mit großem Abstand meisten Teil der „Sonstigen“ ausmachte, liefern diese Zahlen einen weiteren guten Beleg dafür, dass das Wahlverhalten der SchülerInnen auch später bei den echten Wahlen beibehalten wird. Die Wahlanalyse der Forschungsgruppe Wahlen deuten auch auf ein besonders hohes Bildungsniveau der Tierschutzpartei-Wähler hin.

Wie in der Vergangenheit zeigt sich auch bei diesen beiden Wahlen erneut, dass die Tierschutzpartei dort, wo sie kommunalpolitisch oder zumindest organisatorisch präsent ist, ihre höchsten Ergebnisse erzielt. In Brandenburg erzielte sie in den Wahlkreisen Oberhavel I und Oberhavel II jeweils 3,6 %, in ersterem lag sie laut vorläufigem Ergebnis sogar vor der FDP. Zum zweiten Wahlkreis gehört die Stadt Hohen Neuendorf, in dessen Stadtrat die Landesvorsitzende Kerstin Hamann seit diesem Jahr vertreten ist und darüber hinaus noch Mitglied des Kreistages des Landkreises Oberhavel ist. Auch in vielen anderen Orten, wo die Tierschutzpartei kommunal aktiv ist oder intensiven Wahlkampf betrieb, wurden sehr gute Resultate erzielt, beispielsweise 5,0 % in Velten.

Rund 50 Großplakate wurden in Brandenburg aufgestellt und zahlreiche Plakate an Laternen aufgehängt. Das Ergebnis kann sich entsprechend sehen lassen und beweist abermals, dass sich ein engagierter Wahlkampf direkt in guten Wahlergebnissen wiederspiegelt. Hält der Aufwärtstrend der Tierschutzpartei weiter an, so sind die ersten Parlamentssitze in einem Landtag nur noch eine Frage der Zeit. Momentan werden die Bezirkstagswahlen in Berlin (mit einer Dreiprozenthürde), die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und etliche weitere Wahlen vorbereitet. Aus Brandenburg lässt sich lernen: Tierschutzthemen sind den WählerInnen wichtig und in Kombination mit zielgruppenspezifischen Umwelt- und sozialen Themen bei jüngeren und älteren Wahlberechtigten lässt sich der Bekanntheitsgrad und die politische Mitgestaltung vorantreiben.

Ähnliches Bild zeichnet sich in Sachsen ab: Im Wahlkreis Zwickau 3, der unter anderem die Stadt Zwickau umfasst, erzielte sie 2,3 %, wo sie bereits ein Vierteljahr zuvor bei der Stadtratswahl den Einzug geschafft hatte. Im Wahlkreis Vogtland 1, in dem der Spitzenkandidat Jürgen Wunderlich wohnhaft ist, sprang ein Ergebnis von 2,2 % raus.

Die V-Partei, die nur in Brandenburg wählbar war, erzielte dort lediglich 0,2 %, womit sie dort abgeschlagen auf dem letzten Platz landete. Angesichts der Tatsache, dass ihr geplanter  Antritt bei der diesjährigen Europawahl aufgrund von Unstimmigkeiten bei der Kandidatennominierung vom Bundeswahlausschuss abgelehnt worden war und in Brandenburg erneut nur ein Ergebnis heraussprang, das von Politik und Medien wohl als Ablehnung des Veganismus seitens der Wähler interpretiert werden kann, sollten die V-Parteiler ihr Projekt infrage stellen. Die politische Zersplitterung derjenigen Kräfte, die für Tierschutz und Tierrechte kämpfen, ist leider absolut kontraproduktiv.

Ist die AfD dabei, sich in einigen Bundesländern als Volkspartei zu etablieren? Genau dieser Eindruck manifestiert sich, wenn man sich die Landtagswahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg ansieht, denn in beiden Ländern wurde sie zweitstärkste Partei. Laut Umfragen hatte sie sogar Aussichten gehabt, stärkste Kraft zu werden. Um genau dies zu verhindern, wählten die Leute aus strategischen Gründen in Brandenburg SPD und in Sachsen CDU, um eben der AfD nicht diesen Erfolg zu verschaffen. Trotzdem erzielten die SPD in Brandenburg mit 26,2 % und die CDU in Sachsen mit 32,1 % ihre jeweils schlechtesten Ergebnisse bei Landtagswahlen in dem entsprechenden Bundesland. Die CDU erreichte in Brandenburg hingegen mit 15,3  % ihr schlechtestes Resultat bei einer Landtagswahl seit 1959, die SPD kam in Sachsen mit 7,7 % noch hinter CDU, AfD, LINKEn und GRÜNEn auf ihr historisches Tief bei Landtagswahlen in der deutschen Geschichte.

Die AfD wurde jedoch nur in Sachsen vorrangig wegen ihrer programmatischen Aussagen gewählt, in Brandenburg eher aus Protest, so belegen die Zahlen. Dies widerspricht somit der Definition einer Volkspartei, die sich den Problemen und Anliegen der Menschen widmet und nicht aus Unzufriedenheit mit den anderen Parteien gewählt wird. Auch werden der AfD lediglich in zwei Bereichen leidliche Kompetenzen zugeschrieben: Asylpolitik und Innere Sicherheit. Eine Volkspartei müsste in viel mehr politischen Feldern überzeugende Angebote machen können. Auch spricht gegen die Einordnung der AfD als Volkspartei, dass das Wählerpotenzial stark begrenzt ist, da sich die Nicht-AfD-Wähler vehement von dieser Partei distanzieren, während eine Volkspartei allgemeine Akzeptanz auch über die eigene Wählerschaft aufweist. Die AfD ist daher ganz klar auch in Brandenburg und Sachsen keine Volkspartei.

Die GRÜNEn erzielten in beiden Ländern ihre jeweils historisch besten Ergebnisse und wurden in Brandenburg zum ersten Mal bei einer Landtagswahl in den neuen Ländern sogar zweistellig. Außerdem gewannen sie in Brandenburg einen und in Sachsen drei Wahlkreise. Dass sie noch höhere Wahlergebnisse erzielten, wurde wohl durch das sogenannte strategische Wählen vereitelt, um eben zu verhindern, dass die AfD als stärkste Partei hervorging. Letzteres betraf auch die FDP, der dadurch sogar die laut Umfragen durchaus denkbare Rückkehr in beide Parlamente verunmöglicht wurde. DIE LINKE fuhr in beidem Ländern nur rund zehn Prozent ein und hat eventuell ihre langjährige Position als „Ost-Partei“ verloren, obwohl sie laut Wählerbefragungen noch immer als engagiertesten für die Neuen Bundesländer gilt. In Brandenburg schafften außerdem die „Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler (BVB / FREIE WÄHLER)“ den Einzug, da sie ein Direktmandat erzielten konnten und somit die Fünfprozenthürde außer Kraft setzen, wobei letzteres diesmal nicht notwendig gewesen wäre, da sie die Sperrklausel diesmal knapp überwinden konnten und künftig mit fünf Abgeordneten vertreten sein werden.