Analyse zur Bürgerschaftswahl Hamburg

Die Tierschutzpartei, die erstmals seit 23 Jahren wieder zu einer Hamburger Bürgerschaftswahl antrat, erreichte 0,7 %, womit ihr Resultat über denjenigen von 1993 (0,3 %; zugleich der allererste Wahlantritt der Parteigeschichte) und 1997 (0,4 %) liegt. Da es sich um eine Wahl in einem Stadtstaat handelt, ist das Ergebnis dennoch enttäuschend. Eine ganze Palette von Faktoren haben hierbei eine Rolle gespielt. Zum einen hat der konkurrierende Antritt der rechts ausgerichteten „Aktion Partei für Tierschutz (Tierschutz hier!)“ einen höheren Wählerstimmenanteil verhindert. Wie bei vergangenen Wahlen setzte sie auch diesmal darauf, mittels Strohmann-Kandidierenden Verwirrung zu stiften und u. a. versehentlich von Leuten gewählt zu werden, die eigentlich die Tierschutzpartei präferieren. Sie erhielt 0,5 % – bei Nichtantritt der Tierschutzpartei wäre der Anteil noch höher ausgefallen

Die Affäre um die Vergangenheit des EU-Parlamentariers Martin Buschmann, der nicht mehr Mitglied unserer Partei ist, im Vorfeld der Wahl war dem Resultat ebenfalls nicht dienlich, ebenso die Diskussion um eine Kandidatin, der unachtsamer Umgang bei ihrer Bekleidung vorgeworfen wurde. Der sehr kurzfristig beschlossene Wahlantritt und die damit verkürzte Vorbereitungszeit sowie die lange Abwesenheit bei Hamburger Bürgerschaftswahlen könnten ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Dennoch muss der Blick nach vorne gerichtet sein, denn nach der Wahl ist vor der Wahl und Rückschläge gehören dazu, so unangenehm sie auch sind!

Unsere besten Ergebnisse erzielten wir in dem Gebiet direkt östlich von der Hamburger Innenstadt. Aber auch in einigen anderen Stadtteilen im Hafen oder in Altona gab es viele Stimmen. Bei den Personenstimmen schnitt Patricia Schröter Morales, gefolgt von Lisa Fritsch, am besten ab.

Bei der U16-Wahl erhielten wir 5,9 % der Stimmen und somit mehr als die FDP. Bei der nächsten Bürgerschaftswahl und den Bezirkswahlen können wir darauf aufbauen und hoffen mittelfristig auf den Einzug in die Hamburger kommunalen Gremien.

Die SPD hat bewiesen, dass sie doch noch Wahlen gewinnen kann. Nach den größtenteils niederschmetternden Wahlergebnissen von 2018 und 2019 wurde sie mit rund 39 Prozent mit großem Abstand stärkste Partei. Trotz deutlicher Stimmenverluste gegenüber der Wahl vor fünf Jahren ist es für die alte Dame SPD ein großer Erfolg, da solche Resultate bei überregionalen Wahlen künftig größtenteils die Ausnahme bleiben werden.

Härtester Konkurrent im Rennen um die Position als stärkste Kraft war diesmal nicht die CDU, sondern die GRÜNEN. Ihr Resultat von 24,2 % ist ihr bestes Ergebnis bei einer Wahl in der Hansestadt und nach dem Triumph in Baden-Württemberg von 2016 das zweitbeste bei einer deutschen Landtagswahl. Nachdem Ende letzten Jahres noch alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und GRÜNEN um Platz eins hingedeutet hatte, landeten letztere „abgeschlagen“ auf Platz zwei. Den Wahlanalysen zufolge lag die Hauptursache darin, dass die GRÜNEN bei der Altersgruppe „70 und älter“, die alleine ein Fünftel aller Wahlberechtigten stellt, lediglich acht Prozent erreichten, die SPD hingegen vor allem dort punktete mit über 60 %.

Die CDU unterbot mit 11,2 % nicht nur ihr historisches Tief von 2015 sondern erzielte ihr zweitschlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in der Geschichte der BRD; lediglich bei der Bremer Wahl von 1951 erreichte sie mit neun Prozent noch weniger Stimmen. Für die FDP und die AfD wurde der Wahlabend zu einer Zitterpartie um den erneuten Einzug. Nachdem die Prognose sowie die ersten Hochrechnungen letztere zunächst draußen sahen und bei ihren politischen Gegnern Freude auslösten, ist sie am Ende mit 5,3 % doch noch drin. Jedoch muss sie zum ersten Mal bei einer Landtagswahl prozentuale Stimmenverluste hinnehmen. Die FDP, die die ganze Zeit auf genau 5 Prozent herum eierte, schien es am Ende ganz knapp rein geschafft zu haben. Doch einen Tag später stellte sich heraus, dass in einem Wahlbezirk die Stimmen von GRÜNEN und FDP vertauscht worden waren, wodurch letztere mit 4,96 % doch draußen war. Nicht ganz, denn eine FDP-Kandidatin erzielte ein Direktmandat und wird somit alleinige Abgeordnete ihrer Partei sein.

CDU und FDP haben damit die Quittung für die jüngsten Ereignisse in Thüringen erhalten, als sie in Kauf nahmen, dass ein FDPler mit Stimmen der AfD zum (Kurzzeit-)Ministerpräsidenten gewählt worden war. Bleibt unter den großen Parteien noch DIE LINKE, die mit rund neun Prozent ebenfalls ihr bislang bestes Resultat in der Hansestadt erreichte. Im Segment der Sonstigen erreichte Die PARTEI 1,4 %, gefolgt von der paneuropäischen VOLT-Partei, die 1,3% erzielte, die höchsten Ergebnisse.

von Martin Gramer